Dienstag, 30. August 2011

Der unsinnigste Befehl

 Der 7. Oktober rückte näher. An diesem Tag stand der Republikgeburtstag an. Zu Ehren des Geburtstages sollte wieder ein Tag der offenen Türe veranstaltet werden. Es wurden Fahrzeuge ausgesucht die auf dem Exerzierplatz zur Schau gestellt werden sollten. An den Exerzierplatz schloss sich der Fußballplatz nahtlos an. Beide waren durch Zierelemente aus Beton optisch vom voneinander getrennt. Fußballspielen war uns untersagt wurden. Es gab nach den Spielen zu häufig Innendienstkranke. Soldat Tröger von der zweiten Kompanie rangierte seinen Sattelschlepper mit Panzermunition auf dem Exerzierplatz ein, als ich gerade über diesen lief und in den Armeekonsum( MHO - Militärhandelsorganison ) wollte. Er fuhr rückwärts in die Betonelemente, diese  kippten langsam aber sicher nach hinten um. Der Batailloner schaute zufälliger Weise aus dem Fenster und bekam einen Schreikrampf. Er brüllte, ich mache einen Bataillonsappell, so etwas kann doch nicht sein. Ich dachte da gibt es Schlimmeres, ein Unfall kann  jeden einmal passieren. Ich sah zu das ich in die MHO kam, ehe der seinen Appell abhielt. Und wirklich wegen so einem Unsinn machte er seinen Bataillonsappell. Es klang schon merkwürdig wenn er redete, für seinen Sprachfehler konnte er nichts aber er übertraf sich selber. Nach dem er seine Abhandlung über Unfälle erläutert hatte sprach er, ich befehlee ab heute werden keine Uunfällee meehr gemacht!! Das ganze Bataillon bog sich vor lachen, einschließlich der Stabsoffiziere. So einen unsinnigen Befehl hatte noch keiner gehört. Nach dem Appell setzte Soldat Tröger die Betonelemente neu. Die Arbeit dauerte keine Stunde. Am nächsten Morgen war wieder Bataillonsappell. Die vorzeitigen Beförderungen standen an. Aus unserem Zimmer war es Rudi der zum Gefreiten befördert wurde. Gefreiter Graichen wurde wieder zum Unteroffizier  und Schroth wieder zum Gefreiten befördert. Als ob den das noch so kurzfristig vor der Entlassung anheben würde. Naja egal, jedenfalls hatte Zirl eine kleine Ehrentribüne aufbauen lassen. Er erwartete den SED – Bezirkschef des Bezirkes Erfurt und den Oberbürgermeister der Stadt zu Besuch. Im Vorfeld des Ereignisses hatten wir stundenlang Exerzieren geübt immer schön im Paradeschritt. Bestimmt versprach sich Zirl persönlich etwas davon. Am Vormittag des 7. Oktobers schaute ich mir einmal die Technik des Sanitätsbataillons an. Die verschiedenen OP – Zelte und die Fahrzeugtechnik.  Das war schon einmal ganz interessant. Eines dieser Fahrzeuge war ein Amphibienfahrzeug. Das Grundmodel basierte auf  dem Saporoshez. Dieses Fahrzeug war ein russischer Pkw. Eigentlich wurde viel über dieses Vehikel gespottet. Dieses hier hatten sie zu einem Cabrio umgebaut, einem Zweisitzer. Auf den hinteren Teil hatte man zwei Plasteliegen für Verletzte montiert. So etwas hatte ich noch nie gesehen, ich fragte mich schon ob das Funktionierte. Das Fahrzeug fuhr der Feldscher. Der war 100 Prozent von der Tauglichkeit des Schwimmautos überzeugt. Nach dem Mittagessen traten wir vor der Ehrentribüne an. Der OB, der Parteichef und Zirl hielten eine Rede. Es war die reinste Selbstbeweihräucherung, was anders konnte man auch nicht erwarten und wir Soldaten konnten sowieso nicht weglaufen. Nach den Reden erfolgte der Vorbeimarsch an der Tribüne. Im Paradeschritt zogen wir los. Zuerst die erste Kompanie, dann die Zweite, ja und dann haute es mich bald weg. Nach dem die ersten beiden Kompanien vorbeimarschierten waren folgten wir. Kaum waren wir an der Tribüne angelangt brüllte Roos, im Laufschritt marsch. Wir rannten an der Tribüne vorbei. Zirl fehlte einfach die Ruhe und Cleverniss um angemessen zu reagieren. Nachdem ihm der Kiefer nach unten geklappt war brüllte er, Major Roos sofort zu mir. Roos ignorierte das Schreien von Zirl und machte ihn vollkommen zum Obst vor seinen Ehrengästen. Zirl stürzte von der Tribüne Roos hinterher. Als er ihn eingeholt hatte, schrie er ihn an, wir sehen uns heute noch in meinem Dienstzimmer 17.00 Uhr, haben sie mich verstanden. So lustig wie das für uns war, zeigte es doch die Disziplinlosigkeit von Roos und sein ganzes schizophrenes Verhalten. So einer forderte von uns strengste Disziplin und Gehorsam und war doch selber die Verkörperung des Bösen. Ich fragte mich was in solch einem Kopf nur vor ging.
Noch war es ein knapper Monat bis wir E’s wurden. Die Truppe um Chalerie war schon schwer drauf, wir wollten in diesem Halbjahr noch einmal  in den Ausgang.  Luderer hatte ein paar Tage Urlaub, da trug ich mich schnell in das Ausgangsbuch ein und bekam den Ausgang auch genehmigt. Ich ging gerne  mit der alten Truppe von der A - Kompanie in den Ausgang. Da war immer was angesagt. Freitag Abend zogen wir los und wir ließen die Sau raus. Wir sangen voller Inbrunst das EK – Lied und mit besonderer Hingabe den Refrain: Und dann ziehen wir durchs KTP und scheißen auf die Volksarmee. In der Innenstadt von Erfurt kam das mehr oder weniger gut bei der Bevölkerung an. Auf alle Fälle war es ein kultureller Beitrag von unserer Seite. Wo solch gut gelaunten Sänger wie wir unterwegs waren, war in die Militärstreife nicht allzu weit und so war es auch diesmal. Wir liefen ihnen genau in die Arme. Das wirkte schlagartig ernüchternd auf uns. Alles Schlechte was ich bisher mit  diesen Konsorten erlebt hatte wurde in 5 Minuten als Lügen gestraft. Der Kommandeur der Streife, ein Leutnant, begleitet von drei Soldaten mit MPI sagte zu uns, folgen sie mir bitte in die nächste Seitenstraße. Ich dachte so wie wir uns benommen hatten war es das  für den Ausgang und die Bestrafung wäre die logische Folge. Als wir in die Nebenstraße eingebogen waren sagte er zu uns, nehmen sie Haltung. Wir rissen die Hacken zusammen, so wie sie sich benommen haben müsste ich sie einsperren lassen. Als erstes stellen sie ihre Anzugsordnung her. Für mich hieß das den Schlips umbinden, für andere die Schirmmütze aufsetzen und eigentlich für jeden die Jacke zu schließen.  Es geht doch meine Herren, sprach der Leutnant.  Haun sie ab und benehmen sie sich, so möchte ich sie heute Abend nicht noch einmal erleben. Wir brüllten, jawohl Genosse Leutnant und verschwanden ganz, ganz schnell.

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