Montag, 1. August 2011

Das zweite Diensthalbjahr

Die alten E`s waren am Vormittag entlassen worden. Am Nachmittag teilte mir Oberleutnant Nikolaus mit das am 29.04. ich zu einem Feuerwehrlehrgang abkommandiert werde, mit weiteren zwei Soldaten von der ersten und zweiten Kompanie. Ich ging zu Graichen und holte mir einen Seesack  und leerte meinen Spind. Die benötigten Sachen für den Lehrgang packte ich  in meine Reisetasche, den Rest in den Seesack.  Anschließend ließ ich ihn in der Kleiderkammer einschließen. Abends brachte die Militärpolizei Gefreiten Petrasch zurück in die Kaserne. Schwer alkoholisiert hatten sie ihm im Bahnhof aufgegriffen, der letzte Zug war weck und er irrte orientierungslos durch den Bahnhof. Der OvD steckte ihn in den Bunker. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück kam Unterfeldwebel  Braun zu mir und sagte Müller in einer halben Stunde geht es los, wir fahren nach Bärenstein im Westerzgebirge dort findet die Schulung statt. Auf dem Weg nehmen wir Petrasch bis Karl – Marx – Stadt mit. Von dort kommt er schneller nach Dresden. Wir saßen schon auf  der Pritsche als Unterfeld Braun mit Petrasch kam. Petrasch nahm bei uns Platz der Unterfeld im Fahrerhaus. Auf der Fahrt  nach  Karl – Marx – Stadt erzählte mir Petrasch dass er Fahrer bei der Müllabfuhr ist. Er wollte erst einmal eine Woche zu Hause bleiben und sich um seine Lebensgefährtin kümmern. Sie hatten ein gemeinsames Kind, das war während seiner Dienstzeit zur Welt gekommen. Da hatten wir ja ein gemeinsames Thema, denn Ende Mai sollte ich Papa werden. Die Zeit verging schnell bis Karl – Marx - Stadt, an der Autobahnabfahrt stieg Petrasch aus. Wir fuhren weiter. Am Nachmittag kamen wir in Bärenstein an. Hier oben war das Klima rauer wie in Erfurt. Das Objekt war ein ganz Ruhiges. Es erinnerte an ein modernes Mehrzweckgebäude und weniger an eine Kaserne, wenn da nicht vereinzelt ein paar Soldaten rum standen. Der Unterfeldwebel unterstellte uns  der Befehlsgewalt des Feuerwehroffiziers. Er stellte sich vor, Kamerad  Krüger. Im Gegensatz zur Armee redeten sich sie Feuerwehrleute mit Kamerad an. Er zeigte uns die Zimmer. Mir blieb die Spucke weck, ich hatte ein 10 Mann Zimmer mit Spinden erwartet. Er führte uns drei Soldaten in ein Vierbettzimmer mit schönen Schränken. Der Unterfeld meinte, da habt ihr ja ein Riesenglück so etwas Feines habe nicht mal ich. Dann machte er wieder los Richtung Erfurt unser Aufpasser. Bis zum Abendbrot hatten wir noch Freizeit und schauten uns im Objekt um. Es war fast noch alles nagelneu. Frank von der zweiten Kompanie schaute auf meine Schulterstücke und sagte, Mensch Müller wann knickst du endlich die Dinger du bist jetzt Vize. Genau genommen machte man das erst nach der Hälfte der Dienstzeit. Aber er hatte recht, man musste nicht päpstlicher wie der Papst sein. Na dann mach mal los, das ließ er sich nicht zweimal sagen. Im nu hatte er sie schön mittig und akkurat der Quere geknickt. Wir liefen hinaus in das Gelände. Die hier stadionierten Soldaten setzten einen Zaun. Am Eingang stand ein Soldat, wie so ein Wachposten nur ohne Waffe. Wir liefen zu ihm hin und kamen ins Gespräch. Ich schaute auf seine Schulterstücke um ihn einer Waffengattung zu ordnen zu können. Mir klappte der Kiefer nach unten. Er war ein Spatensoldat, ein Waffenverweigerer. Der Spaten leuchtete auf den Schulterstücken. Ich fragte ihn ganz direkt, du hast wohl die Waffe verweigert? Nein meinte er, die Soldaten die du hier arbeiten siehst sind alle Spatensoldaten, davon sind ungefähr ein knappes Drittel direkt zu der Truppe gezogen wurden, ohne die Waffe zu verweigern. Die haben halt welche gebraucht. Spatensoldaten verfügten bei den Soldaten über einen Sonderstatus, es gab ja auch nur ganz wenige. Traf man Einen in der Kneipe, verlangte der inoffizielle Ehrenkodex, das man seine Rechnung übernahm.
Am nächsten Morgen begann der Unterricht 09.00 Uhr. Es war für uns wie in den Ferien. Im Ganzen waren wir 20 Soldaten aus dem Süden der Republik die an der Schulung teilnahmen, von den unterschiedlichsten Waffengattungen. Zwei von ihnen waren Mucker aus Marienberg. Marienberg durfte man getrost zu den 3 berüchtigtsten Kasernen in der Republik zählen. Wer da dienen musste, konnte einem Leid tun. Dort wurde man geschliffen bis die Eier glänzten. Dementsprechend schräg waren die beiden Typen auch drauf. Laufend blödelten sie rum und störten den Unterricht. Feuerwehroffizier Krüger war nachsichtig. In der DDR wusste jeder was Marienberg hieß. Er bat sie mehrmals den Unterricht nicht zu stören und sie sollten daran denken, was ihnen blühen würde, wenn er sie zurück schickte. Der Unterricht selber gliederte sich in zwei Tage Theorie und zwei Tage Praxis. Eigentlich drehte sich die Ausbildung im Großen und Ganzen um die Tragkraftspritze TS 8. Das war wohl, entnahm ich seinen Worten, das gängigste Model in der DDR – Feuerwehr. Der richtige Einsatz der Spritze und des Wassers wären das Entscheidente. Bei unsachgemäßen Löscharbeiten wäre der Wasserschaden größer wie der Brandschaden. Darüber hatte ich mir im Leben nicht, bis jetzt Gedanken gemacht. Wozu auch, es gab ja die Feuerwehr die für so etwas zustängig war. Und nun sollte ich so etwas wie ein Aushilfsfeuerwehrmann bei der Armee werden.  Der Unterricht interessierte mich, Krüger gestaltete den Unterricht recht offen. Er versuchte alle einzubeziehen, auch die beiden Störenfriede. Uns war es schon am letzten Abend aufgefallen, wir waren uns aber nicht sicher und doch war es so, das Objekt wurde nach 18.00 Uhr nicht bewacht. Wir konnten hingehen wo wir wollten, es interessierte keinen. Nach dem Abendbrot zogen wir los um das völlig neue Gefühl der Freiheit zu genießen. Genießen hieß für den Soldaten, die nächste Kneipe ist mein. Wir schauten uns in dem kleinen Ort um und fanden auch drei Kneipen. In einer war Tanz, da wollten wir nicht hin. Wir entschieden uns für eine Kleine in einer ruhigen Nebenstraße. Wir hatten Glück, sechs Plätze für uns waren noch frei. Bis 22.00 Uhr blieben wir, dann war Ausschankschluss.
Normalweise wäre am 1. Mai für Krüger Feiertag . Da aber die Feuerwehr rund um die Uhr Dienst hatte, war dass null und nichtig. Bevor der Unterricht anfing, richtete  Krüger ein paar Worte an uns. In der letzten Nacht war es in der Tanzbar zu einer Schlägerei gekommen. Zwei Soldaten aus dem Objekt hätten in der Gaststätte randaliert. Aus diesem Grund besteht für alle Ausgangsverbot und Nachts würden vor das Objekt Wachen gestellt. Wer randaliert hatte war klar, wütend sagte ich zu den beiden Taumelheinis, ihr seit so etwas von bescheuert, euch müsste man an die Wand stellen. Sie motzten zurück, ein Arttilerist stand auf  und ging auf Mr. Großfresse zu und zog ihn aus seinem Stuhl nach oben. Krüger ging dazwischen, der Unterricht begann. Immer wieder störten die beiden Blödmänner den Unterricht. Krüger unterbrach den Unterricht, nahm beide Beiseite. Er stellte ihnen frei am Unterricht teil zu nehmen oder nach Marienberg zurück zu fahren. Einer von Beiden blieb. Am Abend suchten wir eine Möglichkeit das Objekt zu verlassen. Die Wache war wirklich aufgezogen. Zum Ausgang konnten wir nicht raus. Wir mussten ein Weg finden nicht nur raus sondern auch rein zu kommen. Zum Fenster raus springen ging nicht, da war es zu hoch, denn der Keller bildete faktisch  das Erdgeschoss. Wir versuchten es im Keller und wirklich eine Keller auf der Rückseite war offen. Wir zwängten uns zum Kellerfenster hinaus. Von hier aus war es kein Problem aus dem Gelände zu kommen, denn der Zaun war noch nicht geschlossen. Es war überhaupt erstaunlich dass für die Arbeiten Spatensoldaten eingesetzt wurden. Eigentlich waren die für Schanzarbeiten zuständig. Die nächste Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten. Zwei von den drei Gaststätten hatten heute und morgen Ruhetag und die Offene war bis zum letzten Platz gefüllt. Wir zogen von dannen in der Hoffnung noch eine andere Gaststätte zu finden. Auf einer kleinen Anhöhe standen ein paar Häuser, die sahen wie Betriebsferienheime aus. Wir liefen hinauf und tatsächlich in einer Hälfte von so einem Haus brannte Licht, ein halbes dutzend Männer saßen beim Bier. Wir gingen hinein, der Wirt rief hier ist keine öffentliche Gaststätte, hier könnt ihr nicht rein. Gerade wollten wir gehen, da stand einer der Männer auf und redete mit dem Wirt. Darauf hin führte er uns in einen Nebenraum der von Außen nicht einsehbar war und sagte Jungs eine Stunde. Wir nickten dankbar. Nach einer gefühlten halben Stunde erschien der Mann der mit dem Wirt geredet hatte und sprach uns an. Sein Junge müsste morgen zur Armee, ob es da wirklich so schlimm wäre wie erzählt wurde. Wie er das meint wollte ich wissen. Na mit der EK Bewegung und so. Frank von der zweiten Kompanie meinte, wir haben das erste halbe Jahr hinter uns und die EK Bewegung hat uns gewaltigen Druck gemacht, überlebt haben  es alle.  Unbedingt schön war es nicht aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Ich ergänzte, eine Schule fürs Leben ist die Armee alle mal, man lernt mit Dumm und Hohlköpfen auszukommen. Der Mann lachte und sagte da bin ich ja beruhigt. Der Wirt kam abkassieren. Der freundliche Herr meinte, Manne das übernehme ich. Wir strahlten und bedankten uns recht schön. Eine halbe Stunde später lagen wir in unseren Betten. Am nächsten Tag war die Praxis angesagt. Unterhalb einer Eisenbahnbrücke begann die Ausbildung an der Spritze. Krüger hatte eine TS 8 und verschiedene Löschschläuche anfahren lassen. Aus einem Gewässer sog die Spritze das Wasser an und wir schwutzten das Wasser gegen die Brücke. Auf einmal kamen Eisenbahner und  Soldaten auf die Brücke. Ich staunte, was sind denn das für welche und was haben die für komische Uniformen an. Krüger sagte das sind Tschechen, hier ist die Grenze. Die andere Seite des Tales liegt auf tschechischen Boden. Ich dachte, das ist auch ganz schön gewagt in unmittelbarer Grenznähe so eine Übung abzuhalten. Laut sagte ich, sollen wir die Mal von der Brücke pusten? Alles lachte, nur Krüger nicht. Das Arbeiten mit dem C – Rohr ging ja noch aber das B – Rohr konnte einer alleine nicht halten. Das Anwerfen der Pumpe erforderte schon einen gewissen Kraftaufwand und etwas Geschick. Wenn man Pech hatte und das hatte man, wenn man wenig Geschick entwickelte, soff der Motor der Pumpe beim Anlassen ab. Mich beschlich so das Gefühl in der Zeit für die Schadensbehebung ist das zu löschende Objekt längst abgebrannt. Aber wir übten  zwei Tage und der Umgang mit der Pumpe viel uns immer leichter. Feuerwehroffizier Krüger  war zufrieden mit unseren Leistungen. Samstag am Mittag war Feierabend. Während wir alles zusammenpackten erledigte Krüger noch den Papierkram.  Kurz vorm Abend waren wir wieder in der Kaserne in Erfurt.

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