Mittwoch, 24. August 2011

Hochzeit

 Der August ging zu Ende am 13.09. wollte ich heiraten. Bis dahin waren es noch ein paar Tage. Nach 20.00 Uhr gingen wir für  gewöhnlich in den Fernsehraum. Meistens schauten wir Westfernsehen. Wenn man in Erfurt war, musste man das nutzen. 90 Prozent der Soldaten sahen das ebenso. Sie kamen ja fast alle aus dem Bezirk Dresden und waren über  das Westfernsehen genauso froh wie ich. Der Farbfernseher war ein russisches Produkt und hieß Raduga. In den sozialistischen Ländern wurde das SECAM System für das Farbfernsehen genutzt. Im Westen wurde das Farbfernsehen auf der Basis des PAL System gesendet. So konnten wir das Fernsehen aus dem Nachbarland wir nur schwarz - weiß empfangen. Es störte uns nicht weiter, im DDR Fernsehen liefen auch noch viele schwarz – weiß Filme. Aber ich sah das erste Mal Horror und Sciencefiction Filme. Am Besten gefiel mir die Schau mit Mike Krüger. Die halbe Kompanie stand Kopf, als es hieß, Samstagabend kommt Frankenstein. Nach dem Film war mir klar, die kochen auch nur mit Wasser. So ein Unsinn wäre nachmittags bei Professor Flimmrich ( Kinderfernsehen )  im DDR Fernsehen gelaufen. Spannend wurde es wenn der Fernseher in die Reparatur musste. Da waren wir ganz schön am kreiseln, denn das Relais musste ausgelötet und die Petschaft geknackt werden, ohne das es die Offiziere mit bekamen. Kam der Fernseher aus der Reparatur zurück, begann das Spiel von Neuen. Russische Fernseher waren öfters kaputt, die produzierten mehr Hitze wie Bildqualität. Den Offizieren war trotzdem klar auf den Kompanien wird Westfernsehen geschaut. Manchmal versuchte der OvD es zu unterbinden. Immer wenn er auf die Kompanie kam brüllte der der UvD Achtung und machte Meldung. Das war für uns das Zeichen, die Stromverbindung zu dem Relais zu unterbrechen und der Fernseher schaltete auf eins von zwei DDR Programmen um. OvDs die sich für besonders gewieft hielten, gaben dem UvD durch Handzeichen zu verstehen, sie sollten nicht Achtung rufen. Aber wir kannten ja unsere Pappenheimer. Wenn einer der üblich Verdächtigen OvD hatte, stellten wir einen Springer als Sonderwache vor die Tür. Der kam dann schnell in den Fernsehraum, wenn so eine Pappnase auftauchte. Ich nahm mir auch mal in der Freizeit etwas Sinnvolles vor und beschäftigte mich mit dem Basteln einer Deckenlampe. Aus Speerholz sägte ich die einzelnen Elemente aus. Es waren an die 20 Einzelteile. Sechs davon wurden mit Blumenornamenten versehen. Zuerst zeichnete ich sie auf das Speerholz um sie dann auszusägen. Der nächste Arbeitsgang war das Schleifen und Schmirgeln der Einzelteile. Die mit den Ornamenten verzierten Teile wurden auf der Rückseite mit Transparentpapier beklebt. Ich hatte im Vorfeld der Bastelarbeiten schon verschiedenfarbiges Glas gesammelt. Das wickelte ich in unterschiedliche Tücher und zerschlug das Glas mit dem Hammer zu kleinen und feinen Splittern. Diese mischte ich mit Leim und drückte die Masse in die ausgesägten und mit Transparentpapier verklebten Ornamente. Auf dies Art und Weise entstanden wunderschöne Glasblumen. Zu guter letzt setze ich die Einzelteile zusammen, verleimte und verschlief  sie. Nach Installation der Elektrik spendete sie ein wunderbar warmes Licht. Mit dem Lötkolben senkte ich die Kanten zu einem tiefen Braun. Im abschließenden Arbeitsgang lackierte ich meine Lampe mit matt glänzendem farblosem Lack.
Dann war es soweit die Hochzeit stand an. Man hatte mir zwei Tage Sonderurlaub bewilligt. Ich war nicht der erste von unserem Diensthalbjahr der heiratete. Vor mir hatte schon Chaleri den Gang gewagt. Mit der Hochzeit während der Armeezeit wollte man eigentlich demonstrieren, auch hier geht das Leben weiter. Freitag den 12.09. nach Dienstdchluss wollte ich in den Urlaub. Es gab Stress. Nur wenn mein Tankerhänger wieder einsatzfähig war durfte ich in den Urlaub. Ich mache den Leuten vom Kfz Zug mein Anliegen klar. Den Hänger hätten sie schon lange reparien können. Immer wieder ging ich ihnen auf den Zünder. 17.00 war er fertig und ich macht mich für den Urlaub startklar.Während der Zugfahrt überkamen mich wieder Zweifel ob ich mit der Hochzeit richtig lag. Irgendetwas stand zwischen Conny und mir, seit der Geburt unseres Sohnes. Was sollte ich machen? Der Urlaub war immer zu kurz um über das Problem zu reden. Da musste ich jetzt durch. Über die Problematik konnte man auch nach der Armee reden, da war man wieder vor Ort, da konnte man es direkt anpacken. Also schob ich die düsteren Gedanken in die Ecke. Gegen 22.00 Uhr schlug ich bei Vattern auf. Conny und Thomas waren auch da. Vater war mit den Nerven am Ende und drehte restlos am Rad. Erna war ja auch noch da. Sie war extra aus Singen angereist. Die Wohnung war rappelvoll. Es war furchtbar. Der Hochzeitsurlaub  fing gut an. Das Standesamt befand sich auf dem Wasaplatz. 10.30 Uhr war Termin. Die Taxen verspäteten sich. mein sorbischer „Freund“ hatte sich doch entschieden zur Hochzeit zu erscheinen und labberte Conny schon wieder voll, umhüllt von einer Schnapswolke. Seine Frau tat mir wirklich leid. Ich sagte zu ihm hör auf oder es kracht. So hatte ich mir die Hochzeit nicht vorgestellt. Endlich kamen die Wolgataxen. Conny ging ganz in weiß, es war ihr Traum. Ich hatte einen dunkelblauen Anzug an, Erna hatte ihn mir geschenkt. Nur hatte ich bei der Armee reichlich 10 kg abgenommen, ich brachte keine 60 Kilo mehr auf die Waage, ich hing in dem Anzug wie ein Schluck Wasser. Es war nicht zu ändern. Die Hochzeit selber und die anschließende Feier verliefen ruhig und friedlich. Vater bekam sich nicht mit dem Schwiegerdrachen in die Haare. Nach Mitternacht schlugen wir bei Conny auf. Die Hochzeitsnacht war wie jede Nacht mit ihr. Am nächsten Morgen versuchte ich mit ihr über meine Sorgen zu reden, sozusagen als Ehemann zur Ehefrau. Conny sagte sie hätte die Geburt geistig noch nicht verarbeitet. Sie wäre selig und körperlich sehr belastend gewesen. Ich wusste selber solche Dinge brauchen Zeit. Unterstützen konnte ich sie kaum, denn heute Abend musste ich ja auch schon wieder weg. Aber ein Anfang war gemacht auf dem man aufbauen konnte. Wie schon das letzte Mal ging ich nicht allzu spät, damit Thomas zur Ruhe kommen konnte. Ich schaute bei Vater noch mal vorbei, bedankte mich bei ihm und Erna für ihre Mühe und die Geschenke. Bevor ich nach Dresden Neustadt machte nahm ich mir neue Zivilsachen aus dem Schrank. Der Endschuss war weise keine Armeesachen anzuziehen. Vor dem Zug patrollierte die  Militärpolizei. Wie immer durften wir keine internationalen Züge benutzen. Die hätten mich gleich festgenommen. Ich lief durch den Zug und sah dass die Militärpolizei sich in einem Abteil häuslich eingerichtet hatte. Ich hörte wie sie sich mit dem Zugschaffner unterhielten. Dieser sagte zu den Kettenhunden, der Genosse von der Transportpolizei muss auch gleich kommen, dann können wir mit der Kontrolle beginnen. Mir wurde anders, das hieß sie wollten auch Zivilisten kontrollieren. Schnell stieg ich aus dem Zug. Was machst du jetzt bloß ging mir durch den Kopf? ich schaut auf den Fahrplan, der nächste Zug fuhr 05.50 Uhr nach Leipzig um 06.00 Uhr musste ich in der Kaserne sein. Ich fuhr zurück zum Hbf und ging an den Fahrkartenschalter und bettelte die Bahnangestellte ob sie mir nicht eine Bestätigung schreiben könnte, dass der Zug von Heidenau nach Dresden, wegen eines Oberleitungsschaden, Verspätung hatte. Sie sagte das könnte sie nicht tun. Ich bettelte weiter, die sperren mich ein, wenn ich zu spät komme. Wollen sie das wirklich? Sie schüttelte den Kopf, nahm ein Formular und bestätigte die Verspätung. Ich sagte zu ihr, ich könnte sie Küssen, sie lachte. Ich ging noch einmal zu Vater, da schlief alles. Die bekamen von der Sache gar nichts mit. Früh der Zug fuhr pünktlich. Ich traf einen Resi der Luftwaffe, er wollte nach Sangerhausen. Er hatte Urlaub bis Mittag 12.00 Uhr bekommen. In Erfurt musste er in den Personenzug nach Sangerhausen umsteigen. Wir machten es uns gemütlich bis Erfurt und gingen auf dem Bahnhof noch in die Mitropagaststätte  auf zwei Bierchen. Danach trabte ich in die Kaserne. Dort lauerte man schon auf mich, man hatte die Sache schon zum Batailloner getragen. Ich musste sofort auf das Dienstzimmer von Roos. Erstaunlicherweise redete er normal mit mir. Ich legte ihm die Bescheinigung der Bahnangestellten vor. Da haben sie aber Glück, meinte er. Warum haben sie nicht angerufen?. Ach wissen sie, ich war so aufgeregt, daran habe ich nicht gedacht. Ja,ja meinte er, treten sie weg.
Auf der Kompanie hatte es heute Morgen gewaltigen Stunk gegeben. Roos hatte Frühdienst gehabt und die Kompanie zum Essen begleitet. Da mussten auch die E´s mit. Roos wollte das die Kompanie ihr Marschlied singt. Sie hatten sich geweigert. Roos ließ sie immer wieder um den Exerzierplatz marschieren, aber sie sangen nicht. Wut entbrannt  ließ er sie Essen, das durfte er der Kompanie nicht verweigern. Essen war Dienst und Dienst ist Pflicht. Danach ließ er die Kompanie wieder marschieren. Sie weigerten sich aber nach wie vor zu singen. Roos beantragte zur „militärischen Ertüchtigung“ beim Batailloner einen Nachtmarsch. Denn Gruppenbestrafungen waren verboten. Mit mir hatte die Sache ja nun nichts tun, Roos verkündete: Müller macht dass mit, damit er merkt bei der Armee sieht die Hochzeitsnacht anders aus. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Ich dacht na warte, du Arsch. Der Marsch sollte mit voller Ausrüstung statt finden. Ich schütte mein Sturmgepäck in den Spind, genauso wie die Gasmaske und den Jumbo. Die Taschen und die Jumborolle füllte ich mit Zeitungspapier. Kummer meinte und wenn der nun Gasalarm gibt. Da habe ich halt Pech. Meiße und Bengert machten es genauso. Roos ließ uns in den Bezugsraum nach Windischholzhausen marschieren. Die Gefreiten Grabow und Ullrich waren Innendienstkrank geschrieben. Sie holten uns in Mönschsholzhausen mit den Fahrzeugen ab. 23.00 Uhr viel ich todmüde ins Bett. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, die Hochzeit samt Urlaub war nur Stress.

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