Freitag, 26. August 2011

Sticheleien

 Das die Soldaten Diensthalbjahresweise lagen sollte die EK Bewegung eindämmen. Das ging schon mal nach hinten los. Es hatte aber noch einen anderen Nachteil, anfänglich war er nicht zu erkennen. Mit fortschreitender Zeit kristallisierte es sich immer mehr heraus. Die Hackordnung fehlte. Niemand musste sich dem Anderen auf dem Zimmer unterordnen, eigentlich waren wir gleichgeschaltet. Das führte automatisch zu Konflikten. Gewöhnlich entluden die sich in kleinen Sticheleien und Spöttereien. Ich war von Haus aus in die Richtung veranlagt, dieser Umstand verstärkte meine Neigung. Ich fand schnell die Schwächen Anderer heraus und konnte darin stundenlang rumpulen. Damit hatte ich kein Problem. Irgendwann, die Meisten von uns lagen faul auf den Betten, fing Bengert an von seiner Freundin zu erzählen. Ihn musste der Teufel geritten haben, als er meinte sie arbeitet bei der Staatssicherheit. Glauben tat ich es ihm nicht, er wollte sich bestimmt nur wichtig machen. Da ist deine Freundin wohl eine richtige Rote, hörte ich Meise fragen? Ich schaute zu Meißner, der grinste und ich legte noch einen drauf. Da sind die Kommunisten wohl nicht nur manchmal im Busch, sondern ständig bei dir zu Hause? Das Zimmer jubelte, Bengert meinte wir wären dumme Schweine. Ich sagte zu ihm dumme Schweine sind besser wie Rote. Ach lasst mich doch in Ruhe, brummte er. In den nächsten Tagen stichelten wir immer wieder. Meise trällerte rot für dich rot für mich. Das fand ich gut und viel in den Gesang mit ein. Bald darauf sang es das ganze Zimmer. Bengert hatte die Schnauze endgültig voll und schrie wenn ihr nicht aufhört haue ich euch allen ein paar rein.  Wir lachten ihn aus. Auf einmal meinte er, ich habe euch gewarnt, ich mache Meldung wenn ihr nicht aufhört. Das zog, davor hatten fast alle Angst und hörten auf. Ich wollte es näher wissen und fragte ihn, was willst du denn melden und bei wem willst du es melden? Bengert schaute mich mit großen Augen an und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Na dem Roos werde ich es sage, ich lachte ihn aus. Der wird sich aber bei dir bedanken und dich ab treten lassen. Bengert wurde aggressiv, das wird der sich überlegen wenn ich ihm sage ihr habt euch über die Stasi lustig gemacht. Das haben wir ja gar nicht über dich haben wir uns lustig gemacht, du Kameradenverräter. Du bist doch nichts weiter wie ein Arschloch sagte ich zu ihm. Bengert flippte vollkommen aus und brüllte mich an, dich schlage ich kurz und klein, du Rindvieh. Da war er bei mir genau richtig. Das kannst du machen sagte ich zu ihm, ich suche schon seit einem viertel Jahr jemanden der mir meine Gebisssanierung bezahlt, ich werde mich auch nicht wehren. Er drehte völlig frei, komm sofort mit raus das regeln wir gleich. Ich ging in den Duschraum, er kam hinterher getobt. Na los fang an, hier ist mein Kinn da kannst du mal ordentlich drauf haun. Bengert war verunsichert und fragte warum machst du das? Was mach ich denn? Du hast doch vor Allen erzählt deine Freundin ist bei der Stasi. Da werden die sich aber bei dir auch recht schön bedanken, dass du so etwas erzählst. Mit dem bisschen Spott bist du doch gut bedient. Auch dass du mich kurz und klein schlagen willst hast du vor acht Zeugen erzählt. Da hätten wir gar nicht raus gehen brauchen, das kannst du auch auf dem Zimmer machen. Bengert wurde ruhiger und meinte von der Seite habe er das nicht betrachtet. Weist du was, ich hole heute Bier und dann trinken wir einen drauf. Klingt gut, sagte ich. Bier holen können die Springer, es langt zu wenn du es bezahlst. Lachend gingen wir aufs Zimmer. Kummer nahm mich in einem ruhigen Moment bei Seite. Was hast du denn dem erzählt, dass er sich so schnell ein bekommen hat?  Mein lieber Uwe eigentlich nichts weiter. Ich habe ihm klar gemacht jede Medaille hat zwei Seiten.
Meise war bei uns der Stubenälteste, das akzeptierte jeder, das war in Ordnung. Nach dem zweiten Frühstück auf dem Zimmer sagte er zu Ulf, wisch doch mal bitte den Tisch ab, wenn der Roos reinschaut gibt es sonst wieder Ärger. Ulf war zickig und rief immer ich. Du bist auch immer der Letzte, sagte Meise und dann hast du dich immer wie ein Mädchen. Ulf lachte albern. Man das klingt wie bei so einer Uschi schimpfte Arno. Das war die Geburtsstunde von Ulfs Spitznamen. Er war ab jetzt unsere Uschi. Unbedingt rief das bei ihm kein Frohsinn hervor. Je mehr er sich ärgerte, umso lieber riefen wir ihn Uschi. Den Namen wurde er nicht mehr los. Eigentlich war es nicht üblich dass ein Geburtstagskind von uns beschenkt wurde. Wer Geburtstag hatte der musste ein Teil Bier ausgeben und damit war die Sache erledigt. Meise meinte, dem müssen wir genau das Richtige schenken. Kümmerli sagte Lockenwickler wären nicht schlecht, genau rief Bernhard jeder bringt aus dem Urlaub irgendein Utensil mit. Da ich aber erst im Sonderurlaub war, konnte ich nichts mit beisteuern. Es war schon amüsant was da zusammen kam. Ein Haarnetz, Strumpfhosen, Lockenwickler, Damenparfüm und noch einiges mehr. Meise schrieb die Glückwunschkarte. Unserer lieben Uschi alles Gute zum Geburtstag, dann unterschrieben alle. Als er eingeschlafen war packten wir es auf den Tisch. Am nächsten Tag hatte Roos Frühdienst. In seiner ungehobelten Art stürzte er schon halb Sechs in die Zimmer, damit wir auch alle schon bei Zeiten wach waren. Er sah die Geburtstagsgeschenke und begutachtete sie, er nahm die Glückwunschkarte und las. Während meine Zimmerkameraden so taten als schliefen sie tief und fest, schaute ich was Roos  veranstaltete. Er bekam es mit das ich ihn beobachtete.  Müller brüllte er, damit auch alle munter wurden, wer ist Uschi? Ulf schlief im Doppelstockbett neben mir, oben. Ich zeigte grinsend mit dem Daum nach ihm. Roos lachte los, das habe ich mir schon fast gedacht, der sieht auch so aus und polterte aus dem Zimmer. Wir hatten aber auch noch andere Hobbys, als sich untereinander zu ärgern. Wir hörten in unserer Freizeit gerne und viel Radio. In Thüringen empfingen wir genügend deutschsprachige Radioprogramme. Ostdeutsche Sender wollten wir natürlich nicht hören. Was verboten war reizt doppelt. Am liebsten hörten wir Hitparaden. Da hatte fast jeder Sender seine Eigene. Das Musikangebot war viel weitergefächert als in der DDR. In der DDR gab es ende der 70ziger Jahre eigentlich nur zwei Hauptrichtungen was die Unterhaltungsmusik anging. Das waren Schlager und deutsche Rockmusik. In der BRD sah das alles etwas anders aus. Da gab es Rock and roll, Country, Schlager, Rockmusik, Chansons, Blödelmusik und noch einiges mehr. Ich will nicht sagen dass es das bei uns nicht gab, aber die meisten Musikrichtungen davon  besetzten bestenfalls Nischen. Im Radio hörte man solche Musik nicht. Bands wie Torfrock und Truckstopp lösten bei uns schon Jubelstürme aus.

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