Freitag, 19. August 2011

Bergfest

 Ich musste zu Oberleutnant Nikolaus ins Dienstzimmer. Die monatliche Abrechnung der Tanker stand an. Im Zimmer war noch der Lückenhafte als die Tür aufging. VW betrat das Zimmer. Sein linkes Ohr war in Mull verpackt. Er hatte schon abstehende Ohren die fast in rechten Winkel zum Kopf standen aber jetzt noch diese Verpackung. Er sah so etwas von schräg aus und fing gleich an zu lamentieren, sein Nachbar hätte ihm das Ohr eingerissen. Seine Frau wäre verschwunden gewesen und er hatte sie bei ihm gefunden. Sie hockt laufend beim Nachbarn rum. Als er sie aufgefordert hat mit nach Hause zu kommen, hätte ihn der Nachbar am Ohr gepackt und rausgeschmissen. Ich schaute zu Nikolaus der verkniff sich das Lachen. Lück sagte und das hast du dir gefallen lassen. Den habe ich bei der Polizei angezeigt. Lück hakte nach, da hast du das auch erzählt, VW nickte. Nikolaus schaut zu mir und tippte mit dem Zeigefinger an die Stirne. VW redete sich in Rasche, das er die Schnauze voll hätte von der Frau mit ihren drei Kindern. Ich sagte das sind doch auch ihre Kinder. Nö meinte er, die hat sie mitgebracht. Neulich hätte er eine der Töchter gesucht, weil sie ausgebüchst war. Gegen Mitternacht wäre sie in ihrer Stammkneipe dann aufgetaucht, rauchend. Wie alt ist den die Tochter fragte ich? 12 sagte VW. Ich war ehrlich erschüttert, mein Gott Walter das sind ja asoziale Verhältnisse, dachte ich so für mich. Das ist nun dein Politoffizier. Genau genommen passte er in die Truppe. Soldaten mit jeder Menge Westverwandtschaft, die als politisch unzuverlässlich galten, Unteroffizier und Offiziere die strafversetzt wurden und ein Politoffizier aus asozialen Verhältnissen. Mit so einer Truppe konnte man die Welt erobern.
Kurze Zeit später stand ich wieder Feuerwache. Tagsüber beschäftigte ich mich im Ersatzteillager. Es war Samstag, Patschen wollte mich kontrollieren. Er kam in Begleitung von einer jungen Frau. Das ist meine Freundin aus Görlitz, sagte er. Sie war klein und zierlich und hatte ein hübsches Gesicht. Patschen schwafelte ein Haufen dummes Zeug. Auf einmal rief er Soldat Müller, stillgestanden, ich belobige sie mit einem Sonderausgang. Ich riss meine Hacken zusammen und rief „Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik“. Patschen war mit dem Theaterstück zufrieden und ich dachte so ein Trottel hat so eine hübsche Frau. Am Sonntag ging ich in den Ausgang, eigentlich hatte ich keine Lust alleine zu gehen. Aus dem Grund  ging ich nicht allzu weit. Das Hotel am Bahnhof war zwar nicht das Billigste aber es hatte schon geöffnet. Also trabte ich dorthin. Fähnrich Gebauer, unser Gaser, saß da in Zivil, ich grüßte ihn, er nickte zurück. Ich merkte ihm an es war ihn unangenehm, dass ich ebenfalls da einkehrte. Seine linkische Art, verstärkte sich, ich glaube er war Menschenscheu. Mein Geld konnte ich auch woanders ausgeben. So trank ich nur ein kleines Bier und verschwand. Ich bummelte durch Erfurt, die Altstadt war schön und das Wetter passte. Ich setzte mich auf eine Bank und döste vor mich hin. Wie lange ich gesessen hatte weis ich nicht, auf einmal klopfte mir jemand auf die Schuler und lachte. Es war Chaleri. Was machst du denn hier, fragte er mich? Na warten auf dich, was sollte ich sonst sagen. Chaleri war schon nicht mehr ganz alleine, er war auf Kneiptour. Ich schloss mich ihm an. Letztendlich landeten wir in einer Kneipe am Anger. Chaleri war ordentlich abgefüllt und machte ein Bäuerchen unter den Tisch. Schnell bezahlte ich unsere Rechnung am Tresen, um jeglichen Ärger zu vermeiden. Während ich  bezahlte stürtzte Chaleri schon Richtung Ausgang, ich sah zu das ich hinterher kam. Kaum waren wir an der frischen Luft bekam Chaleri einen Schwinderling und marschierte Richtung  Straßenbahngleis. Die sich nähernde Straßenbahn leitete eine Notbremsung ein und bimmelte wie verrückt. Chaleri bekam von alldem nichts mehr mit, er torkelte auf das Gleis. Ich machte die Augen  zu. Wie durch ein Wunder bekam er erneut einen Schwinderling und stürzte runter vom Gleis. Es waren Millimeter die ihm  am Leben ließen. Ich schleifte ihn in die Kaserne. Im Gegensatz zu Chaleri konnte ich länger im Bett bleiben. Ich wachte so gegen Acht von Lärm unterm Fenster der Feuerwache auf. Ich schaute hinaus, es war Roos der seinen Morgenappell vor der Kaserne abhielt. Mein Anblick muss amüsant gewesen sein, denn er trug zur allgemeinen Erheiterung bei. Roos brüllte, Müller ich werde dafür sorgen, das sie das letzte Mal Feuerwache gestanden haben, sie verlumpern mir dort total. Zwei Tage später wurde ich abgelöst und stand Tatsache nie mehr Feuerwache. Auch meines Postens als TA – Schreiber wurde ich enthoben. Jeder konnte sich denken, dass ich Tschofen mit Werkzeug „ausgestattet“ hatte, nur wollte mir das niemand nachweisen. Man hatte Angst dass da noch mehr raus kam. Denn schließlich hatten auch Offiziere bei mir „eingekauft“. Nur Patschen  versuchte Tschofen noch ein paar Mal auszuhorchen, wo er das Zeug her hatte aber der schwieg wie ein Grab.
Das Bergfest  stand an. Im Vorfeld wurde schon mal eifrig Bier gebunkert und in der Wäschekammer verstaut. Chef der Wäschekammer war Gefreiter Graichen. Genau genommen hatte er als dreijähriger sein Bergfest schon lange hinter sich aber er ging ja mit uns nach Hause. Da wollte er kräftig mitfeiern und stellte uns die Wäschekammer zur Verfügung. Sonst hatte er sich immer eng mit seiner Kammer. Wöchentlich war einmal Wäschetausch, wollte man extra tauschen blockte er es immer ab. Sie hatten ihm einen Springer unterstellt, der fing auch schon an Höhe zu bekommen. Meiße holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Beim extra säubern der Toilette konnte er sich überlegen wie er mit uns umsprang. Das wir die Kammer nutzen durften war gar nicht so schlecht, denn da vermutete uns und das Bier niemand. Wir hatten jetzt über 270 Tage gedient. Bengert war da wie die Feuerwehr. Er rechnete es auf den Tag aus. Die Monate waren ja unterschiedlich lang. Ich sagte zu ihm, man kann es auch übertreiben, wir kommen deswegen keinen Tag eher nach Hause. Als Hans Dampf war er nun mal so. Zur Feier des Tages malten wir auf unsere Kragenbinde EK 81 I, das Entlassungsdatum,  und setzten sie uns wie eine Krone auf. Das Maßband durften wir Probetragen. Die Feier endete für mich tödlich. Wie ich ins Bett gekommen bin entzog sich meiner Kenntnis. Am nächsten Morgen musste ich meine Bettwäsche vom Vollgekotzten reinigen. Da war ich nicht der Einzige.
Im August stand die nächste Fahrübung an. Es ging in den Thüringer Wald. Wir fuhren die Autobahn bis Waltershausen. Hier verließen wir die Autobahn und weiter ging es nach Tabarz. Eigentlich ein Ort zum Urlaub machen und nicht zum Kriegspielen. Eine Forststraße hinauf fuhren wir zum kleinen Inselsberg. Hier hielten wir mit unseren Tankern, abtarnen brauchten wir sie nicht. Ich wurde zur Feldwache eingeteilt, während die anderen zur Ausbildung im Gelände heran gezogen wurden. Unsere Fahrzeuge standen in einem Hohlweg. Ich bezog oberhalb des Weges meinen Posten in einer kleinen Fichtenschonung. Es kamen Wanderer des Weges, sie unterhielten sich laut. Schau mal sprach der Eine, alles Tanker und nicht bewacht. Er wollte den Tanker vom langen Müller öffnen, der stand direkt unter mir. Er griff zur Klinke. Finger weck rief ich. Der junge Mann erschrak gewaltig. Als er sich vom Schreck erholt hatte, sprach er, sie habe ich gar nicht gesehen. Das ist nun mal der Sinn der Tarnkleidung, antwortete ich. Die Einstrich – Keinstrich Uniform war wirklich nicht die Schlechteste. Als unsere Kompanie wiederkam war abgammeln bis zum Abend angesagt. Wir fasten unser Abendbrot aus. Ich haute mich in den Tanker zum Schlafen. Irgendwann wummerte es gegen die Fahrertür. Erschrocken fuhr ich hoch, es war Uffz. Ammling. Draußen war es schon Finster. Müller die sind schon alle Weg vor dir, du hat es verpennt, du musst jetzt die Kolonne anführen. Ich sagte zu ihm los steig ein. Wieso mich keiner geweckt hat, wollte ich von ihm wissen.  Ammling meinte das war ganz komisch, keiner wusste etwas, es kam auch kein Befehl. Irgendwann ist mir aufgefallen das die Fahrzeuge vor dir verschwunden waren.  Ich konnte es mir nur so erklären, der Befehl muss irgendwo stecken geblieben sein. Bestimmt hatte der Luderer es wieder verhauen. Endlich hatten wir es geschafft die Abfahrt vom Inselsberg. Wir kamen an eine Kreuzung. Hier stand jemand, es war der Kradmelder von der zweiten Kompanie, der winkte in welche Richtung ich sollte. Ich kam zu einer kleinen Brücke, sie mündete zur Landstraße. Hauptmann Knoll stand auf ihr, ich hielt an und fragte ihn in welche Richtung die dritte Kompanie gefahren ist. Er meinte an der Landstraße links abbiegen. Hauptmann Knoll war der neue Kompaniechef von der Zweiten, nach dem Major Lemke in Pension gegangen war. Er fragte mich ob ich seine Kompanie gesehen hätte. Ich verneinte, nur den Kradmelder. Der Hauptmann fing an zu lachen. Was es da zu lachen gibt wollte ich wissen? Du stehst auf einer Brücke die für 5 Tonnen zugelassen ist. Na da gehen sie mal runter, sagte ich und gab Gas. An der Gabelung stand noch 5km bis Brotterode. Ich fuhr los, mir kam ein Kradmelder entgegen. Es war Theo von unserer Kompanie, ich hielt an. Da seit ihr ja schon, in Brotterode  fährst du Richtung Trusetal. Dort schließt du zur Kompanie auf, ich fahre weiter und schau mal ob die alle an dir dran geblieben sind. Halb Brotterode war auf den Beinen, sie standen staunend am Straßenrand, was da wohl so kurz nach Mitternacht abging.  Hinter der Ortschaft stand die Kompanie. Roos sagte kein Ton, wer weis was da passiert war. Wir fuhren in den Bezugsraum.  Am nächsten Morgen war wieder Vollschutz angesagt. Den ganzen Vormittag fuhren wir unter Vollschutz. Über Friedrichroda, Ohrdruf ging es nach Crawinkel. Hier konnten wir unseren Jumbo ausziehen. Uffz. Beetz stand zufälliger Weise neben mir und sagte hier bin ich zu Hause. Da hatte er es ja wirklich nicht weit bis Erfurt. Am Abend erreichten wir die Kaserne.

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