Montag, 8. August 2011

Feuerwache

 Die erste Woche Feuerwache war rum. Die Soldaten wechselten, nur ich blieb. Feuerwache war der blanke Abgammelposten. Den einzigen Stress denn ich hatte waren die E`s. Die hatten natürlich keine Lust sich von einem Zwischenschwein rum kommandieren zu lassen. Ich konnte sie schon verstehen, aber Mitleid hatte ich auch keines mit ihnen. Musste ich auch nicht, denn nur wenn der Laden lief hatten wir in der Feuerwache Ruhe. Manche drohten mir, warte nur Müller wenn du auf die Kompanie zurück kommst, dann hast du es erlebt. Dafür hatte ich nur ein müdes Lächeln übrig. Was mich mehr beschäftigte, war der Sonderurlaub, ich wollte unbedingt zu meinem Sohn und meiner Freundin. Der Tag kam wo ich mit meiner Bitte gehör fand. VW hatte OvD als ich Abends 20.00 Uhr in seinem Büro aufschlug. Sofort fing ich an rum zu schleimen. Genosse Oberleutnant ich habe unserer Armee einen Soldaten geschenkt. Er schaute mich, sie sind Vater geworden? Laut schmetterte ich jawohl, Genosse Oberleutnant und ich würde mich freuen ein paar Tage Sonderurlaub zu bekommen. Sie haben Feuerwache, da gibt es normaler Weise keinen Urlaub. Ich weis Genosse Oberleutnant, aber zwei Tage müssen doch drinnen sein, das stärkt meine Moral. Kommen sie übermorgen einmal auf mein Dienstzimmer dann werden sehen. VW hatte es durchgesetzt, ich bekam 1 ½  Tage Sonderurlaub. Samstag nach 12.00 meinte er und überreichte mir den Urlaubsschein. Ich bedankte mich und schaute mir den Schein an. Keine Einschränkungen standen drauf, ich durfte also auch internationale Züge offiziell nutzen. Da ich den Urlaubsschein schon Donnerstag erhalten hatte, schlich ich mich Samstag früh 08.00 Uhr aus der Kaserne. Kuchta stand am KDL und wünschte mir einen schönen Urlaub. Um die Mittagszeit war ich in Dresden. Vater fuhr mich nach Heidenau. Stolz hielt ich meinen Filius in den Armen. Ich getraute mir gar nicht so richtig ihn in eine andere Position zu heben, alles wirkte so zerbrechlich, klein und zart. Conny wirkte verändert, das war bestimmt der Geburtsstress. Nun begann das wahre Leben. Gleich nach der Armee, werde ich mich um eine Wohnung kümmern. Am besten gleich mit einer neuen Arbeit verbinden. Im nächsten Urlaub, so nahm ich es mir vor, werde ich mal schauen was es im alten Betrieb neues gab, vielleicht war man hinterher schlauer. Ich blieb bis Sonntag Abend bei meinen beiden Mäusen. Zu spät wollte ich nicht gehen damit sie ihre Ruhe hatten. Mit langem Gesicht fuhr ich zurück. Die nächsten Wochen stand ich immer noch Feuerwache, der Major versuchte mir auf die Nähte zu gehen. Er wollte mich für irgendwelche Drecksarbeiten haben. Ich sagte ihm, sie sind mir nicht Weisungsberechtigt. Der Major bekam einen Schreikrampf und kippte den Tisch in der Feuerwache um. Unser Essen flog durch die Stube. Wir sollten gefälligst in den Speisesaal zum Essen schrie er. Da wenigstens einer in der Wache sein musste schickte ich immer einen das Essen holen. Das kotzte Roos natürlich gewaltig an, das wir Sonderrechte hatten. Denn es war nicht geregelt wie wir damit umgehen mussten. Also legte ich es fest. Er tobte weiter, ich werde mich persönlich dafür einsetzten das sie noch eine zweite Aufgabe übernehmen. Doch bevor es soweit war, stand Nachtschießen auf dem Dienstplan. Der Unhold hatte an dem Tag OvD. Mir schwante schon etwas und es kam auch so. Als OvD ordnete er an die Feuerwache geht mit schießen. 22.00 Uhr rückten wir aus. Mir war es Wurst wo es hinging. Kempe meinte wir sind gerade durch Gräfentonna, aller Wahrscheinlichkeit fahren wir nach Kammerforst. Genauso kam es, da Roos OvD hatte leitete Lück das Schießen. Meine Schießergebnisse waren ausreichend, ich schoss eine drei. Früh gegen 7.00 Uhr waren wir zurück. Roos verordnete der Kompanie  zwei Stunden Schlaf. Er kam persönlich in die Feuerwache um uns zu wecken.
Tatsache er hatte es beim Batailloner durchgesetzt, als zweite Tätigkeit übertrug man mir die Arbeit des  TA – Schreibers, wobei TA für Technische Ausrüstung stand. Mein Vorgesetzter war Oberleutnant Nikolaus. Über diese Schiene hatte Roos wieder direkten Zugriff auf meine Person. Mir unterstand das Ersatzteillager. Ich musste die Kilometer und Spritabrechnungen der Fahrzeuge auflisten. Welcher Tanker in die einzelnen Truppenteile fuhr, um sie mit Sprit zu versorgen, oblag meinem Entscheidungsbereich. Aber das Beste war das Ersatzteillager, da konnte ich mich in aller Ruhe abducken. Schnell merkte ich hier kam man zu einem kleinen Nebenverdienst. Offiziere und vor allem Berufsunteroffiziere brauchten immer mal was Extra. Der Eine brauchte einen gekröpften Ringschlüssel den es wieder mal nicht zu kaufen gab, der Nächste Glühbirnen die wieder mal knapp waren. So kam ich auf die Idee eigentlich könnte man auch Sprit verkaufen. Wenn es sonst nichts gab aber Sprit gab es hier in Hülle und Fülle. Nicht im großen Stil, ein Kanister mit 20 Litern im Monat langte. Im Handumdrehen hatte man 20 Mark extra in der Tasche. Das besserte meinen Sold von 80 Mark schon ansehnlich auf. Als TA – Schreiber war ich auch für die Reservekanister an den Fahrzeugen verantwortlich. Ein Fahrzeug hatte je Typ und Art bis sechs Reservekanister. Die meisten davon waren an den Fahrzeugen so befestigt, das sie Wind und Wetter ausgesetzt waren. Diese mussten ständig überprüft und notfalls ausgetauscht werden. Was da ausgetauscht wurde lag in meinen Händen.
Eines Tages kam Patschen zu mir in den Keller. Erst schnüffelte er ein bisschen rum, wollte verschiedene Dinge erklärt haben und tat technisch. Dann kam er raus mit der Sprache, Müller morgen werden zwei Springer zu ihnen abkommandiert. Der Eine wird versetzt werden, kümmern sie sich um die. Sorgen sie dafür dass die ordentlich Arbeit bekommen. Sie wissen schon was ich meine, er grinste und schlich von dannen mit seinen Plattfüssen. Da hatte er unter Garantie Anweisungen von Roos bekommen. Das war die Welt von Patschen, anderen eins Auswischen aber selber schön in der Deckung bleiben. Stress machte ich beiden keinen warum auch, solange sie auf der Kompanie den E`s spurten gab es für mich keine Veranlassung. Einer von beiden hieß Johannes. Ich fragte ihn wie er zu den Namen kam. Seine Eltern wären streng christlich. Na ja, so streng wird es nicht sein ansonsten wärst du nicht hier. Für ihn wäre eine Welt zusammengebrochen, als sie ihn tauglich gemustert hatten, denn er leide heute noch an den Spätfolgen von Kinderlähmung und wäre Nachtblind. Die Nachtblindheit wäre auch in seiner Fahrerlaubnis vermerkt. Ich dachte so bei mir, dafür werden sie wohl den Sohn eines strammen Genossen ausgemustert haben. Das behielt ich mal lieber für mich.
Bevor Roos in den Urlaub ging ließ er noch unseren besten Freund in der Kaserne erscheinen, seinen persönlichen Friseur. Der war bei uns bald noch mehr verhasst wie der Major selber. Der schnitt die Ohren immer so richtig frei, ein geschorenes Schaf  hatte eine lange Mähne dagegen. Wir nannten das Uralradkästen schneiden. Der Friseur hieß Willi, er bekam den Namen Bombenwilli verpasst. Innerhalb von 3 Stunden schnitt er rund 40 Köpfe und wir mussten bei ihm immer mehr bezahlen wie bei der Frisöse die für das Bataillon zuständig  war. Der Major machte diesmal einen Fehler, er bestellte Bombenwilli an dem Tag in die Kaserne, als unsere Kompanie Wache schob. Als er vor dem Kasernentor erschien, stand gerade Thomas Kuchta am KDL auf Posten. Er kontrollierte Bombenwilli gründlich und siehe da er fand eine Flasche Wodka in seiner Tasche. Kuchta zog sie sofort ein. Bombenwilli protestierte und sagte zu Thomas, die ist für den Major gedacht. Das war natürlich ein innerer Parteitag für die drei Mann am KDL – Häuschen und im Nachhinein für uns. Genau aus dem Grund bleibt die Flasche hier, sagte Uffz. Remus zu Bombenwilli. Kaum war der Major im Urlaub, begann für uns der wahre Lenz.  Lück und Patschen verschwanden in ihrem Dienstzimmer und wir spielten Tischtennis. Eine Ruhe war auf der Kompanie, das hatte ich noch nicht erlebt. Hauptmann Wetzel war der stellvertretende Kompaniechef. Man sah es ihm förmlich an, er war einen Kopf größer geworden und auf der Kompanie machte jeder was er wollte. Für Freitag hatte er eine Fahrübung angesetzt, die Kompanie rückte aus. Ich verkrümelte mich in die Feuerwache, wir spielten Skat. Das war das beliebteste Spiel bei uns. Auf einmal ging die Türe auf, der GOvD kam herein. Müller, sofort zum OvD. Wir eilten ins Stabsgebäude, OvD war wieder Hauptmann Knoll. Der Hauptmann hielt sich nicht lange bei der Vorrede auf. Müller es hat einen Unfall mit einem Tanker gegeben, der steht auf dem Haarberg und brennt. Was für ein Tanker, wollte ich wissen, ein Diesel meinte Knoll. Ein Großteil der Feuerwehren von Erfurt ist schon ausgerückt. Wir fahren mit der Freiwache zum Unfallort und sperren das Gelände weiträumig ab. Sie schicken ihre drei Hanseln mit hinaus zur Unterstützung der Feuerwehr. Müller, sie bleiben hier und unterstützen mich, wenn es irgendwelche Probleme geben sollte. Ich rannte in die Feuerwache und machte meine Jungs mobil. Mit Hacke und Spaten bewaffnet machten sie sich davon. Während der Lkw von der Kaserne rollte ging ich auf unser Kompaniezimmer und schaute Richtung Haarberg. Tatsächlich, eine große schwarze Rauchwolke stand über dem Berg. Nach einer Stunde kam der UAZ  vom Batailloner rein und mit ihm kam Soldat Bengert. Der verschwand sofort auf die Stube. Ich war neugierig  was Bengert hier machte und ging hinterher. Er saß auf Klotzsches Bett und hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. Was ist los mit dir, was ist denn passiert, wollte ich wissen? Er schaute mich an, den Unfall habe ich verursacht, ich bin schuld und nur ich. Der Wetzel war nicht in der Lage die Kompanie zu führen wie der Roos. Immer wieder riss die Kolonne auseinander, da bin ich am Haarberg extra langsam gefahren, um einen Abstand zum Vordermann zu bekommen. Ich wollte  bergab einfach mal richtig gas geben. Als ich dann fast zum Vordermann wieder aufgeschlossen hatte, legte ich den Hebel für die Motorbremse um. Dabei habe ich das Lenkrad verrissen, der Hänger geriet ins schleudern, als ich gegen lenkte. Er rutschte in den Straßengraben und kippte um. Der Diesel ist ausgelaufen und hat sich entzündet. Bengert war fix und fertig, er erzählte mir alles bis ins kleinste Detail. Wie er den Hänger noch abkoppeln konnte, dass die Tankerfahrer vor ihm und hinter ihm aufgepasst hätten und die Straße gesperrt hatten. Immer wieder sagte er zu mir, ich komme nach Schwedt, er hatte eine panische Angst. Ich versuchte ihn zu beruhigen, nur langsam bekam er seinen Puls herunter. Nach weiteren zwei Stunden kam der Rest der Kompanie. Alle von unserem Zimmer schauten betreten rein, als sie Bengert wie ein Häufchen Unglück sitzen sahen.
Ein Tanker war bei den Fahrübungen immer mit zwei Fahrern besetzt. Soldat Kummer saß bei Bengert mit auf dem Bock. Er war ein ganz ruhiger und bedachtsamer Soldat. Seine Sicht auf das Geschehene bestätigte weitgehenst die Geschichte von Bengert. Er hatte auch den Tanker von Bengert in die Kaserne gefahren. Der Kfz – Zug holte den Hänger rein. Soldat Claus fuhr in unserer Kompanie den Kran, auch er musste mit raus. Der OvD sagte zu mir, Müller klären sie ab, dass zwei Gruppen von ihrer Kompanie bereitgestellt werden, um den verseuchten Boden abzutragen. Ich sauste zu Wetzel, der war völlig aufgelöst und sagte gehen sie zu Hauptmann Lück.  Lück ließ seinen Zug ausrücken. Hacke und Spaten wurden von den Tankern genommen. Jeder war mit einem Satz ausgerüstet.
Am nächsten Morgen musste Bengert in den Bataillonsstab. Den ganzen Vormittag blieb er verschwunden. Dann kam er wieder, er war richtig gut drauf.  Auf dem Zimmer erzählte er, die haben die wahre Ursache des Unfalls gefunden. Die Blattfeder des Hängers wäre gebrochen. Deshalb ist der Hänger umgekippt. Ich sagte zu ihm, da hast du aber Glück gehabt, das sie etwas gefunden haben, das freut mich für dich. Empört schaute er mich an, was willst du denn, nur das war die Ursache. Das klang gestern aber noch ganz anders, antwortete ich. Gestern stand ich unter Schock, da sagt man so manches. Ich beließ es dabei und freute mich wirklich für ihn. So langsam sickerte es durch. Die Tanker hätten die Fahrübung nur mit Wasser im Tank durchführen dürfen. Aus diesem Grund wurde wieder alles unter den Teppich gekehrt. Nur wo hätten wir den Treibstoff bunkern können?



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