Dienstag, 25. Oktober 2011

Das letzte viertel Jahr

Der Februar hatte begonnen, noch drei Monate Asche. Dann war es geschafft. Es kamen am Monatsanfang noch einmal ein Schwung Resioffiziere. Diesmal waren Kfz – Ingenieure dabei die Ahnung hatten von der Technik und zwei von denen hatten auch Lust etwas zu bewegen. Einer von ihnen wurde Patschen zugeteilt und war ebenfalls ein Oberleutnant. Ich hatte einen ganz guten Draht zu ihm. Nachdem er sich mit der Fahrzeugtechnik vertraut gemacht hatte, sagte er zu mir, Mensch Müller, wenn ich euch mal draußen rum fahren sehe, mache ich einen großen Bogen um euere Fahrzeuge. Na so schlimm sieht es doch gar nicht aus, meinte ich zu ihm. Sie müssen das Mal von einer anderen Seite betrachten. Von unserem Diensthalbjahr hat nicht einer mit der Kfz – Technik im zivilen  Leben zu schaffen und mich zum Beispiel interessieren diese Fahrzeuge überhaupt nicht. Wir sind auch nicht freiwillig hier, genauso wenig wie sie. Was soll da schon weiter werden. Solange der Ami  noch keine Kaugummis vor der Kaserne verkauft und wir noch in der Kaserne sind, weil die Fahrzeuge nicht vom Hof rollen, ist das in Ordnung. Er musste lachen.
Das es vielen Berufsoffizieren der höheren Chargen nicht zum lachen war merkten wir immer deutlicher. Die Ungewissheit was mit Polen wird war groß. Es wurden wieder normale Resis gezogen. Wir sahen die Truppe um den Gefreiten Budig wieder. Das hatten sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht vorgestellt, wieder bei der Armee zu landen. Diesmal wurden sie nicht aufgeteilt und lagen in separaten Zimmern. Man hatte sie von zu Hause direkt vorm Fernseher weg geholt. Sie waren alle stinke sauer. Ich konnte sie verstehen. Vor allem gammelten sie nur rum, keiner konnte mit ihnen etwas anfangen. Sie erhielten die neuen Watte Kombis. Die waren im Ein Strich - Kein Strich Look gehalten. Ich hatte schon von den neuen Winterkombis gehört, jetzt sah ich sie das erste Mal.  Nach 14 Tagen wurden die Resis wieder entlassen. Lachend sagte ich zu Budig, vielleicht sehen wir uns hier noch einmal wieder. Er zeigte mir einen Vogel. Mein letzter Urlaub stand auch noch an. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust nach Hause zu fahren, denn mir graute schon vor dem Rückweg. Mit der Zeit drückte die Trennung gewaltig auf das Gemüt, zumindest bei mir. Dass ich da mal so empfindlich wurde hätte ich nicht gedacht. Ich sagte mir immer wieder, es ist das letzte Mal. Dann sieht dich dieser Scheißverein nie wieder. Während des Urlaubes ließ ich mich auf Arbeit sehen. Man sagte mir, dass ich in Dohna anfangen werde. Die neue Drehbank würde schon auf mich warten. Conny ging es immer besser, sie war richtig gut drauf. Thomas war auch nicht mehr ganz so stressig, er entwickelte sich recht ordentlich. Auch bei Roland gab es Neues zu vermelden. Da sie ihn weiterhin noch nicht für die Armee vorgesehen hatten, wechselte er seine Arbeitsstelle. Bei Taxi auf der Tharandter Straße hatte er als Brigadier in der Kfz – Werkstatt angefangen. Er meinte es wird Zeit das du wieder nach Hause kommst, es steht einiges an. Roland freute sich schon auf den Männertag. Im letzten Jahr waren sie mit dem Dampfer elbaufwärts bis Rathen gefahren und hatten gewaltig einen drauf gemacht. Den Schaufelraddampfer hatten sie aufgeschaukelt, in dem die rund 200 Männer an Bord von einer Seite auf die Andere gerannt waren und immer wieder von vorne.  Der Kapitän hatte getobt, wenn nicht sofort Schluss ist damit, legt er an der nächsten Anlegestelle an und dann ist endgültig Feierabend. Dieses Jahr wollten sie auf das Grundstück von Manne wandern und dann feiern. Manne hatte sich mit einem Kumpel aus seiner Klicke ein Grundstück in Ottendorf am Rande der Sächsischen Schweiz gekauft. Er Kumpel hieß Ralf.  Da dieses Grundstück der Kirche gehörte ging das nur über einen Erbpachtvertrag. Das Haus war schon viele hundert Jahre alt. Beide hatten sich vorgenommen dieses Haus wieder originalgetreu herzurichten. Ralf war von Beruf Restaurator, Manne war Bauingenieur. Da war beides zusammen, Kompetenz und Beziehung. Eine gute Voraussetzung dass es gelingen könnte. Aber bis dahin war es noch ein Stückchen. Ich musste erst einmal wieder nach Erfurt. Mit langer Nase und Arno ging es zurück. Im Bataillon war man auf den Dreh gekommen den Spritverbrauch zu optimieren. Sollten sie nur machen, mir war es Wurst. Die Kfz – Ingenieure brachten das notwendige Wissen mit. Zuerst überprüfte man die Sattelschlepper. Selber konnte man gar nicht allzu viel helfen, da wir zwischenrein immer wieder Wache schoben. Eines Tages standen die Tankerfahrer vom dritten Diensthalbjahr wieder Wache. Mich hatten sie diesmal verschont, Roos persönlich hatte befohlen ich sollte angerostete Dieselleitungen an den Tankern wechseln. Bestimmt musste ich dies machen, weil die Leitungen an meinem Tanker am schlimmsten aussahen. Es war Samstag und hatte gerade meine Arbeit beendet. Da ich der Letzte von uns im Fahrzeugpark war ging ich zum UvD, um Bescheid zu geben, dass der Fahrzeugpark wieder verschlossen werden kann, als gerade der OvD des Weges kam. Er war aufgeregt und sagte zum UvD, dem Hauptmann Pemsel seine Ex - Frau hat gerade angerufen. Der hat im Suff die ganze Wohnungseinrichtung kurz und klein geschlagen und ist jetzt auf dem Weg in die Kaserne. Ich lasse ihn sofort festsetzen und dann wird er im Dienstzimmer von Major Roos arretiert. Ein Posten wird davorgestellt. Sollte er versuchen auszubrechen ist sofort ohne Warnung zu schießen. Sind sie sich da sicher fragte der UvD, der OvD nickte. Es war schon verrückt. Sie stellten als ersten Posten Meise davor. Er meinte hoffentlich macht Pemsel keine Scheiße, ich habe wahrlich keine Lust auf den zu schießen. Wer hat das schon meinte ich, außer vielleicht, ich sprach es nicht aus und grinste. Meise guckte mich an, er hatte es verstanden. Pemsel holten die Kettenhunde des Nachts ab. Was mit ihm geworden ist, keiner hat etwas erfahren.
Roos hatte mal wieder Nachtschießen angesetzt. Am späten Abend 22.00 Uhr sollte es losgehen. Schon zum Morgenappell tönte er, wenn die E`s denken Fahrkarten schießen zu müssen, bleiben die solange draußen, bis ein vertretbares Ergebnis vorliegt. Die Temperaturen am Tag waren um die 5 Grad Celsius, es war Nasskalt und Tauwetter hatte eingesetzt. Roos hatte aus meiner Sicht Glück mit dem Wetter, da hatte keiner Lust länger als notwendig auf dem Schießplatz zu bleiben. Denn traditionell wurde das letzte Schießen zum Fahrkartenschießen genutzt. Zum Leidwesen der Offiziere. Als wir auf die Lkws stiegen fing es an zu regnen. Um auf den Schießplatz zu kommen musste ein Bach gequert werden. Das Schmelzwasser hatte ihn gewaltig ansteigen lassen. Roos teilte zwei Wachposten an kritischen Punkten ein. Wenn sie den Posten bezogen hatten und keine Gefahr in Verzug war, sollten sie eine Leuchtrakete grün steigen lassen, bei Gefahr rot. Der lange Müller und Soldat Rose zogen los. Rose war Vize und unser neuer Kradmelder. Nach einer halben Stunde schoss Rose die Grüne Leuchtrakete ab und Müller die Rote. Zapfenludi  musste nachschauen was beim Langen los war. Nach einer Dreiviertelstunde war er zurück. Der Lange hatte die Raketen verwechselt. Peinlich für einen Ek. Als ich mit schießen dran war schnappte ich mir die Kaschi vom Springschilling. Diesmal motzte er nicht mehr rum. Gleich mit der ersten Salve traf ich die Zielbeleuchtung. Die Leuchtlampe musste gewechselt werden. Das dauerte wieder eine knappe halbe Stunde. Das passierte drei Mal bei diesem Schießen. Meise und Mario schossen Fahrkarten. Besonders bei Mario war Roos sauer, denn er hatte eine Affenschaukel. Früh gegen 5.00 Uhr war das Schiessen beendet. Die Kaserne erreichten wir in etwa 7.00 Uhr und schlafen durften wir bis 11.00 Uhr. Im Anschluss war Waffenreinigen angesagt. Resioffizier Oberleutnant Herde, Patschens Stellvertreter, beaufsichtigte das Putzen. Lustlos schob ich den Laufreiniger dreimal durch den Lauf, schaute durch, alles sauber. Wo sollte der Dreck denn auch herkommen. Ich hatte ja mit Springschillings Kaschi geschossen und verkrümelte mich aufs Zimmer. Ein gründliches Waffenputzen dauerte wenigstens eine Stunde. Als es ans kontrollieren ging war ich bei den Ersten. Der Oberleutnant schaute in den Lauf, danach mich an. Müller willst du mich verarschen? Nö meinte, ich warum? Er hielt mir den Lauf unter die Nase, ich schaute durch. Ein erstauntes Och, entschlüpfte meinen Mund. Ein großer Dreckklumpen lag im Lauf. Ich fragte mich ernsthaft wo der herkam. Das konnte ja normalerweise nicht sein. Aber was war bei der Asche schon normal? Ich nuschelte eine Entschuldigung und sah zu dass der Klumpen aus dem Lauf verschwand.
Am 7. März war wieder Tag der NVA. Genau wie das letzte Mal mussten die Fahrzeuge wieder auf Vordermann gebracht werden. Patschen delegierte die Sache an Herde weiter.
Ich stand wieder Wache, diesmal mit Soldat Rose auf Posten eins.
Mario hatte insgeheim gehofft doch noch zum Gefreiten befördert zu werden. Er wurde enttäuscht. Ich lachte ihn aus.




Mittwoch, 19. Oktober 2011

Armeetrott

 Alles lief in tief eingeschnittenen Bahnen ab. Vieles hatten wir schon in den ersten beiden Diensthalbjahren kennen gelernt, vieles war Wiederholung und wurde zur Routine. Da kamen Abwechslungen gerade Recht. Es kündigte sich der Besuch eines Generals aus Berlin an. Er soll mal Kommandeur der 4. Motschützendivision  gewesen sein, der Vorgänger vom jetzigen Chef Oberst Gleau. Sein Name war Seefeld. Den Namen hatte ich noch nie gehört und würde ihn bestimmt schnell wieder vergessen. Aber der Batailloner kannte ihn gut, er war ja unter ihm zum stellvertretenden Divisionskommandeur berufen wurden. Bestimmt erhoffte er sich seine Wiederbeförderung von ihm. Bekanntlicher Weise stirbt die Hoffnung zuletzt. Auf was für Ideen die da kamen, um das Bataillon von der besten Seite zu repräsentieren. Es wurde allen Ernstes erwogen den Rasen grün zu spritzen, wo er nicht mehr so dicht wuchs. Gott sei Dank setzten sich die vernünftigeren Offiziere durch und der Unsinn unterblieb. Aber der Bordstein wurde weiß gestrichen. Das sah sogar richtig schick aus. Wir empfingen den General mit einem Bataillonsappell. Ich sah das erste Mal in meinem Leben einen General live. Ich fand die Generalsuniform albern. Sie war mehr grünlicher wie die anderen Uniformen und an der Seite mit dicken roten Streifen verziert. Ich musste an einem Papagei denken, wie er da so anstolziert kam. Er richtete ein paar Worte an uns um dann mit Zirl im Stabsgebäude zu verschwinden und er wurde nie mehr gesehen.
Kurz nach dem Besuch des Generals hielt die erste Kompanie eine Übung ab. Die erste Kompanie des Major Schmalz war ja so etwas wie die Stabskompanie. Ihre Technik diente in erster Linie den Stabsoffizieren im Einsatz oder es waren Spezialfahrzeuge für besondere Einsätze. Zirl entschloss sich kurzfristig die Kompanie während der Übung zu besuchen. Er machte sich am späten Nachmittag auf zur Stippvisite. Was er da zu sehen bekam zog ihm die Schuhe aus. Zwei drittel der Kompanie lag besoffen in den Zelten und Fahrzeugen rum. Feldwache war Fehlanzeige. Der Oberstleutnant tobte, er rief nach Beendigung der Übung einen Bataillonsappell ein. Es hagelte an Degradierungen und Strafversetzungen. Das fing bei den Gefreiten an und endete bei den Offizieren. Am schlimmsten erwischte es die Unteroffiziersränge. Wenn Offizier und Unteroffiziere strafversetzt wurden erfuhr man nie wo die hinkamen. Mich interessierte das schon, denn die Meisten von denen waren ja schon strafversetzt als sie zu uns kamen. Da fragte man sich schon, was nach uns kam.
Wenig später musste Gefreiter Clauß von unserer Kompanie mit seinem Kranfahrzeug zu einem Noteinsatz. Der Kranfahrer der ersten Kompanie war mit seinem Ausleger in die Hochspannungsleitungen geraten. Der Kran musste geborgen werden. Dem Kranfahrer war Gott sei Dank nichts passiert. In seiner Kanzel saß er wie in einem faradayschen Käfig. Unteroffizier Boehr musste auch mit seinem 813 Tatra raus. Mit vereinten Kräften bargen sie den Kran und stellten ihn im Kfz Park vor der Werkstatt ab. Am nächsten Tag schaute ich mir den Kran an. Man sah genau wo der Strom entlang geflossen war. Er hatte gewaltige Brandspuren hinterlassen das Stahlseil des Krans war durchgeschmort. Am Ausleger sah man die Eintrittsstelle und an den Reifen die Austrittsstellen. Alle  Räder hatten Plattfuß. Die Brandspur war ungefähr 10 Zenzimeter breit. Der verbrannte Gummi stank immer noch gewaltig. Der Kranfahrer wurde zum Soldaten degradiert. Die Zahl der Gefreiten auf der ersten Kompanie nahm eine bedenkliche Größe an.
Die Springer lumperten wieder einmal rum. Im speziellen waren es Krause - Huddel, Springschilling und Taumelmüller. Sie hatten die Betten früh schlecht gebaut. Der Major persönlich hatte sie eingerissen. Wir mussten die Betten selber noch einmal bauen.  Dafür hatte ich ihnen kanadischen Winter auf dem Flur verpasst. Das war die nicht ganz so schwere Art der Bestrafung. Auf dem Zimmer das wäre schlimmer gewesen. Ich streute P3 auf den Korridor und ging in den Fernsehraum. Nach einer halben Stunde kam Spielvogel in den Fernsehraum und fragte mich, ob ich wüsste was meine Springer machen? Na klar denen habe ich kanadischen Winter verpasst.  Spielvogel sagte, da geh mal gucken was die Treiben. Ich ging auf den Flur und dachte mein Schwein pfeift. Sie kehrten das P3 mit dem Besen zusammen und schütteten es in den Eimer. Ich ließ den Gang fertig kehren. Danach ging ich zu ihnen hin, sie wären fertig mit dem Gang. Ja klar sagte ich, mit kehren und jetzt machen wir das ganze Spiel noch einmal mit Wasser. Frank schüttete vom anderen Gang Ende  neues P3. Ich holte das Wasser mit dem Eimer persönlich aus dem Bad und kippte es auf das Scheuermittel. Die Springer standen wie angewurzelt. Krause giftete los, das machen wir nicht. Ich schnappte mir Krause und sagte, du alter Giftzwerg, wenn ihr die Arbeit gleich richtig gemacht hättet, wärd ihr zur Hälfte schon fertig. Jetzt fangt ihr eben noch einmal von vorne an. Hoffentlich bleuen dir das mal deine eigenen Zimmerkameraden ein. Damit das diesmal besser klappt, hole ich jetzt einen Vieze der euch beaufsichtigt, ihr müsst doch wohl spinnen. Ich holte Speer, der sie beaufsichtigte.
Ende Januar war wieder eine EK Feier angesagt. Wir hatten am Maßband eine Spur verloren. Noch 99 Tage bis zur Entlassung. Das musste natürlich gefeiert werden. Die LMAA Stimmung wurde größer. Die nächsten Übungen standen an. Es ging um die Qualispangen. Die Qualispangen  waren eigentlich die einzigen anerkannten Auszeichnungen unter den Soldaten. Die musste man sich wirklich durch Können verdienen. Ich besaß die Quali III. Die hatte ich im ersten Diensthalbjahr abgelegt. Die Quali II hatte ich nicht machen können, da ich gerade Feuerwache stand. Nun konnte ich die Quali I ablegen. Dafür gab es schließlich 130 Mark. Früh zum Morgenappell standen wir vor der Kompanie. Allgemeines Volksgemurmel herrschte unter uns Soldaten. Roos fing an rumzubrüllen, vielleicht ist hier bald Ruhe oder hat von den Herren EK jemand keine Lust auf die Quali I? Roos wusste wie scharf wir auf die Spange waren, aber die Frage von ihm war so etwas von provokativ, das ich mich spontan zu einem ich entschloss. Richtig laut rief ich, damit es auch alle hörten, ich Genosse Major möchte die Qualispange nicht ablegen. In 87 Tagen bin ich zu Hause, da gehe ich wieder arbeiten und verdiene eigenes Geld. Schlagartig war Ruhe, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Roos klappte der Kiefer nach unten. Aber nicht lange, dann sagte er, Müller raus treten. Das erste Diensthalbjahr johlte vor Freude, sie feierten mich als den einzig wahren E. Roos brüllte los, Ruhe im Glied als sich jemand zu Wort meldete von dem ich es überhaupt nicht erwartet hatte. Oberleutnant Nikolaus musste schon eine ganze Weile aus dem Fenster geschaut haben. Er hatte anscheinend die Sache mit verfolgt und rief, Klasse Müller. Endlich mal einer der Mut in der Hose hat. Ich werde dafür sorgen, dass sie die Qualispange trotzdem erhalten. Oberleutnant, Mensch haun sie ab da oben, brüllte der Major wie am Spieß. Patschen lachte ihn aus. Roos rannte nach oben. Nach einer viertel Stunde kam er wieder runter. Er ließ die Kompanie an die einzelnen Übungsstationen wegtreten und mich jagte er an die Waschrampe. Die zweite Kompanie hatte großen Waschtag mit ihren Lkws. Ich setzte mich in die Tankstelle und machte mir einen Bunten. Die Fahrübung am nächsten Tag musste ich mitmachen. Ach was sollte der Mist, keine drei Monate mehr, was sollte ich mich heiß machen? Die Soldaten vom zweiten Diensthalbjahr, Rosenbaum und Ziege hatten bösartigen Stress mit dem Militärstaatsanwalt. Sie waren in die Knochenmühle des Gesetztes geraten, ohne das sie was dafür konnten. Sie verkehrten im zivilen Leben in intellektuellen Kreisen. Einer ihrer Kumpels hatte versucht in den Westen zu türmen. An der tschechischen Grenze hatten sie ihn geschnappt und den Organen der DDR übergeben. Die hatten ihn richtig in die Mangel genommen, bis er alles sagte was sie wissen wollten. Unter anderem hatten sie ihm suggeriert er wäre von Freunden verpfiffen worden, ansonsten hätten sie ihn nicht gegriffen. Sie wollten von ihm wissen, wer über den Fluchtversuch bescheid wusste. Da sind die Namen Ziege uns Rosenbaum gefallen. Das sie den Fluchtversuch nicht gemeldet hatten, sollte ihnen nun angehangen werden. Es war einfach unglaublich. Auf der Kompanie wurde es unruhig. Die Staatsanwaltschaft ging in die Offensive und berief eine Versammlung ein. Ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft leitete die Versammlung. Es zeigte sich die ganze Perversität dieser Institution. Ich fragte den Mitarbeiter wie Ziege und Rosenbaum des Vergehens des Nichtanzeigens des Fluchtversuches angeklagt werden können, wenn sie anderseits dem Flüchtling erklärt hätten, er wäre verraten worden. Sofort wurde ich belehrt das es sich hier nicht um ein Vergehen handelt, sondern um eine Verletzung gültiger Gesetzte der DDR. Wer Gesetzte verletzt begeht Rechtsbruch. Außerdem wäre es eine gängige Praxis dem Landesverräter Fangfragen zu stellen.  Chaleri polterte los, selbst wenn sie es gewusst hätten, würden sie ihre Freunde verraten? Der Mitarbeiter meinte von Verrat kann in dem Fall keine Rede sein, weil es hier um die Vereitlung einer Straftat ging. Die Angeklagten sollten lieber einmal darüber nachdenken, in was für Kreisen sie verkehren. Rosenbaum meinte, gewisse Äußerungen nimmt man doch gar nicht für voll, wer hat denn nicht schon einmal gesagt, ich habe die Schnauze voll, ich haue ab. Bestimmt hat der Flüchtige sich so geäußert, wenn sie mir das so vorwerfen dann habe ich es wirklich gewusst. Der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft versuchte die Gemüter zu beruhigen. Na, na, na Genossen wir sitzen hier zusammen um in Zukunft solche Sachen zu vermeiden, Fehler können schließlich jedem einmal passieren. Eigentlich machte es überhaupt keinen Sinn mit solchen Menschen über diese Dinge zu reden. Die lebten in ihrer eigenen Welt. Das war schon beim Kaiser so. Ziege und Rosenbaum wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Bewährung dauerte bis zur Beendigung ihres aktiven Dienstes. Aus Protest zu diesem Urteil ließen sie sich Glatze schneiden. Roos bestrafte sie dafür mit Ausgangs – und Urlaubssperre.


Dienstag, 18. Oktober 2011

Muckerausbildung

Noch im Januar war Muckerausbildung angesetzt. Es sickerte durch, unter anderem sollte die Ausbildung mit scharfen Eierhandgranaten durchgeführt werden. Zur Aufwärmung mussten wir Schützenlöcher graben. Die ersten 10 – 20 cm Erde waren gefroren. Das Graben war ein Schund. Im Anschluss war Handgranatenzielwerfen mit scharfer Munition angesagt. Interessant waren die Sicherungsmaßnahmen. Wir mussten in einen Bunker, solange bis jeder an der Reihe war. Vom Bunker führte ein Schützengraben zur Stellung, von wo aus die Handgranaten geworfen wurden. Neben dem Werfer stand ein Offizier, der alles noch einmal erklärte. Vor der Stellung befand sich ein weiterer Schützengraben. Im Notfall schlug der Offizier dem Werfer die scharfgemachte Handgranate aus der Hand, wenn der vor Angst oder Aufregung die Handgranate nicht losließ. Die Handgranate viel dann in den Sicherheitsgraben. Während wir im Bunker auf unseren Einsatz warteten erzählten wir dem ersten Diensthalbjahr lauter Schauermärchen, was so alles passieren könnte. Dabei hatten wir selber noch nie scharfe Handgranaten geworfen. Aber wir hatten reichlich Phantasie. Taumelmüller wurde blass. Als Chaleri dann erzählte wie es seinem Kumpel die Hand abgerissen hatte, fingen seine Kniee an zu zittern. Dann war ich an der Reihe. Der Lückenhafte beaufsichtigte das Handgranatenzielwerfen. Er erklärte mir wo ich die Handgranate  hinwerfen sollte. Ich drücke den Hebel, zog den Splint, ließ den Hebel los, zählte bis drei und warf das Ding Richtung Ziel. Ich gebe es zu, das ich genau ins Zentrum geworfen hatte war Zufall. Darüber war ich selber erschrocken. Taumelmüller war fertig mit den Nerven als er ran musste. Lück musste ihn gewaltig auf die Hände schlagen, damit er die Eierhandgranate los ließ. Als Tagesabschluss wurde wieder der Sturmangriff geübt. Am nächsten Tag stand Schießen auf dem Plan. Der Lkw brachte uns zum Kammerforster Schießplatz. Da waren wir zwei Stunden unterwegs. Ich hatte bei der Armee gelernt schnell und möglichst überall einzuschlafen. Selbst auf der Wache am Postenpilz stehend war mir das gelungen. Das wäre vor der Armeezeit undenkbar gewesen. Also schlief ich auch auf dem Lkw. Die ersten Schießübungen hatten wir auf dem Drosselacker gehabt. Nach einen knappen halben Jahr sind wir dann immer nach Kammerforst gefahren. Erst hatte ich mich gewundert darüber, denn vom Weg war es schon ein gewaltiger Unterschied. Aber letztendlich konnte es mir egal sein, denn ich kam keinen Tag eher nach Hause. Da war es völlig Wurst auf welchem Schießplatz wir schossen. Als wir das erste Mal auf dem Kammerforster Schießplatz  auftauchten, leitete Major Bernd das Schießen. Roos hatte sich da wieder über alle Befehle weg gesetzt. Bernd hatte ausdrücklich verboten während des Schießens im Schussfeld rumzuturnen. Roos war das egal, als einer der Pappkameraden klemmte, stürzte er sich ins Schussfeld, um den Kameraden wieder aufzurichten. Bernd schrie kommen sie zurück, Major Roos. Den interessierte das nicht. Jeder wusste, solange das schießen nicht unterbrochen war, konnte immer was passieren und wenn so einer wie Roos da rumstützte konnte man 100 Prozent davon ausgehen, das was passierte. Vier Gefreite lagen mit der MPI im Anschlag, Lück stand daneben und passte auf. Auf einmal sah ich wie er Gefreiten Ritter auf die Hand und die Maschinenpistole trat. Keiner sagte ein Wort, erst als Roos aus dem Schussfeld war trat er wieder zurück. Offiziell hatte es den Vorfall natürlich nicht gegeben. Aber es war rum in der Kaserne.
Diesmal ging es ruhiger und friedlicher beim Schießen zu. Nur einige Springer zuckten rum, als ein paar von uns mit ihren Gewehren schießen wollten. Ich sagte zu Springschilling, entweder du gibst mir deine Kaschi oder du putzt meine mit. Er wählte das kleinere Übel. Waffenputzen wurde immer mal wieder angesetzt, nicht nur nach dem Schießen. Wenn Roos es beaufsichtigte wurde es prinzipiell auf dem Gang in der Kaserne durchgeführt. Bei den Zugführern sah das etwas anders aus. Da verkrümelten wir uns auf die Zimmer zumindest die E`s. Bei Übungen mussten die Resioffiziere mit raus. Sie wurden einem Berufsoffizier zugeordnet. ich sagte zu dem Leutnant der Luderer zugeordnet wurde, passen sie nur auf, dass den seine Blödheit nicht abfärbt. Die es hörten mussten lachen einschließlich des Resioffiziers. Luderer quäkte in seinem merkwürdigen Dialekt, Gungs was ist denn da schon wieder los. Ach sie schon wieder mit dabei, Müller, meinte er. Ich ignorierte seine Bemerkung, er war für mich Luft. Bei der nächsten Fahrübung revanchierte ich mich bei ihm. Er stand so schön neben einem gut gefüllten Schlagloch. Da wir bei Fahrübungen nie alleine Fahren durften packten sie uns immer einen Resioffizier auf den Lkw. Früher waren bei solchen Übungen nur die Hälfte der Fahrzeuge raus gefahren. Seit dem in Polen die Unruhen ausgebrochen waren, mussten alle Fahrzeuge rollen. Außerdem absolvierten wir Tankerfahrer noch einige Fahrstunden auf dem Sattelschlepper. Es machte mir direkt Spaß mit diesen langen Ungetümen durch die engen Gassen von Erfurt zu fahren. Die erhöhte Alarmbereitschaft galt logischer Weise nicht nur für unser Transportbataillon. Immer wieder konnten wir von unserem Stubenfenster die Fahrzeuge der Artillerie beobachten, wenn sie zur Übung ausrückten. Die Artilleristen waren in Erfurt auf der Henne stationiert. Von der Luftlinie hergesehen war die Kaserne vielleicht zwei Kilometer von uns entfernt, wenn überhaupt. Dazwischen lagen nur Feld und Sträucher. Nicht weit von Erfurt befanden sich die Kampfhubschrauber der sowjetischen Armee. Auf halber Strecke zwischen Erfurt und Weimar stand die Kaserne der russischen Soldaten in Nohra. Auch sie flogen verstärkt Einsätze. Ich sah es gerne wenn die Hubschrauber nachts flogen. An ihren Rotoren waren rote, gelbe und blaue Beleuchtungen angebracht. Die Bedeutung der Lichter war mir unbekannt, aber es sah immer so aus als ob nur Kreise am Himmel schwebten. Da sage einer, „die Armee wäre nicht romantisch“. Das die Anderen  Truppenteile verstärkt Übungen abhielten bekamen einige von uns auf eine andere Art und Weise zu spüren. Die Objekte mussten öfters mit Sprit versorgen werden. Das Empfanden wir eigentlich als eine angenehme Abwechslung. Wir brauchten dadurch nicht mehr sooft zum „Einarmigen“ laufen. Unsere Getränke brachten wir mit den Tankern rein. Wir ließen sie einfach in den Fahrzeugen liegen und schlichen uns nach 18.00 Uhr in den Fahrzeugpark. Die meisten Fahrten erledigten Rudi und Meise. Eines Tages kam Rudi von so einer Fahrt zurück, er sah blass aus und wirkte verstört. Dietmar der unter ihm im Bett schlief, war ein einfühlsamer Mensch. Er fragte Rudi was los ist. Erst wollte er überhaupt nichts sagen, aber dann als Dietmar nicht locker ließ, brach es aus ihm heraus. Der Batailloner persönlich hatte ihm beim Bier holen erwischt. Er kam aus der Kaufhalle und wollte mit seinem Teil zum Tanker, als der Batailloner gerade in den Konsum wollte. Da war er natürlich fällig. Das war bedauerlich aber nicht zu ändern. Nur dass Rudi sich das so zu Herzen nahm, verwunderte mich doch. Er hörte gar nicht mehr auf mit rumjammern, das war schon peinlich. Ich sagte zu ihm den Kopf werden sie dir nicht runterreisen. Aber wenn die mich degradieren, winselte er weiter, was sollen die Leute denn in Geising von mir denken. Entsetzt schauten Meise und ich mich an, wir dachten wohl das Selbe. Meise sagte zu ihm, na hör doch auf, so bekannt wirst du doch wohl nicht sein und wenn, was ist schon dabei wenn sie dich degradieren, da kannst du stolz drauf sein. Entgeistert guckte Rudi zu Meise,  dann legte er los. Du spinnst wohl, die Familie Rudolph ist eine angesehne Familie in Geising, eine Degradierung wäre eine Schande für unsere Familie. Bei uns kennt schließlich jeder noch jeden, das ist nicht so wie bei euch in der Stadt. Ich dachte ich bin im falschen Film und sagte zu Rudi, höre auf rum zu spinnen, du willst mir doch nicht erzählen, dass jeder auf jeden aufpasst, du Weichei. Rudis verhalten konnte ich nicht nachvollziehen, es war mir schlicht weg rätselhaft. Sollte der Unterschied zwischen Stadt und Land wirklich so groß sein. Obwohl sie ihn nicht degradiert hatten, wollte ich darüber nicht nachdenken. Rudi war ja ansonsten kein schlechter Kamerad und seine Schwächen hatte jeder.
Überhaupt waren manche Dinge die so passierten recht merkwürdig und warfen einen dunklen Schatten auf die Kaserne. Uns Soldaten war es verboten am Standort der Kaserne ein privates Fahrzeug zu stationieren. Ich machte mir darüber keine Gedanken, denn ich besaß ja kein eigenes Auto, wie die meisten Anderen auch. Das traf aber nicht für alle zu und einige hatten heimlich ihr Auto mit nach Erfurt gebracht. Für gewöhnlich dauerte es keine 4 Wochen, dann wusste der Batailloner bescheid. Die Soldaten mussten ihren Fahrzeugschlüssel abgeben. Als ich im zweiten Diensthalbjahr noch viel Feuerwache gestanden hatte, war ich auch mit Gefreiten aus der ersten Kompanie zusammen. Einer von ihnen hieß Gerhard und war aus Langebrück, einem kleinen Vorort von Dresden. Er hatte einen alten F8 mit nach Erfurt gebracht. Den hatte er in einer Garage abgestellt. Trotzdem dauerte es nur wenige Wochen, da musste auch er den Fahrzeugschlüssel abgeben. Dazu viel mir nichts ein,  denn der größte Lump im Land ist und bleibt der Denunziant.


Dienstag, 11. Oktober 2011

Das Neue Jahr

Am 1. Januar 1981 blieben wir E`s lange im Bett und schliefen aus. Im Gegensatz zu den Anderen auf dem Zimmer war ich immer noch der Frühaufsteher und 09.00 Uhr somit der erste der Aufstand. Die Springer hatten uns das Frühstück mitgebracht. Da Feiertag war gab es auch ein Stückchen Kuchen. Bengert hatte dafür gesorgt, das die Heizkörper warm waren. Wasser mit Duschtemperatur gab es auch. Da hatte er bestimmt die Springer rotieren lassen. Mir war`s egal. Ich genoss unter der Dusche das warme Wasser. Nach dem Frühstück quatschte ich mit dem UvD. Es war Beetz  der Dienst schieben musste. Er erzählte Werner hätte nicht alle Tassen im Schrank. Das war ja nun nichts Neues. Und weiter, fragte ich? Der hatte sich bei einer Übung 30 Schuss Leuchtspurmunition an Land gezogen.  Werner hatte über Silvester Wachdienst. Da hat er Mitternacht die Mumpeln in den Himmel gerotzt. Werner war wirklich nicht sauber. Genau so passieren Dinge die nicht passieren sollen.
Am nächsten Morgen zum Morgenappell erschien Roos relativ gut gelaunt. Er richtet ein paar mehr oder weniger nette Worte an uns, wegen des neuen Jahres. Im Anschluss ließ er Meißner und mich vortreten. Ich fragte mich, wegen was wird er denn uns schon wieder am Arsch haben? Roos rief, Soldaten Meißner und Müller stillgestanden, ich befördere sie rückwirkend zum 1. Januar zu Gefreiten. Verdattert sagte ich, ich diene der deutschen demokratischen Republik. Meise war genauso überrascht. Wir traten zurück ins Glied. Während ich noch darüber nachdachte warum er uns befördert hatte, rief Kümmerli das kost ein Teil. Wir trabten ab in den Fahrzeugpark, um die Silvesterreste aufzuräumen. Es lagen jede Menge abgebrannte Raketen herum. Zum zweiten Frühstück sagte Bengert ganz deprimiert, ich versteh das gar nicht, dass ich nicht befördert werde. Ich konnte es nicht mehr hören und sagte zu ihm, ich habe es dir schon hundert Mal erklärt. Wie kann man nur so stur sein, das ist doch nicht zu fassen!!! Eigentlich müsstest du doch auf die Nichtbeförderung stolz sein. Stattdessen sitzt du hier und jammerst rum. Mario blieb in seiner weinerlichen Stimmung. Am Nachmittag war wieder Wachvorbereitung, die immer mit der Wachbelehrung begann. Danach drückte Graichen, Meise und mir die neuen Schulterstücke in die Hand. Er hatte die genaue Anzahl im Vorfeld schon abgezählt. Es dauerte eine Weile bis wir sie an allen Kleidungsstücken gewechselt hatten.
Die nächsten Tage schoben wir verstärkt Wachdienst. Unter anderem stand ich wieder am KDL, 10.00 Uhr lösten Beetz, Kummer, Arno und ich die Truppe von Werner ab. Ich nahm mir noch eine Bockwurst mit an`s KDL, der Hunger ließ mir keine Ruhe. Ich lümmelte gelangweilt am Eingang und aß die Wurst. Eigentlich war das verboten, aber wo  kein Kläger war, gab es auch keinen Angeklagten, als ich das Müllauto kommen sah. Schnurstracks lief ich zum großen Tor und ließ das Auto passieren. Ich achtete auf das Müllauto nicht weiter, denn inzwischen kamen von der anderen Seite drei Fahrzeuge die die Kaserne verlassen wollten. Im vorbeifahren sah ich noch, es waren dieselben Müllmänner auf dem Auto wie immer. Ich ging zu dem UAZ der gerade die Kaserne verlassen wollte, als im letzten Jeep die Wagentüre aufgerissen wurde und ein Offizier heraus sprang. Laut schreiend, Gefreiter so geht das nicht, rannte er vor das Müllauto. Entgeistert starte ich zu dem Offizier. Wer war dieser Idiot? Ich schaute genau hin und erkannte ihn. Es war Major Pfeffer der stellvertretende Divisionskommandeur. Was macht denn der her, dachte ich verwundert? Normaler Weise gab die Wache durch wenn der Batailloner oder ein Offizier aus der Division auftaucht. Werner hatte wieder rumgetaumelt und es nicht gemeldet. Der brauchte wirklich mal die Schwarzdecke, dieser alte Plattenschrank. So etwas regte mich immer fürchterlich auf, den Sackgang konnte man sich ersparen. Werner wollte nach der Armee Polizist werden, aber der war ja selbst für einen Kantenlatscher zu blöd. Ich fragte den Major, was geht so nicht Genosse Major? Das sie das Müllfahrzeug hier reinlassen ohne es zu kontrollieren. Trotzig sagte ich, das sind dieselben Müllfahrer die vor 14 Tagen hier waren. Major Pfeffer tobte, Gefreiter es gibt Dienstvorschriften, da haben auch sie sich daran zu halten. Wo ist der Wachhabende? Im  KDL – Häuschen, sagte ich. Pfeffer stürmte ins KDL. Beetz hatte es schon lange mitbekommen was los war. Noch ehe Pfeffer losplärren konnte, sagte Beetz zu ihm, Genosse Major, das mit den Dienstvorschriften gilt auch für sie. Sie können nicht einfach den Wachablauf stören. Wenn sie Probleme haben, gehen sie zum OvD. Pfeffer brüllte, sie bezeichnen mein erscheinen als Störung? Während sich Pfeffer und Beetz behakten hielt ein weiter UAZ am KDL. Zu wem der gehört wusste ich genau. Es war das Fahrzeug von Roos, der wollte aus der Kaserne. Roos stieg aus und brüllte was ist hier los, Müller lassen sie mich sofort raus. Ich versuchte Roos zu erklären, das dass momentan nicht geht. Roos hörte nichts und sah nichts. Vor Wut bebend stürzte er ins KDL – Häuschen und traf natürlich auf Pfeffer. Der schrie Roos sofort an, Major nehmen sie Haltung an, was fällt ihnen ein hier rumzuschreien. Leise sagte ich zu Kümmerli, was für ein Theater, der Klassenfeind in der Mülltonne. Während Pfeffer noch Roos runterputzte sagte Beetz zu mir, kontrolliere die Müllkutscher und lass sie dann ins Objekt. Einer von den Müllfahrern hatte keinen Ausweis mit. Pfeffer rief, während Roos noch immer stramm stand, dann kann er nicht mit rein. Der Fahrer von den Müllmännern drehte sich zu Pfeffer und sagte, entweder kommen wir hier zu dritt hinein oder sie können ihren Müll alleine abfahren. Er habe dieses alberne Affentheater satt. Pfeffer sagte zu Beetz kommandieren sie einen Soldaten ab, der das Müllfahrzeug begleitet. Beetz schaute mich an, ich machte mich auf die Socken. Die Müllmänner schüttelten den Kopf, bei euch ist ja was los. Das hätten sie überhaupt noch nicht erlebt. Ich zog mein Maßband, keine 120 Tage mehr sagte ich zu ihnen.
Pfeffer drehte mit seinem Anhang um und fuhr zum Batailloner. Solche „wichtigen Angelegenheiten“ musste er persönlich klären. Den Klassenfeind im Müllfahrzeug einschleusen, das ging ja nun wirklich nicht.  Für uns war es ein innerer Parteitag, das Roos strammstehen musste und ich war gespannt, was die Geschichte noch für ein Nachspiel hatte. Es hielt sich in Grenzen. In Zukunft sollte jedes zivile Fahrzeug von einem Soldaten begleitet werden. Da konnte man nur hoffen dass nicht zu viele auf einmal kamen. Anfänglich rechnete ich wenigstens mit einem Donnerwetter, nichts der Gleichen. Ich überlegte warum wohl? Nach einigem nachdenken kam ich zu dem Schluss, dass der Batailloner in der Klemme steckte. Wenn man Haarspalter war, hatte ich keinen Dienst nach Vorschrift gemacht. Pfeffer hatte selbst als stellvertretender Divisionschef nicht das Recht eigenmächtig in den Wachablauf einzugreifen. Andererseits war er der Chef vom Batailloner. Und der blieb seiner Linie treu, Teppich hoch und alles drunter.
Eine Woche später kam es zu einem Wachvorkommnis der schwereren Sorte. Die 2. Kompanie hatte Wache. Bei der Wachablösung hatte einer der Uffze. die abgelöste Wache zum Platz geführt, wo die Magazine aus der MPI entfernt wurde. Vorschriftsmäßig kontrollierte er das keine Patrone im Lauf war. Nur bei sich selber sah er es locker. Er hatte vergessen sein Magazin vorher zu entfernen. Er lud durch, in der Gewissheit sein Magazin entfernt zu haben, schaute er gar nicht erst in das Gewehrschloss und drückte ab. Da er den Hebel auf Dauerfeuer gestellt hatte, schoss er das Magazin leer. Dreißig Schuss über die Mauer. Glücklicher Weise war niemand verletzt worden. Er muss wohl in eine Art Schockzustand gefallen sein, als er den Abzug betätigte. Anders konnte ich es mir nicht erklären, dass er den Finger nicht vom Abzug bekommen hatte. TB 4 wäre nicht TB 4, der Vorfall wurde todgeschwiegen. Es wurde von offizieller Seite weder darüber gesprochen, geschweige denn irgendetwas ausgewertet. Der Uffz. blieb Uffz. und zusätzlich blieb ihm das Gespött der Soldaten.   
Eines Abends kamen wir von der Wache. Wir hatten gerade die Waffen abgegeben, als ich Uffze. Remus und Böhr beim UvD tuscheln sah. Ich schenkte der Sache weiter keine Bedeutung, das kam ja alle Tage vor. Als ich Duschen ging, nahm mich Chaleri bei Seite. Du meinte er, pass mal auf Böhr und Remus auf. Was ist denn los, wollte ich wissen? Die haben heute die Schwarzdecke bekommen, wir haben sie ordentlich vermöbelt bis sie liegen blieben. Haben sie erkannt wer es war? Glaube ich nicht, meinte Chaleri. Wir haben uns den Schlüssel von der BA - Kammer besorgt und haben sie dort aufgelauert. Wir hatten erfahren dass sie heute Wäsche tauschen wollten. Sie haben bei Roos Meldung gemacht und nun forschen sie auf eigene Faust. Jetzt war mir klar warum sie beim UvD waren. Sie wollten bestimmt von ihm wissen, wer in der BA – Kammer war. Ich erzählte es Chaleri. Zuviel wissen über den Zwischenfall wollte ich nicht, wer nichts wusste konnte auch nichts erzählen. Der Kreis der Verdächtigen war sowieso nicht allzu groß. Ich unterhielt mich mit Ammling darüber. Der meinte zu mir, seit froh das ihr auf Wache wart, Böhr und Remus wollen zum Militärstaatsanwalt. Das hatte irgendeiner Roos gesteckt und der ist zum Batailloner gesaust. Zirl bemühte sich persönlich auf unsere Kompanie. Er nahm den Kreis der Verdächtigen und die beiden Uffze. zu einer Aussprache zusammen. Danach konnte er wieder den Teppich hochheben und etwas dazu legen.

Montag, 10. Oktober 2011

Die geilste Feststellung aller Zeiten


Die Urlaubszeit war ran. Voller Freude fuhr das erste Viertel unserer Truppe in den Urlaub. Es wurde ruhiger in der Kaserne aber nicht lange. Nach zwei Tagen waren sie wieder eingetrudelt. Fünf Soldaten kamen zu spät aus dem Urlaub. Es waren keine Soldaten von unserer Kompanie darunter. Der Batailloner war außer sich und veranstaltete einen Bataillonsappell. Die kurze Ansprache verfehlte seine Wirkung total, sie war mehr erheiternd. Ein Satz grub sich für immer in mein Gedächtnis ein, das Bataillon brüllte vor lachen. Er stand vor der Truppe und sagte, da gibt es Soldateen, denen gefällt es zu Hause tatsächlich besser wie uuns. Das war das Non plus Ultra aller Feststellungen. Am 24.12. konnte ich in den Urlaub verschwinden. Weihnachten in Familie, in der Eigenen. Das erste Mal, dass war schon was besonderes, auch für Conny. Es waren zwei Tage die ich intensiv mit meiner Familie genoss. Wir gingen spazieren, besuchten Freunde und Verwandte und schon waren die zwei Tage Urlaub um. Eigentlich bekam man von dem realen Familienleben gar nichts mit. Jeder zeigte sich von seiner besten Seite. Sorgen, Kummer oder Nöte wurden von einem fern gehalten. Man konnte es oftmals gar nicht nachvollziehen, was die Menschen im zivilen Leben aktuell bewegte. Das die Armee eine andere Welt war bekam man immer deutlicher zu spüren. Die Ängste die einen selber bei der Armee bewegten, waren in erster Linie die um die Partnerin. Da unterschieden sich einfache Soldaten gar nicht so sehr von den Berufssoldaten. Bei den Einen war es die Entfernung zum Partner die das Leben schwer machten, bei den Anderen der Alkohol der so manche Partnerschaft ins wanken brachte. Im DDR Fernsehen gab es so gut wie keine Reklame, es mangelte eh dem an allem. Dem DDR Bürger war der Unterschied zwischen der Scheinwelt des Fernsehens und der realen Welt nicht so bewusst wie dem Bürger der BRD. Im DDR Fernsehen kamen viele Werbefilme über die NVA. Arbeitskräfte, Soldaten, Unteroffiziere und Offizier wurden immer gesucht. Arbeitslose kannte die DDR nicht. Dem DDR Bürger wurden mit solchen Werbefilmen das interessante und verantwortungsvolle Leben bei der NVA schmackhaft gemacht. Viele zerbrachen an der Realität und suchten Trost im Alkohol.
Am 27.12. nahm mich die Armee wieder „liebevoll“ in ihre Arme. Andere wollten auch in den Urlaub. Bevor der Jahreswechsel anstand wurden wieder einige zur Unterstützung der Feuerwache abgestellt. Mir blieb das diesmal erspart.
Ich hatte mir keinen Schnaps aus dem Urlaub mitgebracht, es gab schon genug auf der Kompanie und die Sattelfahrer hatten mich zum Umtrunk eingeladen. Zwei Tage vor Silvester wurden in der DDR Raketen und Knallzeug verkauft. Am 30.12. hatte mein Busenfreund Luderer vom Major  den Befehl erhalten hinter dem Kompaniegebäude die über die Mauer geflogenen Silvesterartikel aufzusammeln. Klar dass er da mich mit dazu abstellte. Mit Arno und Eimer zog ich los. Hinter dem Kompaniegebäude befand sich die Sturmbahn und zu der gehörte auch der Fuchsbau. Ich schaute in die Betonröhre, selbst dort waren Raketen gelandet.  Ich kletterte hinein und fand neben den abgebrannten Raketen zwei Schnapsflaschen. Wie konnte man nur so blöd sein, die in der Röhre zu verstecken. Ich freute mich riesig über den unerwarteten Fund. Ich sagte zu Arno, schau mal was ich gefunden habe. Auch er bekam das große Grinsen und meinte, so doof können doch nur Springer sein, die Schnapsflaschen hier unten abzutarnen. Wenn sie uns gefragt hätten, wären sie sicher gewesen. Jetzt haben sie den Schaden. Im Eimer versteckt brachte ich sie auf die Kompanie. Wer in den Urlaub fuhr ließ prinzipiell seinen Spindschlüssel da, damit unter anderem solche Dinge versteckt werden konnten. Selbst Roos traute sich nicht an die Spinde rann, da hätte er die Schlösser knacken müssen. Ohne Anlass war so eine Aktion ein ganz heißes Eisen und brachten gewaltigen Arger ein.
Genauso wie die E´s vor einem Jahr wollten wir Punkt Mitternacht das Nachhause gehen üben. Wir waren schon alle ganz wuselig. Einige von uns hatten sich erkundigt, wer OvD am Silvesterabend hat. Hauptmann Pemsel, das war gut so, der wusste wie es am Silvesterabend lang geht und außerdem hat er immer selber Durst. GOvD hatte Unterleutnant Grohmann. Der war erst Ende Oktober von der Offiziersschule gekommen. Er hatte von uns den Namen Hans Moni verpass bekommen. Der lief immer so als ob er hinten einen drin hatte. Wenn er in den Ausgang ging setzte er sich eine Baskenmütze auf und wackelte von dannen. Es war ein Bild für die Götter. Den nahm hier keiner so richtig für voll, der musste sich seine Meriten noch verdienen. Als Vierjähriger hatte er ja noch genügend Zeit dazu. Am 31.12. war Dienst bis Mittag. Am Nachmittag ging ich zum Bataillonstelefon um  nach  Hause zu telefonieren. Das Telefon war lange gesperrt gewesen. Die Post hatte mitbekommen das hier viel schwarz telefoniert wurde. Da gab es bestimmt  einige Reibereien zwischen den Verantwortlichen bei der Post und den Stabsoffizieren. Auch ich benutzte meine Kelle zum telefonieren. Allerdings musste ich eine knappe Stunde warten, es standen etliche Soldaten vor und hinter mir. Es war nur Vater zu Hause. Tobias war schon bei seinen Kumpels. Vater jammerte rum, dass Tobias wieder sturzbetrunken  nach Hause kommen könnte. Ende September war in Dresden Herbstfest gewesen, da kam die Eibauer Schwarzbierbrauerei mit ihren Tankern vor gefahren. Schwarzbier war eine Rarität in der DDR. Die Männerwelt stand Schlange. Wartezeiten  von einer Stunde waren keine Seltenheit. War man endlich dran bestellte man gewöhnlich gleich bis zu 10 halbe Liter. Biertrinken ging man ja auch nicht alleine. Es dauerte eben alles seine Zeit. Tobias ließ sich extra Krank schreiben damit er mit seinen Kumpels dahin gehen konnte. Früh um 10.00 Uhr war er losgezogen. Abends um 10.00 Uhr haben sie ihn nach Hause getragen. Vater war über seinen Liebling entsetzt gewesen. Er hatte es mir auch gleich geschrieben. Sie hatten ihn mit Sachen in die Badewanne gepackt und ihn kalt abgeduscht. Dass das nicht hilft hatte ich am eigenen Leib erfahren, aber erst bei der Armee. Mich freute es eigentlich, dass sein Lieblingssohn noch schlimmer wie ich war. Denn als Lehrling hatte ich mir so etwas nicht getraut. Nun hatte Vater Angst es könnte wieder so enden.
Conny anrufen ging leider nicht, sie hatte kein Telefon. Ein Telefon in der DDR zu bekommen war ein Unding. Entweder man war privilegiert, es war dienstlich notwendig oder man hatte einfach Glück gehabt. Vater hatte ein Telefon aus dienstlichen Gründen bekommen. Er hatte viel Unfallbereitschaft. Es war auch kein Telefon der Post, es gehörte der Reichsbahn. Die hatte ein eigenes Netz. Wollte man aus dem Bahnnetz in das der Post telefonieren musste ein Null vorgewählt werden. In das Bahnnetz rein zu telefonieren ging ohne Vorwahl. Die Telefonnetze waren total veraltet. Ich hatte immer so das unbestimmte Gefühl, die Regierung wollte den Ausbau und die Modernisierung der Netze gar nicht. Das hätte die Überwachung der Bürger nur noch schwerer gemacht. Aber egal damit musste ich mich nicht Silvester befassen. Wir schauten die Silvesterschau der ARD. ich freute mich des Lebens und war froh an so einem Tag keine Wache schieben zu müssen. Werner den alten Plattenschrank hatte es von den Uffzen. erwischt und einen Teil des zweiten Diensthalbjahres. Eine Viertelstunde vor Mitternacht gingen wir vor die Kompanie und reihten uns in die Kolonne, die um den Exerzieplatz zog. Das waren nicht nur wir E`s, die Zwischenschweine gingen ja auch 1981 nach Hause aber eben erst 81 II. Die Resis vom Sanitätsbataillon waren auch da. Aus hunderten Männerkehlen erklang der Ruf, nach Haus, nach Hause, nach Hause. Immer wieder von vorn und immer lauter. Hans Moni stand am vergitterten OvD Fenster. Er heulte wie ein Schlosshund. Der Zug blieb vorm Fenster stehen und tobte Hans Moni, Hans Moni. Er nestelte an seiner Pistolentasche. Pemsel trat hinzu und klopfte ihn beruhigend auf die Schulter. Ein Resi vom Sanitätsbataillon war inzwischen auf das Dach seiner Kompanie geklettert und spielte auf einer Trompete Il Silenzio. Wenn er auch nicht jeden Ton traf, es war einfach nur geil. Der Hof brodelte und tobte Zugabe, Zugabe. Keiner interessierte sich mehr für Hans Moni. Eine halbe Stunde ging das so. Langsam löste sich der Umzug auf. ich ging zu Chaleri aufs Zimmer und nahm die eine noch übrig gebliebene Schnapsflasche mit. Auf dem Zimmer von Chaleri saßen auch Springer und Zwischenschweine rum. Ich stellte die Wodkaflasche auf den Tisch. Auf einmal sagte einer der Springer, genau so eine haben sie mir gemaust. Chaleri schaute ihn an, wieso habe ich nichts davon erfahren, dass du Schnaps auf die Kompanie geschmuggelt hast. Der Springer wurde ruhig. Ich sagte zu ihm, na dann nimm erst einmal einen kräftigen Schluck bevor Chaleri dir heute noch den Kopf wäscht. Die gemütliche Feier endete offen, ein jeder ging ins Bett wenn ihm danach war.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Vorweihnachtszeit und Wehrkunde


 Lutz und ich machten uns auf in den Ausgang. Unser Besuch galt vor allem dem Centrum – Warenhaus am Anger. Soviel Zeit war ja auch nicht mehr bis Ladenschluss. Aber wir bekamen dass was wir kaufen wollten. Im Anschluss bummelten wir über den Anger. Ich vergrub meine Hände tief in den Manteltaschen, es war nasskalt und es fing an zu schneien. Am liebsten hätte ich auch noch meinen Kopf im Mantel verschwinden lassen. Auf einmal rief jemand, Genosse Soldat nehmen sie ihre Hände aus den Taschen. Die Aufforderung klang nicht böse aber bestimmt. Lutz und ich drehten uns um, es war Major Bernd vom Bataillonsstab der mich dazu aufforderte. Erschrocken zog ich meine Hände aus den Taschen nahm Haltung an und grüßte. Lachend meinte er, nicht so förmlich aber mit den Händen in den Taschen, das sieht nicht gut aus. Er war mit seiner Frau ebenfalls auf Einkaufsbummel. Freundlich lächelte sie herüber. Sie war ungefähr Mitte 40 genauso wie der Major. Major Bernd war von der Figur her stark untersetzt, sein Bauch war gewaltig. Aber er war ein umgänglicher Offizier mit einem Hang zum freundlichen. Er wünschte uns noch viel Spaß im Ausgang. Wir grüßten noch einmal und gingen. Es kam selten vor das wir eine Offiziersfrau zu Gesicht bekamen. Nur Frau Roos kam ab und an mal auf die Kompanie. Im Gegensatz zu ihrem Gatten war sie ein netter Mensch. 
Lutz und ich bekamen Hunger. Wir wollten in eine Gaststätte. Es war schwierig  eine im Zentrum zu finden. Alle waren sie voll. Wohl oder Übel mussten wir in einer Tanzbar das Essen einnehmen. Das war keine billige Angelegenheit. Nach dem Essen tranken wir noch zwei Bier und wollten eigentlich bezahlen, als sich zwei junge Damen an unseren Tisch setzten. Charmant lächelten sie rüber, Lutz lud sie auf eine Flasche Wein ein. Was sie dankbar annahmen. Auch so zeigten sie sich recht offen. Lutz musste mal für kleine Jungs, die Damen meinten sie müssten auch einmal und gingen hinter her. Aufgeregt kam Lutz zurück und sagte, die Toilettenwände in der Lokalität wären recht dünn, da hätte er das Gespräch zwischen den beiden Damen gehört. Die wollen uns richtig wie Weihnachtsgänse ausnehmen, dann verschwinden und uns mit der Rechnung sitzen lassen. Schnell bevor sie wieder an den Tisch kamen sagte ich zu Lutz, lass uns den Spieß umdrehen und schob ihn schon mal meine Gardarobenmarke zu. Als sie platz genommen hatten fragte ich die Beiden, wie es mit Sekt wäre, sie strahlten. Sucht euch nur aus was euch schmeckt und dann bestellt ihr zwei Flaschen, sülzte ich weiter. Ihre Augen fingen an zu glänzen. Der Kellner brachte vier Gläser zu den Flaschen. Eine Flasche kam im Übrigen 35 Mark.  Wir ließen es uns die nächsten zwei Stunden richtig gut gehen. Den Sekt verdünnten wir kräftig mit Bier. Wir machten uns bekannt. Die Damen stellten sich vor, eine hieß Ulrike, die andere Kerstin. Ulrike fragte ob sie Sekt nachbestellten könnte. Ich nickte generös. Lutz meinte ihm wird schlecht, er muss mal auf die Toilette und stieß mich mit dem Fuß an. Ich schimpfte mit ihm, dass man sich mit ihm nur schämen könnte. Als er nach 5 Minuten noch nicht zurück war, entschuldigte ich mich bei Ulrike und Kerstin. Ich schau mal nach ihm, bin gleich wieder da. Freundlich grüßend lief ich an der Gardarobe vorbei und verschwand aus dem Tanzlokal. Wir nahmen die Beine unter die Arme und verschwanden in der Dunkelheit der Nacht. Lachend meinte Lutz, die Rechnung dürfte die Höhe deines und meines Soldes erreicht haben. Von wegen zwei Soldaten ausnehmen  wollen. Das hatten die Beiden sich verdient die Rechnung von den einzig wahren E`s zu übernehmen.
Anfang Dezember kamen die Resioffiziere. Es sollten die Ersten von einer ganzen Resiwelle sein. Wegen Polen meinte VW müssten die Reserveoffiziere auf Vordermann gebracht werden. Sie schliefen eine Etage unter uns, auf dem selben Gang wo die Militärkapelle ihr Domizil hatte. Eines Abends tauchte einer von den Offizieren im Fernsehraum auf. Wir schauten uns an, was würde er wohl sagen, wenn wir auf den Klassenfeind umschalteten. Los umschalten sagte ich zu Arno. Der schloss die beiden Flachbatterien an das Fernsehgerät. Wir schauten an dem Abend die ARD. Der Offizier sagte nichts. Am nächsten Abend saßen fünf von der Sorte vorm Fernseher. Laut sagte ich in den Raum ohne jemanden direkt anzusprechen, ein schönes Fernsehprogramm, da kann man nur hoffen dass wir das auch in Zukunft schauen können. Einer der Offizier meinte, an uns soll es nicht liegen. Die Resis waren ganz in Ordnung. Wir kamen gut klar mit ihnen. Die meisten hatten sowieso keine Ahnung von der Technik und waren froh wenn sie ihre Ruhe hatten.
Vor Weihnachten sollte noch unser Zimmer auf Hochglanz gebracht werden. Meise holte Springer auf unser Zimmer. Eigentlich hatte sich eingebürgert das Sperling und Krause für unser Zimmer verantwortlich waren. Wurde es mit der Arbeit mal richtig dicke, holten wir uns noch den kleinen Müller dazu. So war es auch diesmal. Inzwischen kam man sich auch menschlich näher. Sperling wohnte in Dresden auf der Nürnberger Straße, das war gerade mal einen Kilometer weg von mir. Da gab es immer was zu erzählen. Krause war der Kleinste auf der Kompanie, Meise taufte ihn auf den Namen Krause – Huddel. Huddel war eine sächsische Bezeichnung für Nuckel. Beide hatten sich ganz gut an das neue Umfeld angepasst. Sperling war der Chef bei den Springern und Krause - Huddel der Giftzwerg. Das konnte man von dem kleinen Müller nicht sagen. Er war ein richtig ängstlicher Typ. Wer Angst hat macht auch viel verkehrt, so war es auch bei ihm. Wir hatten ihn den Namen Taumelmüller verpasst. Ich erklärte ihnen, wie die Reinigungsaktion abzulaufen hatte. Genauso wie ich im ersten Diensthalbjahr, mussten sie Betten und Spinde auf den Flur räumen und sich über den Fußboden her machen. Das rief bei ihnen natürlich keine Freude hervor, da mussten sie durch. Uschi stichelte immer wieder und beschäftigte die Springer mit sinnloser Zusatzarbeit. Ich sagte zu ihm, hör auf damit, wenigstens so lange bis sie mit ihrer Arbeit fertig sind. Eigentlich hätte ich schon eher einschreiten sollen. Krause hatte sich hochgeschaukelt und giftete gewaltig gegen Gott und die Welt. Anders ausgedrückt, gegen die EK`s und die Bewegung. So wie Bengert guckte konnte das nicht gut gehen. Nach Beendigung der Arbeit schnappte er sich Krause und Uschi zog ihm die Gasmaske über. Er wehrte sich verzweifelt, hatte natürlich keine Chance. Sie schraubten den Gasmaskenschlauch vom Filter ab und hielten ihn über den vollen Aschebecher und drückten den Schlauch zu. Ich stellte mich abseits und schaute zu. Natürlich hätte ich sagen können, Aus, Schluss aber ich wollte nicht. Krause war schon ganz schön ausfällig geworden aber ich hätte das anders gelöst.  Ich beobachtete wie sich die einzelnen Beteiligten verhielten. Dietmar zog sich zurück und setzte sich auf sein Bett, der Rest vom Zimmer war eifrig bei der Sache. Sperling kochte vor Wut, getraute sich aber nichts zu sagen und Taumelmüller viel vor Angst bald aus den Latschen. Als Krause die Luft so langsam aber sicher unter der Gasmaske knapp wurde, ließ Uschi den Gasmaskenschlauch los. Krause nahm einen gewaltigen Hieb aus dem Aschebecher.  Wer den Schaden hatte brauchte für den Spott nicht zu Sorgen. Aus pädagogischer Sicht war das ein Schlag ins Wasser, Krause wurde noch giftiger.
Im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage hatte sich der Batailloner Gedanken gemacht, wie er 90 Prozent der Soldaten in den Urlaub brachte ohne die Gefechtsbereitschaft zu beeinträchtigen. Ich fand das bemerkenswert, dass er sich für uns bemühte. Der alte Batailloner hatte die Truppe über die Feiertage gedrittelt, Zirl viertelte sie. Er schickte vor allem Junggesellen in die Vorweihnachtszeit. Sie bekamen vom 21. – 23.12. Urlaub. Außer Uschi bekam jeder von unserer Kompanie Urlaub. Ich konnte mir schwer vorstellen, das dass Zufall war. Irgendjemand wird es Roos schon zugetragen haben, die Geschichte mit der Gasmaske.
Aber nicht nur der Batailloner machte sich Gedanken. Auch die Verwandtschaft und die Freunde machten sich Gedanken. Es stapelten sich in den Spinden wieder die Stollen. Ich hatte Gott sei Dank in diesem Jahr nur einen bekommen. Aber Rudi hat vier Stück im Spind liegen. Da würden wir bestimmt noch Ostern davon zehren. Heinz hatte mir ein Paket mit Zigaretten geschickt, es enthielt eine Stange Club und eine HB. Das half wirtschaften, mit der Menge kam man ein Stück. Außer mir auf dem Zimmer rauchten, Meise und der lange Müller. Bernhard raucht auch hin und wieder Pfeife. Wenn er sie rauchte verbeitete sich ein angenehmer Geruch von Vanille. Die Umgangssprachliche Bezeichnung für die Tabaksorte war Pudding.
Die Vorweichnachtszeit hielt noch eine andere Überraschung parat. In den polytechnischen Oberschulen
hatte man in der 10. Klasse ein neues Fach eingeführt, den Wehrkundeunterricht. Die Jungen und Mädchen sollten auf die Armeezeit vorbereitet werden. Die Mädchen konnten sich für den Sanitätsdienst freiwillig melden. An einer Schule in Neustadt an der Orla sollte diebezüglich ein  Geländespiel stattfinden. Diese Ausbildung wurde von der Kampfgruppe eines ansässigen Betriebes organisiert. Begleitet werden sollte die Maßnahme von regulären Soldaten. Wie die gerade auf unsere Truppe kamen, blieb mir ein Rätsel. Denn bis Neustadt an der Orla waren es ca. 70 km. Auf den Weg nach Neustadt lagen zig Kasernen. Jedenfalls wurde ich mit zu der Schulveranstaltung abkommandiert. Früh 7.00 Uhr ging es los. Als wir in Neustadt ankamen hatte das Geländespiel schon angefangen. Feldwebel Scheinert teilte uns
den einzelnen Posten zu. Wir kamen zum vorletzten Posten nur Massi und ich waren noch nicht aufgeteilt.
Der Posten war der Verpflegungsposten. Beide wollten wir hier bleiben, wir losten. Das Glück war mir hold, ich durfte hier bleiben. Zwei Stunden später lag ich betrunken im Verpflegungszelt und schlief meinen Rausch aus. Von dem Geländespiel hatte ich nicht viel mitbekommen. Im Anschluß war Auswertung des Spieles in der Schule. Wir Soldaten waren mit eingeladen. Wie sich Lehrer so benehmen konnten, ich war richtig entsetzt. In zwei Gruppen gespalten beschimpften sie sich auf das Übelste. Sie wurden richtig persönlich. Solche Konsorten sollten einmal meinen Sohn unterrichten, das konnte doch nicht wahr sein. Das Verhalten der Lehrer  war schlichtweg asozial. Es stand neben jeglicher Norm. Einer der Lehrer hatte für uns Soldaten in einer Gaststätte Abendbrot organiesiert. Ich fragte ihn, ob das immer so an der Schule ist. Er schaute sich verstohlen um und sagte ja nicht nur an dieser. Ich wollte es ihm gerne Glauben, denn in der Lehre hatt ich andeutungsweise mitbekommen was hinter den Kulissen läuft.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Anschnitt, Freizeit und Anderes


Der November  ging dem Ende entgegen, wir näherten uns immer mehr den ominösen letzten 150 Tagen. Den Bandmaßanschnitt hatten wir auf das erste Novemberwochenende gelegt. Fleißig wurden schon die Alkoholvorräte gehortet. Im Vorfeld der Feierlichkeiten mussten noch die Springer festgelegt werden, die den Anschnitt vollzogen. Die Sattelfahrer suchten einen raus und wir Tankerfahrer legten ebenfalls auf einen fest, bzw. sie überließen es mir einen fest zu legen. Im Allgemeinen galt es als große Ehre für den Springer, dieses Ritual vollziehen zu dürfen. Ehrlich gesagt, ich war froh das man mich damals damit in Ruhe gelassen hatte. Schon die Anzugsordnung für den Springer fand ich sehr merkwürdig um nicht zu sagen  erniedrigend. Aber andere sahen es nicht so verbissen. Chaleri nahm einen Springer aus seinem Nachbarort Nochten. Ich hatte mich schon bei Zeiten auf einen Kandidaten festgelegt. Immer wenn die Neuen kamen schaute man ob ein bekanntes Gesicht darunter war. Diesmal kannte ich eines, wenigstens vom sehen. Der Frischling wohnte wirklich nur zwei Straßenecken entfernt von mir auf der Hübnerstraße. Eines Tages sprach ich ihn an. Genauso wie wir im ersten Diensthalbjahr standen die Springer auf den Flur und mühten sich die Zeltplane vorschriftsmäßig zu falten und sie hatten dieselben Schwierigkeiten damit, wie wir sie hatten. Ich ging zu ihm hin und erklärte ihm die kleinen Tricks. Neubert hatte mir damals auch geholfen. Ich fragte ihn ob er auf der Hübnerstraße wohnt, er nickte. Ich sagte, ich komm von der Winkelmannstraße. Er schaute mich an, jetzt wo du das sagst, klar habe ich dich schon einmal gesehen. Wir quatschten eine Weile bis Uffz. Remus sich darüber echauffierte. Ich sagte zu Holger, so hieß er mit Vornamen, lass den Remus nur spinnen, in ein paar Wochen lachst du darüber. Remus war der Uffz. der sich mir menschlich überhaupt nicht erschloss. Sein Wesen war wie eine erstarrte Maske. Schaute man ihn an wusste man nicht, ist es Hochmut, Dummheit, Eitelkeit oder nur Angst ihn zu durchschauen, die aus seinem Gesicht starrten. Chalerie meinte, der ist dumm, so einfach ist das. Er hatte sich des Öfteren mit Remus angelegt und polterte der wird so langsam fällig für die Schwarzdecke. Ich entschied, Holger wird unser Bandmaße anschneiden. Samstag am späten Nachmittag ging es los. Mit den Uffzen. gab es niemals Schwierigkeiten, denn in jedem dritten Diensthalbjahr wurde wenigstens einer von ihnen ein E. Wir verdunkelten den Korridor und stellten 22 Stubenhocker in Reih und Glied auf. Während wir uns in lockere Freizeitbekleidung schmissen, einige hatten sich von zu Hause einen Schlips besorgt, mussten unsere zwei Springer lange Unterwäsche anziehen. Das weiß der Unterwäsche war angemessen für unsere Feier. Dazu legten sie ihr schwarzes Koppel an und schlüpften in ihre  Knobelbecher . Als Kopfbedeckung trugen sie den Stahlhelm mit einer Kerze obenauf. Diese wurden dann kurz vorm Anschnitt angezündet. Wir schmückten unser Haupt wieder mit der Kragenbinde, die mit der Aufschrift EK 81 I versehen war und stellten uns auf die Hocker. In der Hand hielten wir unser ausgerolltes Maßband. Am anderen Ende des Maßbandes befestigten wir den Stahlhelm. Während der eine Springer ein Kopfkissen mit der Schere trug, schnitt der andere mit dieser den ersten Zentimeter ( 150 ) vom Maßband ab. Laut polternd schlug der Helm auf die Fliesen, wir schrieen  EK. Das ging 22 Mal so. Im Anschluss machten wir ein Gruppenfoto, zur Erinnerung an die schöne Feier. Überhaupt wurde diese Zeremonie von Dietmar bildlich genau festgehalten. Wir feierten bis in den Morgen, es war eine geile Feier. Als E hatte man reichlich Freizeit, wenn man nicht gerade Wache schob. Ich nutzte die Zeit um Conny mit Briefen einzudecken. Ich schrieb ihr nun fast täglich und bekam genauso viel Post von ihr. So war ich bestens über unseren Sohnemann informiert. Conny gestaltete die Briefe mit viel Liebe. Das ließ mich hoffen dass unsere Zeit nach der Armee eine Glückliche werden wird. Außerdem schrieb ich nun öfters mal an Nährius. Der diente ja in Berlin beim Wachregiment. Andreas hatten sie ein Jahr eher gezogen wie mich. Als Dreijähriger musste er noch ein halbes Jahr länger dienen . Dafür war er Unteroffizier. Aber ich glaube beim Wachregiment waren sie fast alle wenigstens Uffz. Man dachte nun schon öfters mal über den Wehrdienst nach. Für mich war es die richtige Entscheidung gewesen mit den 1 ½ Jahren. Diesen Stumpfsinn den man hier erlebte wollte ich keinesfalls 3 Jahre erleben und ich brauchte es ja auch gar nicht. Als Uffz. stand man auch immer zwischen den Fronten und selber waren sie sich untereinander auch nicht grün. Wenn ich solche Typen wie den alten Plattenschrank Werner sah und ihn mit Ammling verglich, da waren schon Welten dazwischen. Die konnten sich gar nicht grün sein. Das Einzige was ich interessant fand war der Offizier auf Zeit. Da gab es ordentlich Kohle und man war nicht irgendwer. Da ich kein Abitur hatte kam ich dafür nicht in Frage. Außerdem wusste ich bis zum Antritt meiner Dienstzeit gar nicht dass es so etwas gab. Aber im Großen und Ganzen war die Armee ein armseliger Verein, das spiegelte sich auch bei den Berufsoffizieren und Unteroffizieren im täglichen Leben wieder. Trost fanden sie oftmals nur im Alkohol und von unserer Truppe wurden immer wieder welche aufs Trockendock gepackt. Zurzeit war es Spritalfred. Mit Zapfenludi hatte ich um die Vorweihnachtszeit wenig zu schaffen, durch den Wachdienst. Aber wenn, brannte meistens die Luft. Kümmerli meinte zwischen Euch scheint der blanke Hass zu herrschen. Ich sagte zu ihm, das kannst du vergessen, an so einen Trottel verschwende ich keinen Gedanken. Als Luderer wieder mal die Schnautze so richtig voll hatte mit mir, bestrafte er mich mit der Säuberung des Zugführerzimmers. Ich trabte ab und schaute mich in der Bude erst einmal um, als die Tür aufging. Es war der Lückenhafte der erschien. Erstaunt fragte er mich, Müller was machst du denn hier? Der Oberleutnant hat mich zum reinigen her geschickt.  Der Lückenhafte schüttelte den Kopf und meinte typisch Luderer. Ich schick dir ein paar Springer, die tust du ordentlich beaufsichtigen. Natürlich schickte er mir die größten Lumperhunde und sagte, mach ihn ordentlich Dampf. Eine Stunde später kam Zapfenludi. Entsetzt sagte er, Müller sie sollten doch hier sauber machen. In seinem Gesicht spiegelte sich die Enttäuschung wieder. Ich sagte zu ihm, der Hauptmann hat befunden, solche Aufgaben stehen mir nicht zu und grinste. Jetzt war er richtig fassungslos, wie kann der Hauptmann gegen mein Befehl handeln. Lachend sagte ich, er ist der Ranghöhere und ließ ihn stehen. Vielleicht das nächste Mal, legte ich noch einen nach. Am nächsten Tag lief ich dem Major über den Weg. Müller schrie er, wie laufen sie denn schon wieder rum. Mit ihrer Frisur sehen sie wie die Zündis und Mopedisten aus. Dieser Ausspruch zählte mit zu seinen Lieblingssprüchen. Beliebter war nur noch, nehmen sie die Hände aus den Hosentaschen und hören sie auf Taschenbillard zu spielen. Jedenfalls jagte er mich zum Friseur. So unrecht war  mir das gar nicht, da waren sie zur Urlaubszeit um Weihnachten schon wieder ordentlich nachgewachsen. Persönlich brachte er mich zur Friseuse und plärrte rum, in einer Stunde sind sie wieder auf der Kompanie. Die Friseuse sagte zu ihm, Major sie sehen doch der Laden ist voll, das dauert wenigstens zwei Stunden. Müller dann kommen sie wieder mit, brüllte er. Die Gute sagte, Major der Einzige der hier in meinem Laden rumschreit das bin ich und Soldat Müller bleibt hier sitzen. Roos trabte ab. Lachend sagte sie zu mir, was der sich nur denkt. Ich enthielt mich jeden Kommentars,  denn schließlich saßen auch noch andere Offiziere rum. Die Friseuse war bei den Soldaten recht beliebt, kein Wunder bei den wenigen Frauen die in der Kaserne arbeiteten und hässlich war sie auch nicht. Es gab immer einige Offiziere und Berufsunteroffiziere die um sie herumschleimten. Auch heute saßen wieder solche Kandidaten herum, die ihre Schleimspur hinterließen. Umso neidvoller waren ihre Blicke als sie mir einen Kaffee anbot nachdem sie ihren Kunden die Murmel abrasiert hatte. Dabei machte sie öfters so etwas, vor allem bei den Soldaten, sie wusste ganz genau was wir verdienten. Das war ja kein Geheimnis. Genauso wenig wie das Trinkgeld was eine Friseuse in der DDR bekam. In der Regel entsprach es einen Monatslohn. Das sie zu mir besonders freundlich war lag mit Sicherheit an dem gestörten Verhältnis zu Roos. Wenn der seinen besten Kumpel den Bombenwilli in die Kaserne zum Haare schneiden bestellte, nahm er ihr ja die Kunden weg. Sie hatte sich schon ein paar Mal beim Batailloner beschwert. Aber Roos scherte ja so etwas wenig, der machte doch immer was er wollte. Das was hier ablief war die Rache der kleinen Friseuse und ich war das Mittel zum Zweck.
Dieses Jahr hatten die Zugführer aufgepasst und die Wasserscheider an den Tankern bei Zeiten leeren lassen. Aber nach wie vor mussten wir an die Fahrzeuge, um sie zu „warten und zu pflegen“. Bei diesen Temperaturen eine unangenehme Sache. Ich schmiss mich in mein Fahrzeug und stellte die Heizung an. Die Springer mussten aufpassen ob Offiziere im Anmarsch waren. Uns war es verboten die Heizung anzustellen. Aber mich interessierte es nicht. Die Offiziere saßen ja auch auf ihren Zimmern rum und wärmten sich ihr Hinterteil. Meistens kamen sie kurz vor 10.00 Uhr um uns zum zweiten Frühstück abzuholen. Frühstück war übertrieben, es war eher eine Kaffeepause. Mit dem Atomino brachten wir das Wasser in unseren Kameradenbetrügern zum kochen und brühten uns Kaffe, manche hatten auch Löslichen und ich hatte noch meinen leckeren schwarzen Tee vom ersten Diensthalbjahr. Lange würde der nicht mehr reichen aber Vater hatte mir eine große Dose löslichen Kaffee aus dem Intershop geschickt und dazu noch eine Büchse klare Rinderbrühe. Gerade in den Wintermonaten war dieser Extrakt eine feine Sache. Mit Dingen aus dem westlichen Ausland wurde Uschi von seinen Eltern so richtig eingedeckt. Aber er war der jenige von uns der damit am meisten geizte. Dietmar von unserer Truppe bekam am wenigsten von seinen Eltern zugesteckt. Ihm schob ich öfters mal was rüber.  Eines Tages kamen wir wieder auf das  Zimmer zum Frühstück. Unser langer Müller hatte sich die Handschuhe versaut, er wollte sie waschen. Wir passten nicht weiter auf. Plötzlich schrie Meise zu ihm, Mensch du spinnst wohl und wollte ihn auf die Finger schlagen. Doch bevor er dazu kam schmiss unser Langer den Atomino in die Waschschüssel. Nur war die Waschschüssel aus Alublech. Es funkte gewaltig. Vor Schreck griff er nach der Schüssel. Gott sei Dank erreichte Meise diesmal die Finger vom Langen rechtzeitig. Erst in dem Moment kam die Sicherung. So waren sie die lieben angehenden Akademiker. Kurz vor Weihnachten hatte ich noch ein paar Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Ich wollte unbedingt einmal 16.00 Uhr in den Ausgang. Denn 18.00 Uhr wenn der reguläre Ausgang begann hatten nur noch Kneipen auf. Massi wollte mit. Also sprachen wir beim Spieß vor. Der meinte, naja Jungs, morgen habe ich eine Spezialaufgabe für Euch, wenn sie erledigt ist könnt ihr gehen. Das regeln wir ohne den Zugführer. Ich gebe Euch die Ausgangskarten und ihr verschwindet. Am nächsten Tag nach dem Mittagessen trabten wir beim Hauptfeld an. Er drückt mir 4 Zimmerschlüssel in die Hand und sagte die Betten darin müssen bezogen werden. Im Dezember kommen Resioffiziere, da muss auf den Zimmern  Ordnung herrschen. Massi und ich schnappten uns jeder einen Springer und los zogen wir. Ich schloss das erste Zimmer auf, überrascht stellten wir fest, die Betten waren frisch bezogen. Genauso sah es in den anderen Zimmern aus. Während die Springer die Zimmer noch einmal durchkehrten und wischten holte ich den guten Löslichen und wir tranken erst einmal Kaffee. Denn so zeitig würde der Spieß uns nicht gehen lassen. Nach einer reichlichen Stunde rafften wir uns auf und suchten den Spieß. Wir suchten ihn eine ganze Weile, dann fanden wir ihn in  einem Zimmer eine Etage niedriger. Er hatte sich mit Penndorf und Werner dahin verkrümelt und sie spielten Skat. Hauptfeld, gib uns bitte die Ausgangskarten, bat ich ihn. Jetzt nicht sagte er, ihr seht ich spiele Skat. Ich schaute genauer hin und sah die halbleere Schnapsflasche am Stuhlbein vom Spieß und sagte zu ihm. Ehe du hier die große Lippe riskierst, höre auf zu saufen. Denke daran was du uns versprochen hast. Werner wollte aufbegehren. Massi sagte zu ihm, halt die Fresse du alter Plattenschrank oder wir machen dich rund du alter Spinner. Wohl oder Übel machte sich der Spieß auf, die Ausgangskarten zu holen.