Freitag, 25. März 2011

Judas


Nach der Vereidigung wurden die politischen Schulungen verstärkt. Uns wurde erklärt wir gehörten zur 4. Motorisierten Schützendivision (4.MSD). Der  Divisionsstab wäre in Erfurt. Die kampfstärksten Verbände dieser Division befänden sich in Bad Salzungen. Das wären Motschützenregimenter. Zu dieser Division gehört auch das 4. Panzerregiment in Gotha. Die Hauptaufgabe des TB 4 wäre es im Ernstfall das Panzerregiment 4 mit Schmier –  und Treibstoffen sowie Sprit zu versorgen. Da aber der Tatra nur begrenzt geländetauglich einsetzbar war, müsste der Sprit hinter der Frontlinie an kleinere Uraltanker abgegeben werden und diese brächten dann den Sprit in die vorderste Frontlinie.
Der Feind der uns gegenüberliegt wären die hessischen Eliteeinheiten der Bundeswehr. Wenn diese aus laufender Bewegung ( Manöver ) die DDR angreifen würden, käme der Angriff erst an der Oder – Neiße Grenze zum erliegen. Dieses müsse mit allen Mitteln verhindert werden. Aus diesem Grund würden Manöver oftmals auf  beiden Seiten gleichzeitig stattfinden. Ich versuchte solche Unterrichtsstunden zum Ausruhen zu nutzen und schaltete einfach ab. Bei der Erklärung warum der Soldat der sozialistischen Arbeiter und Bauernarmee ein politischer Soldat ist, fielen mir die Augen zu.
Nachdem wir vereidigt waren, wurde auch ein Rundgang durch das Gelände der Kaserne und in die Kompanien gemacht. Man erklärte uns während des Rundganges, die ehemalige Blumenthalkaserne ist in ihrer antifaschistischen Tradition in  Herman Danz umbenannt worden. In der Kaserne wären folgende Bataillone und Truppen untergebracht: Neben dem Transportbataillon befände sich da noch das Sanitätsbataillon 4, eine eigenständige Kompanie Feldbäcker und der Militärstaatsanwalt der Landstreitkräfte Süd. Im Gebäude der dritten Kompanie, also unserer Truppe, wären  noch die Militärkapelle und eine zivile Werkstatt der Sportschützen untergebracht. Der Pistolengriff des Olympiasiegers im Schnellfeuerschießen, Harald Vollmer, wäre hier gefertigt worden. Im Gebäude des Sanitätsbataillons befänden sich der Arzt und der Zahnarzt und in der Kaserne der Stabsoffiziere, wären noch die Funker untergebracht.
Auf unserer Stube tat sich auch einiges. Lutz Scheunert machte einen auf Fußlahm, das war eigentlich seine Sache und ich hatte Verständnis dafür. Wofür ich kein Verständnis hatte, waren seine Allüren. Er versuchte seine Stubenaufgaben auf Andere abzuwälzen. Bei einigen kam er damit durch. Eines Tages nahm mich Frank Spielvogel beiseite und meinte der versucht sich auf unsere Kosten einen Bunden zu machen. Ich habe ihn jetzt einmal gesehen, da wollte er seinen Vater am Kasernentor abholen und mit ihm in das Besucherzimmer gehen, da ist er wie ein Berserker zum KDL gerannt und hier jammert er uns vor er könne keinen Mülleimer runterschaffen, er könne keine Bohnerkeule schwingen und, und, und. Ich sagte zu Frank, das wird sich nächste Woche ändern, da bin ich der Stubenälteste. Ich scheuchte den lieben Lutz, das ihm hören und sehen verging.
Abends war wieder Stubenappell, ich macht Meldung. Werner hatte denkbar schlechte Laune und Heini hatte vergessen den Mülleimer runter zu bringen. Dann machte er noch Fußkontrolle ob wir sie richtig gewaschen hätten. Er hatte Andreas Steiger in der Mache, angeblich würden seine Füße vor Dreck stehen. Andreas hatte starke Beinbehaarung die Haare gingen bis auf den Fußrücken. Am nächsten Morgen wurden wir beim Morgenappell bestraft, ich als Stubenältester weil ich nicht richtig kontrolliert hatte, Heini wegen dem Papierkorb und Andreas wegen schmutziger Füße, mit drei Arbeitsverrichtungen außer der Reihe. Alles war wieder nur eine Farce. Die E’s hatten Druck gemacht, der Heizer brauchte Leute die ihm die Kohlen in den Kohlenbunker beförderten. Der Heizer schlief auf unserer Kompanie und war selber ein E. Das er auf unserer Kompanie schlief, war ein riesiger Vorteil für uns, das begriffen selbst wir Frischlinge bei Zeiten. Früh wurde unser Heizungsstrang gleich nach dem der Stabsoffiziere aufgedreht. Zum Wecken waren die Zimmer schon überschlagen. Noch wichtiger war der Heizer, wenn es ums warme Wasser ging. Laut Dienstvorschrift stand es uns einmal in der Woche zu. Wir hatten als einzige Kompanie jeden Tag welches, wenigstens zum Waschen und für die Zahnhygiene. Warm duschen war nicht. Das warme Wasser für die zwei Duschen reichte nicht für alle. Zuerst ging der E duschen, dann der Vize. Für uns blieb nur kaltes Wasser.
Jedenfalls mussten die gelieferten Kohlen schnellstens von der Straße in den Bunker, denn sie versperrten die Hälfte der Straße. Heini meinte lassen wir uns Zeit bei der Arbeit, dann nehmen sie das nächste Mal andere. Ich sah das etwas anders und dachte so bei mir, wenn du deine Arbeit ordentlich machst, lassen die dich in Zukunft damit in Ruhe. Also schaufelte ich in kürzester Zeit 5 Tonnen Briketts in den Bunker. Der Heizer bekam es genau mit, wer da schaufelte und wer nicht. Total begeistert meinte er, Müller ich werde dafür sorgen dass du ab Morgen jeden Tag hier erscheinst. Heini und Andreas grinsten und ich hätte mir am liebsten in den Hintern gebissen, wie konnte man nur so blöd sein. Im Nachhinein stellte sich raus, so verkehrt war die Sache gar nicht. Ich wurde von allen Arbeiten auf der Kaserne befreit. Während meine Kameraden sich mit dem Stubendienst und Pampelarbeiten rumplagen mussten, verschwand ich in der Heizung. Ein Zuckerschlecken war das auch nicht, es war körperlich eine sehr schwere Arbeit, aber ich hatte meine Ruhe. Niemand ging mir auf den Beutel. Nach dem die Kohlen im Bunker verschwunden waren, unterwies mich der Heizer in der Kunst des Heizens. Im Heizungskeller standen drei große Stahlkessel, jeder war Schätzungsweise  3 Meter hoch und 2,00 x 2,00 breit und tief. Zuerst musste Asche gezogen werden, eine unglaubliche Hitze schlug einem entgegen. Der Staub brannte sich in die Augen. Die Asche musste erst einmal erkalten ehe sie in die Tonnen konnte. In zwischen schaufelte ich die drei riesige Kohlenkarren zweimal voll und schüttete sie von oben auf das Feuer. Eine Kohlenkarre war mindestens so groß wie fünf normale Schubkarren. Im Anschluss mussten die Karren wieder gefüllt werden, damit der Heizer morgens gleich loslegen konnte. War diese Arbeit verrichtet musste die Asche in die Tonnen befördert werden. Eine dreckige, schmutzige Arbeit. Danach kamen die Tonnen an den Kranhaken und wurden nach oben befördert. Dort nahm ich sie ab rollte sie zum Mülltonnenplatz und nahm jeweils eine leere Tonne mit nach unten. Im Schnitt waren es fünf Tonnen. Nach getaner Arbeit war duschen angesagt. Die E`s standen schon im Waschraum und warteten aufs warme Wasser. Der Heizer der mit bürgerlichen Namen Nimitz hieß bekleidete mich mit in den Waschraum und sagte zu seinen E`s, Müller geht als erster duschen. Ein gewaltiges Spektakel begann, Müller du Springschwein, du hast wohl absolute Höhe brüllte Schleicher. Nimitz sagte zu ihm, lass ihn in Ruhe sonst schippst morgen du die Asche. Beide kriegten sich in die Haare.  Nimitz zeigte wer den längeren Arm hatte und meinte zu den E`s, wenn ihr morgen kein warmes Wasser habt könnt ihr Euch bei Schleicher bedanken. Wohl oder übel ließen mich die E`s in Ruhe. Nach dem duschen sagte ich zu Schleicher, bis zum nächsten Mal Schmittchen. Wütend schmiss er mir die Seife hinterher. Voller Spott rief ich und treffen kann er auch nicht. Ich musste jetzt jeden Tag nach Dienstschluss antraben um die Heizung auf Vordermann zu bringen. Nimitz hatte die Dusche die sich für den Heizer im Keller befand reparieren lassen. So gehen wir jedem Ärger aus dem Weg und du hast deine Ruhe, meinte er und  hatte Recht.
Nimitz und der Gefreite Neubert waren die ältesten Soldaten auf der Kompanie. Sie zählten zu den wenigen Soldaten die nicht aus dem Bezirk Dresden kamen. Nimitz war Thüringer und Neubert kam aus dem Bezirk Karl – Marx – Stadt. Beide wurden kurz vor der Vollendung des 26. Lebensjahres gezogen und gingen nun straff auf die 28. Der Buschfunk hatte es schnell verbreitet, beide hatten als 18 – jährige im Knast gesessen, wegen versuchter Republikflucht. Ich staunte, was die Roten alles zur Armee zogen, das war schon paradox.
Abends kam Uffz. Werner auf die Stube und brüllte wo ist Soldat Massi. Lutz war wegen nichts zu einer Arbeitsverrichtung außer der Reihe verknackt worden, musste aber für Nimitz einen Weg erledigen. Ich sagte zu Werner, ich übernehme die Arbeit für Soldat Massi er ist für Nimitz einen Weg erledigen. Diese Äußerung von mir hatte ungeahnte Folgen. Am nächsten Tag ging ich in Trainingsachen ( allgemeine Freizeitbegleitung ) gerade die Treppe in der Kompanie herunter, als mir Nimitz wütend entgegenkam und mich fragte wo ist der Massi das alte Springschwein? Der hat mich bei Werner verpfiffen. Ich sagte zu ihm, dich hat niemand verpfiffen. Werner hat Massi gesucht und ich habe gesagt er ist für dich einen Weg erledigen, das war alles. Er starrte mich an und ansatzlos schlug er mir die Faust ins Gesicht. Ich flog gegen die Wand. Meine Lippe war aufgeplatzt und schwoll an. Fassungslos sagte ich zu ihm, das hast du nicht umsonst gemacht, ihr denkt wohl mit uns könnt ihr alles machen. Ich mache jetzt Meldung, aber nicht beim Major, ich gehe in den Stab, du weist ja wie es im Knast ist, aber Schwedt ( Armeeknast )  soll ja noch ein ganzes Stück schärfer sein. Ich drehte mich um und ging Richtung Zimmer. Nimitz stand wie angewurzelt. Auf der Stube befanden sich 3-4 Mann. Spielvogel Frank sagte, Mensch wie siehst du denn aus. Wortlos zog ich mir die Dienstuniform an und wollte gerade in den Stab gehen. Da ging die Türe auf, Nimitz trat ein, kalt sagte ich zu ihm, was willst du hier, verschwinde. Nimitz sagte, ich will mich bei dir entschuldigen. Ich gebe dir meine ganzen Zigaretten und den Rest meines Soldes. Er legte alles auf den Tisch. Ich habe eine Frau und zwei Kinder zu Hause. Ich sagte zu ihm, eigentlich hast du das schon vor deiner Aktion gewusst, steckte mir eine Schachtel Zigaretten ein und zog meinen Trainingsanzug wieder an. Den Rest kannst du wieder mitnehmen. Er sagte Danke. Keiner lachte, niemand fragte und ich sagte nichts. Trotzdem wusste am Abend die ganze Kompanie, was passiert war. An diesem Abend brachte er mir noch zwei Flaschen Bier rüber.
Am nächsten Tag waren wieder Politschulungen auf dem Dienstplan, Leutnant Luderer wollte unter anderen eine FDJ – Versammlung abhalten. Einige meinten beim Morgenappell sie wären nicht in der FDJ. Der Kompaniechef wollte es genau wissen und brüllte schon wieder rum, die Soldaten vom ersten Diensthalbjahr die behaupten nicht in der FDJ zu sein sollen einen Schritt vortreten. Danach jagte er Oberleutnant Lück los, die Kaderakten holen. Er verglich die Aussagen der Soldaten, mit denen die sie bei der zweiten Musterung gemacht hatten. Bei nur einem stimmten beide Aussagen überein und der eine war ich. Erbost meinte er, sie schon wieder Müller. Treten sie heraus und stellen sie sich zu den andern vom zweiten und dritten Diensthalbjahr. Mit ihnen befasse ich mich gesondert. Die Kompanie trabte ab in den Versammlungsraum. Wir fünf  Nicht – FDJ mussten den Flur kehren. Es war mir eine tiefe und innere Befriedigung, das sich daran auch die drei E’s und der eine Vize beteiligen mussten.
Inzwischen hatten wir den Ersten von achtzehn Monaten hinter uns, der Dezember senkte seine Schatten hernieder. Wir vom ersten Diensthalbjahr mussten nun lernen, was alles in Teil 1 und Teil 2 hineinkommt und wo genau welches Gepäckstück zu sitzen hat. Das Packen üben wurde auf dem Flur der Kompanie durchgeführt. Gefreiter Neubert schlich mehrmals über den Flur und meinte zu uns: Ein deutscher Soldat fällt niemals im Krieg, er schleppt sich zu Tode. Wenn ich das Gepäck betrachtete, konnte ich ihm nur recht geben. Immer und immer wieder packten wir das Zeug, wie Essgeschirr, Schreibzeug, Unterwäsche, usw. ein und aus. Für eine kleine Revolte sorgte der Umstand, dass wir einen frankierten Briefumschlag mit der Heimatadresse einpacken mussten. Das sie nicht einmal 20 Pfennige für den Fall der Fälle übrig hatten.
Ein Schund für uns war das Legen der Zeltplane mit dem Zubehör. Die Zeltplane wurde wie ein offenes Viereck über das Teil 1 gebunden, dabei mussten die nach unten gebogenen Seitenstücke gleich lang sein. Das ließ sich aber nur bewerkstelligen, wenn die festen Zubehörteile die in der Zeltplane  eingewickelt waren an der richtigen Stelle lagen und nicht herausfallen konnten. Neubert sah mir zu, wie ich mich mühte und lächelte dabei. Er meinte, Junge so wird das nie was, das musst du alles ganz anders machen. Er zeigte mir die Tricks und siehe da es war alles kein Problem mehr. Uffz. Werner brüllte rum, Gefreiter Neubert verschwinden sie, lassen sie die Soldaten in Ruhe. Neubert gab ihm die Antwort, Werner du dummer Tagesack halt die Klappe, du taugst doch zu nichts außer zum rumbrüllen. Werner ging zum Major und wollte sich beschweren. Roos kam gerade aus seinem Dienstzimmer und Werner machte Meldung. Roos seine Antwort war vernichtend für Werner, lassen sie den Gefreiten in Ruhe, der weiß mehr über Fahrzeugtechnik, wie sie jemals in ihrem Leben wissen werden. „Taktvoll“ wie der Major war brüllte er es so laut das es jeder hören konnte. Der Spott war Werner gewiss.
Teil 1 und 2 kamen auf den Spind zur Gasmaske und dem Stahlhelm, wobei das Teil 2 nur vorübergehend da lag. Wenn wir unsere Fahrzeuge übernommen hatten, sollte es dann in der Fahrerkabine deponiert werden.
Der zweite Montag im Dezember kam heran, Tag der Parteiversammlung. Bei uns aus dem Zimmer war ja keiner in der Partei. Meine Kameraden konnten sich dem Stubendienst widmen. Ich zog mir meine Schwarzkombi über und wollte gerade in den Heizungskeller verschwinden. Da wurde die Tür aufgerissen, Scholz Frank, inzwischen unser Stubenältester, rief Achtung als der Major eintrat. Sofort polterte Roos, Soldat Scheunert brauchen sie eine Extraeinladung wir warten nur auf sie. Betroffen schauten wir uns an, nicht das wir gegen einen Genossen generell etwas hatten, aber gegen so einen schon. Ich hatte ihn gefunden meinen wahren Feind, da brauchte ich gar nicht über die Grenze zu schauen. Solche miesen Typen gab es überall und jetzt hatten wir auch so einen auf dem Zimmer.

Mittwoch, 23. März 2011

Die Vereidigung



Die nächsten Tage brachten den Jungs eine harte Ausbildung. Mir blieb das durchs Penndorfs Blödheit erspart. Ich war noch immer Innendienstkrank geschrieben. Die Blutblase am rechten Fus hatte sich entzündet. Uffz. Werner scheuchte und schliff seine Rekruten auf dem Drosselacker. Der Drosselberg war einer der Berge, die die Silhouette von Erfurt bildeten. Auf diesem befand sich ein kleiner Schieß und Ausbildungsplatz, genannt der Drosselacker. Meistens mussten die Jungs die 10 km dahin in voller Montur marschieren und selbstverständlich auch wieder zurück. Auf dem Drosselacker übten sie den Sturmangriff, Schützenlöcher bzw. Gräben schaufeln. Wie man eroberte Schützengräben von Verletzten „säubert“, wie man effektiv mit dem Seitengewehr tötet und noch viele andere „nette und interessante“ Sachen. Uffz. Werner war in seinem Element. Auf dem Nachhausweg hatte er immer eine Spezialübung auf Lager. Beliebt waren bei ihm Sachen, wie Laufschritt mit Gasmaske auf dem öffentlichen Terrain. Eines Tages übertrieb er es. Er ließ seine Rekruten vor einem Dorfkonsum mit Gasmaske in Stellung gehen und wer nicht schnell genug war, den unterzog er einer gesonderten Behandlung. Das waren gymnastische Turnübungen unter der Gasmaske. Er hatte die Kaserne noch gar nicht erreicht da lagen schon die ersten Beschwerden der Zivilbevölkerung beim Bataillonschef auf dem Tisch. Werner musste zum Rapport. Gib einem Arsch mit Ohren eine Uniform und er versinkt im Machtrausch.
Wenn die Jungs rein kamen sahen sie gewöhnlich wie Schwein aus. Ich half ihnen beim säubern der Sachen. Abends war wie immer Stubenreinigen angesagt mit anschließendem Stubenappell. Jeder Soldat hatte vor seinem Spind zu stehen. Der Stubenälteste, rief Achtung wenn der oder die Unteroffiziere erschienen und klopfte seinen Spruch. Alles lief nach dem gleichen Schema ab, Stubenältester Paulick, 9 Soldaten und ein Unteroffiziersschüler zum Stubenappell angetreten. Meistens kamen sie zu dritt, Uffz. Werner, Uffz. Penndorf und Uffz. Graichen. Während Werner und Penndorf sich in solche Sachen reinsteigerten hielt sich Uffz. Graichen auffällig zurück. Graichen wusste ganz genau wo es lang ging. Seine Dienstzeit endete mit der Unseren und er wollte es sich nicht mit denen verscherzen, die mit ihm nach Hause gingen. Eines der vielen ungeschriebenen Gesetze bei der Armee. 
Werner stank es gewaltig dass ich Innendienstkrank war. Mit Penndorf nahm er meinen Spind unter die Lupe und Tatsache sie fanden etwas. Ich hatte an der Ausgangsbluse, die falschen Knöpfe geschlossen und die Jacke der Wattekombi hatte ich vergessen zu zuknöpfen. Werner bekam einen Schreikrampf, unmöglich der Kerl und kippte mit Penndorf meinen Spind nach vorne um. Es war ihnen natürlich verboten so etwas zu machen aber sie fühlten sich im Rausch der Macht. Nur war Werner zu blöd so etwas richtig zu machen. Bei dem Umkippen des Spindes hatten sie nicht aufgepasst. Der Spind viel auf meine Schirmmütze und zerschlug den Plasteschirm an der Vorderseite der Mütze. Ich sagte, wenn der Zugführer das sieht, reicht das bestimmt für eine Degradierung. Werner wurde blass und sagte zu Penndorf, bis morgen früh brauchen wir eine neue Mütze und im übrigen hätte er es nicht so gemeint mit dem Umkippen. Dann richtete er mit Penndorf den Spind wieder auf. Steiger Andreas, einer von meinen Kameraden schüttelte verächtlich den Kopf. Im Anschluss räumten meine Kameraden und ich den Spind wieder ein.  Was mich verwunderte, die Uffze. hatten ganz schön zu kreiseln um mir eine neue Mütze zu verpassen. Es dauerte mehrere Tage bis sie eine hatten. An diesem Abend beschlossen wir enger zusammenzurücken. Wir das waren:
Guido Paulick
Thomas Kuchta
Andreas Kempe
Andreas Steiger
Bernd Heininger
Frank Spielvogel
Lutz Massi
Lutz Scheunert
Frank Böhr
Thomas Müller

Andreas Steiger fragte, ist einer von Euch in der Partei dann soll er es jetzt sagen, das wäre ehrlich. Alle schüttelten den Kopf.
In den nächsten Tagen versuchten die Unteroffiziere ihren Unteroffiziersschüler immer mehr auf ihre Seite zu ziehen. Das gelang ihnen auch problemlos. Sie holten ihn in ihr Zimmer, im Gegensatz zu den Soldatenzimmern lagen auf den Unteroffizierszimmer nur 4 Personen. Bei Werner im Zimmer war noch ein Bett frei. Schnell merkte Böhr das er nun zum persönlichen Pampel von Werner wurde. Am letzten Tag meines Innendienstkrank ging ich nach dem säubern der Offizierszimmer auf meine Stube. Jemand hantierte an dem frei gewordenen Spind herum. Als ich eintrat schaute er sich erschrocken um und nahm Haltung an. Lachend sagte ich, vor mir musst du das nicht machen ich bin auch nur ein Springer. Erleichtert sagte er, da wo ich herkomme mussten wir auch vor den E`s Haltung annehmen. Ich schaute auf seine Schulterstücke, er hatte welche mit weißer Umrandung. Kommst wohl von den Muckern ( Motschützen ) fragte ich, er nickte und sagte ich bin hierher versetzt worden. Ein Zuckerschlecken ist das hier auch nicht aber bestimmt besser wie bei den Muckern, antwortete ich, davon war ich fest überzeugt. Er streckte mir seine Hand hin und meinte, Scholz, Scholz Frank .
Ich bin Thomas und schüttelte seine Hand.
Am nächsten Tag musste ich wieder aktiv am Dienst teilnehmen. Es war Exerzieren angesetzt. Bis zur Vereidigung musste es perfekt klappen. 95% der Soldaten hatten es gut drauf. Nach einer Woche war noch einer übrig, bei dem wollte es überhaupt nicht klappen. Es war auch noch der Längste von uns neuen Rekruten. Im Chargon der NVA hießen solche Leute Passgänger. Eigentlich konnte er nichts dafür, die Natur hatte es eben so eingerichtet. Wenn beim Marschieren das rechte Bein nach vorne ging, bewegte sich der rechte Arm nach hinten. Beim Passgänger war das anders, da machten der rechte Arm und das rechte Bein, die gleichen Bewegungen. Penndorf meinte, da hat man jedes halbes Jahr welche darunter aber das wäre ein besonders hartnäckiger Fall. Der arme Kerl wurde jeden Tag nach Dienstschluss 1 bis 2 Stunden geschliffen. Es war wie eine Gehirnwäsche, nach 14 Tagen hatte er es geschafft und die Tortour war vorbei. Zwischenrein war immer mal wieder Theorie. Wir mussten die Dienstgrade der NVA aus dem FF beherrschen.
Soldaten              Unteroffiziere                Fähnriche
Soldat                  Unteroffizier                  Fähnrich                     
Gefreiter             Unterfeldwebel              Oberfähnrich    
Stabsgefreiter     Feldwebel                       Stabsfähnrich              
                             Oberfeldwebel                Stabsoberfähnrich                              Stabsfeldwebel                                                           
                                                                                  
                                                                                                                 

Offiziere                            Generäle                     Marschal der DDR
Unterleutnant                     Generalmajor
Leutnant                             Generalleutnant
Oberleutnant                      Generaloberst
Hauptmann                         Armeegeneral                                    
Major                   
Oberstleutnant                                                                  
Oberst                                                                                       

                                                                                                                                                             
Die E`s meinten immer es gibt sowieso nur zwei richtige Dienstgrade bei der NVA, den Gefreiten und den General, denn beides fängt mit G an. Apropo E’s, der merkwürdigste von ihnen war Fähnrich Guse, seines Zeichens Hauptfeld. Er hatte  fast 25 Jahre bei der Armee gedient. In 14 Tage stand seine Entlassung an. Ihm ging fast alles am Hintern vorbei. Bei der NVA wurde ende der siebziger Jahre der Dienstgrad Hauptfeldwebel außer Kraft gesetzt. Dafür wurden die Fähnrichdienstgrade eingeführt. Der Begriff Hauptfeldwebel wurde nur noch als Dienstrang geführt. Im Sprachgebrauch sagte man, der Hauptfeld und der war für Ausgang und Urlaub zuständig. Eine Schlüsselposition in jeder Kompanie. Wer 25 Jahre bei dem Haufen war, dem konnte man nichts vormachen. Ich war froh dass er nach Hause ging. Einmal erlebte ich wie er 5 Soldaten vom zweiten Diensthalbjahr den Ausgang verhagelte. Bevor sie in den Ausgang gingen kontrollierte der Fähnrich die Anzugsordnung. Den Ersten ließ er abtreten, weil die Ausgangsbluse nicht ordentlich gebügelt war, den Zweiten lies er wegtreten, weil die Bügelfalte in der Hose nicht exakt war, beim Dritten stellte er fest ein Jackenknopf war nicht richtig angenäht, beim Vierten waren die Haare zu lang und der Fünfte hatte keine langen Unterhosen an.  Bei der NVA musste lange Unterwäsche im Sommer wie im Winter getragen werden. Das Material aus dem die Uniformen gefertigt wurden, waren so rau, das man sich einen Wolf laufen konnte. Damit war nicht zu spaßen. Aufgeriebene Oberschenkel im Schritt war eine schmerzhafte und unangenehme Sache. Mit drei Stunden Verspätung kamen die Soldaten zu ihrem Ausgang.
In einer Woche sollte Vereidigung sein alle Vorbereitungen liefen auf vollen Touren. Erstmalig in der Geschichte des Bataillons sollten die Rekruten nach der Vereidigung  2 Stunden Ausgang erhalten um mit den Angehörigen das würdige Ereignis zu feiern. Immer wieder wurde der Ablauf geübt. Irgendein Vorgesetzter betete den Fahneneid vor und wir Soldaten plapperten ihn nach. Mir war schon klar dass dieser Eid einen erst richtig zum Soldaten machte. Dann war man für seine Taten selber verantwortlich, trotzdem hob mich die Sache nicht an. Der Ausgang war mir wichtig, meinen Vater und Bruder zu sehen und vor allem Conny.

Der Fahneneid

Ich schwöre
Der Deutschen Demokratischen Republik ,
Meinem Vaterland, allzeit treu zu dienen
Und sie auf Befehl der Arbeiter und Bauern – Regierung
Gegen jeden Feind zu schützen

Ich schwöre
An der Seite der Sowjetarmee und den Armeen
Der mit uns verbündeten sozialistischen Ländern
Als Soldat der nationalen Volksarmee
Allzeit bereit zu sein,
den Sozialismus gegen alle Feinde zu verteidigen
und mein Leben zur Erringung des Sieges einzusetzen.

Ich schwöre
Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter
Und wachsamer Soldat zu sein.
Den militärischen Vorgesetzten
Unbedingten gehorsam zu leisten
Die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen
Und die militärischen und staatlichen Geheimnisse
Immer streng zu wahren.

Ich schwöre
Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben,
Die militärischen Vorschriften immer zu erfüllen
Und immer und überall die Ehre unserer Republik
Und ihrer Nationalen Volksarmee zu wahren.
Sollte ich diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen,
so möge mich die harte Strafe des Gesetzes unserer Republik
und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.

Die E’s auf der Kompanie tobten. Ausgang zum Fahneneid, wo gibt es denn so was, das habt ihr nicht drauf. An dem Abend war auf dem Gang die Höhle los. Ein furchtbares ratschen, poltern und brüllen war zu hören. Es ging immer ratsch, ratsch, ratsch in einer unheimlichen Lautstärke, dann polterte ein Metallgegenstand über den Flur der irgendwo Einschlug unter dem frenetischen Geschrei der EKs. Massi sagte ich geh auf die Toilette und schau mal was die machen. Er trat durch die Zimmertür, schon brüllte es auf dem Gang. Verschwinde du Springschwein oder du bist fällig. Eilig kam Lutz wieder ins Zimmer und sagte die machen EK – Kugeln. Mit den Stubenhockern ratschen sie über die Riffelfließen und fangen mit den Hockern die Kugel ab. Das ging die nächsten zwei Stunden so. Immer wieder grölten sie das Lied, he Buckels lasst uns doch in ruh. Das war die EK Version des Pink Floayd Liedes Another brick in the Wall, das seit Wochen in den westdeutschen Hitparaden auf Platz 1 lag. Am nächsten Morgen wusste es der Major, Der Uffz. vom Dienst (UvD) und der Gehilfe des Uffz. vom Dienst (GUvD) hatten es dem Offizier vom Dienst (OvD) gemeldet. Dieser wiederum hat es dem Major gesteckt. UvD’s und OvD’s gab es in jeder Kaserne der NVA. Das war ein 24 Stundendienst. Danach wurden sie abgelöst und neue Offiziere bzw. Uffze. übernahmen den Dienst. Sie waren in erster Linie für die militärische Ordnung auf der Kompanie und in der Kaserne verantwortlich. Beim Morgenappell tobte der Major wie ein Wahnsinniger, er ließ den UvD mit einem Besenstiel die Fließen abklopfen und bei jeder Fließe die hohl klang, brüllte er wie vom Affen gebissen, das bezahlen die E’s. Mit einem Schlag wurde mir klar, der kann einfach nicht gesund sein, kein Wunder das er als Major nur den Rang eines Kompanieführers begleitete. Was die E’s gemacht hatten war nicht nur nicht in Ordnung, es war auch verboten. Die Stahlkugel die sie über den Gang gerollt hatten, war eine abgesägte 10 kg Handel gewesen. Aber das EK – kugeln war ein altes Ritual in der NVA und allgemein bekannt und nicht nur bei der Armee. Als Hauptschuldigen machte er den Gefreiten Schleicher aus, wie er gerade auf ihn kam blieb mir ein Rätsel. Er brüllte ihn an, ich lasse sie degradieren. Nur hob den das überhaupt nicht an. In seiner Wut brüllte er weiter, ich lasse ihre Frau herbestellen, damit sie mal sieht was sie geheiratet hat. Die Kompanie johlte vor Freude, Schleicher hatte schon lange keinen Urlaub mehr gehabt. Für ihn war es eher wie eine Auszeichnung seine Frau sehen zu dürfen. Schleicher meinte, wenn die Armee die Zugfahrt bezahlt wird sie sicherlich kommen. Das regle ich schrie der Major in seiner Rage. Was ich nicht für möglich gehalten hatte, Frau Schleicher kam wirklich in die Kaserne. Für beide war das Wiedersehen eine glückliche Fügung. Als Gefreiter Schleicher über den Gang schlurfte den ich gerade kehren musste, sagte ich zu ihm, na Schmidchen – Schleicher da hast du aber Glück gehabt. Er meinte, warte Müller, du bist auch noch dran. Zwei Tage später sagte Uffz. Werner zu mir,  los Müller Klo schruppen und schöne Grüße von Schleicher. Es machte mich nicht an.
Am Wochenende war Vereidigung. Ich war  mächtig aufgeregt. Es war schon wie ein kleines Wunder gewesen das wir mal Zeit fanden einen kurzen Brief an unsere Angehörigen zu schreiben, um die Mitteilung durchgeben zu können, was, wann, wie und wo. Einen Tag vor der Vereidigung kündigte sich auf der Kompanie Besuch an. Die Stabsoffiziere und Major Schmalz der Chef der A - Kompanie wollten sich über das Wohlergehen der neuen Rekruten erkundigen. Wir warteten in unseren Zimmern auf die Buckel ( Schimpfwort für Offiziere, der Name Buckel kam von den vielen Tagen, die sie noch ab zudienen hatten ). Die Tür ging auf, Major Schmalz betrat die Stube, Uffz. Werner brüllte Achtung, wir sprangen von den Hockern auf, Werner machte Meldung. Schmalzig erkundigte sich dieser Uhu, wie es uns geht. Stellte sich in unsere Mitte und machte einen auf Kumpel. Wollte von jedem wissen, was er im zivilen Leben macht. Uffz. Werner brüllte in seiner Dummheit, ich will Polizist werden, Genosse Major. Der Schmalzige fand lobende Worte dafür. Hinter vorgehaltener Hand, pinkelte ich mir vor lachen bald ein. So dumm wie der war, gab es gar keinen besseren Beruf für ihn. Das war auch der Wendepunkt in der Einstellung von uns zu ihm gewesen. Stück für Stück verlor er das noch letzte bisschen Ansehen. Als die beiden Vögel das Zimmer verlassen hatten, meinte Thomas Kuchta, dass hätten sie voll stecken lassen können.
Am nächsten Tag in der 10 Stunde trudelten Conny, Vater und Tobias ein. Ich holt sie am Kasernentor ab und ging mit ihnen in das Besucherzimmer. Ich erläuterte ihnen den Tagesablauf. Conny meinte du bist schmal geworden. Ja, das liegt am schlechten Essen antwortete ich. Das Essen in der Kaserne war wirklich ein Fraß. Und bei Dir, wie sieht es da aus? Sie knöpfte den Mantel auf, ein kleiner Bauch war schon zu sehen. Ich musste zurück auf die Kompanie mich für die Vereidigung umziehen. Flux schlüpfte ich in meine Ausgangsuniform. In dem Wintermantel hing ich drin wie ein Schluck Wasser. Der war mir wenigstens zwei Nummern zu groß. Selbst Uffz. Werner viel das auf, der sonst nicht viel merkte. Mensch Müller, wie sehen sie denn aus, eine Vogelscheuche ist nichts gegen sie, brüllte er. Sehen sie zu das sie in der Kleiderkammer einen neuen Mantel bekommen, ich rede gleich mal mit Uffz. Graichen. Graichen war für die Kleiderkammer verantwortlich und schaute ob er noch einen Ersatzmantel fand. Er hatte einen, der war aber immer noch zu groß, es sah aber schon viel besser aus. Die Vereidigung fand auf dem Exerzierplatz statt. Das Primbramborium  dauerte ungefähr eine Stunde, dann stand der Ausgang an. Im Vorfeld hatten die Uffze. uns schon klar gemacht, was denjenigen erwartet, der versucht Alkohol in die Kaserne zu schmuggeln oder nur eine Minute zu spät aus dem Ausgang kommt.
Vater lud uns zum Mittagessen ein. Er wollte unbedingt in dem Hotel essen, wo einst Willi Brandt genächtigt hatte. Das Hotel befand sich unmittelbar vor dem Erfurter Hauptbahnhof. Es hieß der Erfurter Hof. Mit Vaters Auto waren wir schnell dort. Die Zeit verging wie im Flug. Ich musste zurück in die Kaserne. Vorher kaufte ich im Bahnhof noch zwei große Flaschen Goldbrand. Bevor ich mich von Conny, Vater und Tobias verabschiedete, passte ich auf ob die Soldaten am KDL (Kontrolldurchlass) uns nach Alkohol kontrollierten. Das machten sie nicht, also wusste ich, sie werden uns auf der Kompanie kontrollieren. Wie immer verabschiedete ich mich kurz und schmerzlos von meinen Dreien und machte mich in die Kaserne, bloß nicht über den Abschied nachdenken war die Devise. Ehe ich auf die Kompanie ging, verschwand ich erst einmal im Keller und versteckte die Schnapsflaschen. Dann stieg ich die Treppen hinauf zur Kompanie. Mit dem UvD lauerten schon die anderen Uffze. auf uns. Ich musste meinen Mantel ausziehen, Leibesvisitation war angesagt. Bei keinem von uns fanden sie Alkohol. Konnten sie auch nicht, denn ich war der Einzige von uns der welchen eingeschmuggelt hatte. Kempe Andreas wollte wissen, wie ich ihn hochbringen will. Nichts einfacher als das meinte ich. Beim Stubensäubern werde ich heute den Mülleimer runter schaffen, dann bring ich die Flaschen im leeren Eimer mit. 18.00 Uhr machte ich mich auf den Mülleimer zu leeren. Nach dem ich die Flaschen sorgsam mit Papier eingewickelt hatte, damit sie im Eimer nicht klapperten brachte ich die Flaschen aufs Zimmer. Uffz. Werner kam aufs Zimmer um zu schnüffeln. Kurz danach kam Frank Scholz herein und fragte habt ihr sie schon oben, er hatte nicht mitbekommen das Werner auf dem Zimmer war. Werner fragte wen? Frank erschrak und sagte niemand. Werner wurde misstrauisch, Müller wer sollte hoch geholt werden? Woher sollte ich das wissen und schüttelte den Kopf. Da sagte Heini zu ihm, ich werde es ihnen sagen, aber sollten sie uns daraus einen Strick drehen, wird sich das hier jeder einzelne ganz genau merken. Er ging die zwei Flaschen holen und stellte sie auf dem Tisch. Werner starrte die Flaschen an, es war grabesstill im Zimmer. Auf einmal sagte Werner ich geh meinen Becher holen. In der nächsten halben Stunde wurden die Flaschen vernichtet. Soviel war ja in den Flaschen auch nicht drinnen, dass sich 11 Mann davon hätten betrinken können.   Am nächsten Tag war Kultur angesagt. Sonntag nach dem Frühstück ging es nach Weimar auf den Ettersberg in das KZ. Von unserem Zimmer aus schauten wir immer auf das Mahnmal. Obwohl es ungefähr10 km Luftlinie entfernt lag, konnte man es gut sehen. Wir stiegen auf die Lkw`s und los ging es. Am Ehrenmal hielten wir eine Schweigeminute. Bei der Besichtigung des KZ`s  bummelte ich etwas hinterher. Ein älterer Mann sprach mich an, was denn das Militär im KZ macht. Ich sagte zu ihm dass wir gestern vereidigt wurden und dass es Tradition im Bataillon wäre, den Opfern des Faschismus  zu gedenken. Eine schöne Tradition meinte er, in meinem Land gibt es so etwas nicht. Wo kommen sie denn her, fragte ich? Aus der BRD, antwortete er. Hm, meinte ich, in Weimar der Stadt der Denker und Dichter gibt es bestimmt schönere Sachen anzuschauen, wie ein KZ.  Das kann schon sein antwortete er, aber ich habe dieses Lager überlebt. Normalerweise hätte ich dieses Gespräch melden müssen. Wir waren gleich in den ersten Tagen belehrt wurden, wer Kontakt zu Personen aus dem westlichen Ausland hatte, hat dieses auf der Kompanie anzuzeigen. Ich schenkte mir das, für solche Sachen hatte ich noch nie Verständnis gehabt.

Der große Zampano

Am nächsten Morgen Punkt Sechs heulte eine Sirene los, wir standen in den Betten. Die Lautstärke war der blanke Wahnsinn, als ob man direkt neben einer Feuerwehrsirene stehen würde. Aber wir hatten gar keine Zeit darüber nachzudenken, schon wurde die Tür aufgerissen und Uffz. Penndorf schrie raus treten zum Frühsport. Ich beeilte mich, das ich den Trainingsanzug über bekam. Als ich die Turnschuhe anziehen wollte, bemerkte ich das Malheur, sie hatten mir zwei Linke gegeben. Ich ging zu Penndorf und wollte ihm die Turnschuhe zeigen. Als ich ihn Ansprach tickte er gleich wieder aus und brüllte, ihren Namen.
Soldat Müller, brüllte ich zurück.
Erstaunt schaute er mich an, Genosse Soldat glauben sie ich bin taub.Wenn sie einen Vorgesetzten sprechen wollen fragen sie ihn ob er das überhaupt möchte. Das heißt für sie, Genosse Unteroffizier gestatten sie, dass ich sie spreche? Haben sie mich verstanden?
Jawohl, Genosse Unteroffizier.
Genosse Unteroffizier gestatten sie, dass ich sie spreche?
Das klingt schon besser Genosse Soldat, was ist ihr Anliegen?
Während ich es ihm erklärte, dachte ich bei mir ist der so blöd oder tut der nur so, der kommt sich vor wie ein General. 
Er meinte, Müller zum Frühsport ziehen sie ihre Ausgangsschuhe an.
Penndorf brüllte im Laufschritt marsch. Wir trabten hinter her. Vor der Kaserne begann er mit gymnastischen  Übungen. Er turnte vor und wir machten es nach. Im Anschluss waren 3000 Meter angesagt. Die rannte der zum dicklichen neigende Uffz. natürlich nicht mit. Nach 1000 m konnte ich vor Schmerzen kaum noch laufen, die Ausgangsschuhe rieben gewaltig an den Fersen. So kam es das ich der Letzte beim Lauf war. Penndorf brüllte, na Müller da ist ihnen wohl die Luft weggeblieben.
Böse sagte ich, einer muss ja der Letzte sein. Zu jeder Dummheit gab es noch eine Steigerung und die brüllte mich von der Seite an. Da war Penndorf ein Waisenknabe dagegen. Genosse Soldat, was nehmen sie sich raus, wie reden sie mit Uffz. Penndorf. Ich schaute den alten Plägsack  an und fragte, wer sagt mir das? Seine Augen traten aus den Höhlen, er schnappte nach Luft, einige Soldaten feixten. Dann wurde ihm bewusst, dass er ja im Trainingsanzug dastand. Ich konnte es also wirklich nicht wissen. Er brüllte wie ein Stier, Uffz. Werner, merken sie sich meinen Namen. Treu und brav antwortete ich, jawohl Genosse Unteroffizier.
Im Anschluss ging es auf die Zimmer, Penndorf meinte ab zur Morgentoilette, Bettenbau und in 10 Minuten raus treten zum Frühstück. Ich hatte mir riesige Blutblasen gelaufen. Wieder trabte ich zu Penndorf und machte Meldung. Er schaute sich die Blasen an und sagte, Müller nach dem Morgenappell  gehen sie in den Med – Punkt. Soldat  Franke vom 2. Diensthalbjahr wird sie mitnehmen, sie sind bis auf weiteres vom Stiefeltragen befreit.
Ich brauchte natürlich mehr wie die 10 Minuten, diesmal war Penndorf nachsichtig. Wir marschierten zum Frühstück. Ich in meinen privaten Straßenschuhen. Vor der Küche ließ Uffz. Werner halten und meinte für das Essen gibt es 20 Minuten. Ich dachte prima eine angenehme Zeit. Wir stellten uns im Speisesaal am Küchenbuffet an. Auf einmal kamen das zweite und dritte Diensthalbjahr der zweiten und ersten Kompanie. Sie liefen an uns vorbei und wir waren die Letzten in der Schlange, Uffz. Werner schaute weg und wir hatten keine Chance. Nach einer viertel Stunde hatten wir unser Essen gefasst. Ich setzte mich  und schmierte mir mein Brötchen mit Butter und Marmelade. Ich hatte noch nicht einmal die eine Hälfte des Brötchen runter geschluckt, da brüllte Werner, Essen ein stellen und raus treten. Ein Proteststurm brach los, Werner fing wieder an rumzubrüllen, meutern sie nicht herum und treten sie raus, die 20 Minuten sind längst um. Ein Gefreiter  sagte zu ihm, Werner du Tagessack schrei hier nicht so rum. Werner ging raus. Wir traten in Zweierreihe an und ohne Tritt marsch ging es zurück in die Kaserne. Kaum angekommen hieß es raus treten zum Morgenappell. Diese Befehle wurden mit einer Trillerpfeife vorangekündigt. Während die älteren Diensthalbjahre sich locker hinstellten, wurden wir von den Unteroffizieren nach Größe ausgerichtet. Den Gefreiten ging es gewaltig auf den Zünder, das die Unteroffiziere soviel Unruhe mit brachten. Einer der Gefreiten sagte zu Uffz. Penndorf, verschwinde hier. Uffz. Penndorf lief rot im Gesicht an und plusterte sich mächtig auf. Der Gefreite guckte ihn kalt an und sagte, du brauchst mal wieder die Schwarzdecke. Während ich überlegte was er damit meinte, rief einer der Uffze. Achtung Major Roos ist im Anmarsch. Der Streit war beendet, die Türe ging auf, ein Uniformierter trat ein. Der Unteroffizier brüllte Aaachtung!!! Genosse Major die dritte Kompanie mit sechs Unteroffizieren, 20 Gefreiten und 42 Soldaten ist zum Morgenappell angetreten. Der Major fragte wo die Offiziere sind, der Unteroffizier schüttelte den Kopf und meinte es wären noch 10 Minuten Zeit bis zum Dienstantritt. Ach was meinte der und winkte ab. Während ich den Major musterte trudelten drei Offiziere ein. Sieh an dachte ich, der eine war der Oberleutnant von Gestern, der uns in Radebeul abgeholt hatte. Der Major sagte zu den Offizieren, nach dem Morgenappell zu mir ins Dienstzimmer. Dann brüllte er Guten Morgen Genossen Unteroffiziere und Soldaten. Die Kompanie rief zurück, Guten Morgen Genosse Major. Dann stellte er sich uns Neuen vor und meinte er wäre Major Roos, der Kompaniechef. Die Offiziere wären Oberleutnant Lück und Leutnant Luderer, beide Zugführer. Leutnant Nikolaus wäre der Offizier für die technische Ausrüstung. Dann legte er richtig los.
Die neuen Rekruten könnten anscheinend nicht lesen, im Einberufungsbefehl steht, es ist im militärisch korrekten Haarschnitt zu erscheinen, aber sie rennen hier rum wie Zündis und Mopedisten. Ein Spruch den wir noch öfters hören sollten. Die älteren Diensthalbjahre lachten.
Ruhe im Glied, brüllte der Major.
Da ist schon lange Ruhe, meinte irgendjemand. Die Kompanie bekam sich vor lachen kaum ein. Der Major brüllte wie von der Tarantel gestochen, wenn nicht sofort Ruhe ist, gibt es Dienst nach 18.00 Uhr. Augenblicklich wurde es ruhig. Der Major meinte nur noch, das erste Diensthalbjahr geht heute noch zum Friseur, ansonsten Dienst nach Plan. Unteroffiziere übernehmen und Offiziere zu mir ins Zimmer.
Uffz. Penndorf schickte mich und Franke zum Med – Punkt. Ich fragte Franke auf dem Weg Löscher in den Bauch, unter anderem wollte ich wissen ob das hier immer so abläuft. Franke winkte ab, das wird alles nicht so heiß gegessen wie es Aussieht. In drei – vier Wochen hast du dich an das Theater gewöhnt und dann findest du gar nichts mehr dabei. Der Med – Punkt befand sich in der Kaserne unmittelbar neben dem Kasernentor. Franke meinte hier ist auch der Zahnarzt untergebracht und eine Kompanie Sanitäter, die besteht zu 90 % aus Reservisten, da machst du noch als EK den Pampel. Das stellte ich mir grausam vor. Beim Arzt war warten angesagt, diesmal störte es mich nicht. Ich hätte auch 1 ½ Jahre da gesessen
wenn mich der Arzt nicht reingerufen hätte. Ich sagte Guten Morgen Herr Doktor. Er sagte zu mir er wäre nicht der Doktor, er ist der Feldscher und vom Dienstgrad Fähnrich. Ich wollte militärisch Grüßen, er winkte ab und meinte lassen sie das, hier sind sie im Behandlungsraum. Es fiel mir wieder ein, bei der NVA hatten sie vor ungefähr einem Jahr Fähnrich Dienstgrade eingeführt. Damit die unteren Dienstränge noch einen Anreiz zum Längerdienen hatten. Er schaut sich die Blasen an und meinte die sind beachtlich, ich schreibe sie eine Woche Innendienstkrank, keine Stiefel. Dann schmierte er mir irgendwelche Salbe drauf, klebte ein Stückchen Verbandsmull drüber und meinte Morgen sind sie wieder hier, dabei füllte er einen Zettel für den Gruppenführer aus. Auf der Kompanie angekommen machte ich bei Uffz. Penndorf Meldung und wollte ihn den Schein vom Feldscher geben. Penndorf meinte, Müller sie werden in die zweite Gruppe versetzt zu Uffz. Werner. Ihr Augentest ist nicht optimal ausgefallen. Packen sie ihre Sachen und ziehn sie um. Ich meldete mich bei Uffz. Werner und gab ihm die Bescheinigung. Der meinte da kommen sie gerade recht, ich werde ihnen jetzt zeigen, wie der Spind richtig eingeräumt wird.
Sie hatten uns einen Musterspind gezeigt, er gehörte einem Gefreiten. So akkurat  gestapelte Wäsche hatte ich noch nie gesehen, nicht einmal bei Mutter und die legte großen Wert auf ordentlich eingeräumte Schränke. Ich staunte nicht schlecht und dachte nur oje, wie sollst du das nur hinbekommen. Uffz. Werner zeigte es uns, mit Hilfe eines Stückes Pappe das genauso groß war wie eine zusammengelegte Zeitung. Diese legte er mittig auf das Kleidungsstück und hatte nach dem die Kanten straff gezogen waren ein exakt zusammengelegtes Hemd. Mich begeisterte das Ergebnis richtig. Freiwillig erklärte ich mich bereit, es als erster nach zu machen. Da es beim ersten Mal nicht so exakt wurde schrie Werner gleich rum, das machen sie noch mal wie das Aussieht, wir sind doch hier nicht beim Lumpenhändler. Nach dem dritten Versuch, sah es wie gemalt aus und ich hatte meine erste Lektion gelernt, niemals etwas freiwillig zu machen. Wir lernten Stück für Stück wie ein Spind auszusehen hat, welcher Hemd und Jackenknopf  am Kleidungsstück geschlossen sein musste und welcher nicht. Der ganze Krempel ging bis weit nach Mittag. Im Anschluß ging es zum Friseur. In den 70ziger Jahren wurden die Haare länger getragen. Beim Soldaten wurden sie kurzgeschnitten. Man brauchte gar keine Uniform anhaben, schon am Haarschnitt sah man  wer bei der Armee war. Es hatte was demütigendes, wie man rum rennen musste. Aber die Friseuse war eine Nette und hatte Charme, vielleicht kam es mir auch nur so vor, bei diesem Umgangston der auf der Kompanie herrschte. Nach dem Haare schneiden gingen die Unterweisungen auf dem Zimmer weiter, Thema Zimmerordnung. Verantwortlich für die Zimmerordnung war der Stubenälteste. Während der sechs Wochen Grundausbildung wurde jeder einmal Stubenältester, damit es jeder lernte. Nach der Grundausbildung sollten wir auf die Zimmer des zweiten und dritten Diensthalbjahres aufgeteilt werden. Jedem von uns war klar was das hieß und bedeutete.
Der Springer auf dem Zimmer  flitzt,
Der Vize auf dem Hocker sitzt,
Der E auf dem Bette ruht,
So jeder seine Arbeit tut.
An diesem Abend wurde Päckchen bauen geübt.  Kurz vor der Nachtruhe, die war in der Woche 22.00 Uhr, mussten die Sachen exakt ausgerichtet auf den Stubenhocker gebaut werden. Die Stiefel hatten fein säuberlich geputzt unter dem Hocker zu stehen. Uffz. Werner kontrollierte jeden Abend das Ergebnis. Fand das Päckchen nicht seinen Gefallen schmiss er es runter. Das konnte bis zu fünf, sechs mal so gehen. Wer da dran war, hing in erster Linie von der Laune des Uffz. ab und nicht von der Qualität des gebauten Päckchens. Am nächsten Morgen hatte ich etwas mehr Zeit, ich konnte in Ruhe mein Bett bauen. Wenn man nicht so unter Druck stand, ließ sich das besser machen. Über mir schlief Guido Paulick, er sagte mir er käme aus Panschwitz – Kuckau  ein kleines Dorf bei Kamenz. Überhaupt von den Zehn Soldaten auf unserem Zimmer kamen Neun aus dem Bezirk Dresden. Nur Frank Böhr kam aus dem Bezirk Erfurt. Schnell stellte sich raus warum, er hatte sich für 3 Jahre verpflichtet. Brauchte aber nicht auf die Unteroffiziersschule, da er hier in der Kaserne ein Spezialfahrzeug übernehmen sollte und dieses durften nur   3 – Jährige fahren.
Jedenfalls nutzte ich die Zeit um Guidos Bett mit zu bauen. Nach dem Frühsport bedankte er sich dafür und zupfte an den verschiedenen Bettzipfeln noch rum. Ich konnte ihn verstehen, denn die Uffze. hatten angekündigt schlecht gebaute Betten einzureisen. Schließlich war er für sein Bett selber verantwortlich.
Nach dem Waschen hieß es gleich wieder raus treten  zum Frühstück und im Anschluss war Morgenappell. Ich war der Meinung als Innendienstkranker geht das mich nichts an und verkrümelte  mich auf die Toilette um mein großes Geschäft zu verrichten.
Zum Morgenappell überprüfte der Major persönlich die Anwesenheitsliste. Ich hörte wie die Soldaten antworteten, hier Genosse Major. Auf einmal hörte ich wie mein Name aufgerufen wurde, ach du Schei… da war ja die Kacke wirklich am dampfen. Ich beeilte mich von der Schüssel zu kommen. In zwischen hörte ich den Major brüllen, wo ist der Soldat Müller. Irgendeiner von den Soldaten sagte, scheißen Genosse Major. Die Kompanie brüllte vor lachen. Die Stimme vom Major erreichte eine nicht für möglich gehaltene Lautstärke als ich von der Toilette geflitzt kam. Eigenartiger Weise war das bei mir so, wenn jemand rumbrüllte wurde ich nach dem ersten Schreck immer ruhiger. Es interessierte mich überhaupt nicht, als er mich anbrüllte, was ich mir rausnehmen würde nicht zum Morgenappell zu erscheinen. Ich sagte ruhig, ich bin Innendienstkrank und musste außerdem auf die Toilette. Die Kompanie lachte wieder. Als er merkte das mich sein Geschreie nicht anhob wurde er auf einmal ruhiger und meinte, Müller beim Morgenappell hat jeder zu erscheinen egal ob er krank ist oder nicht. Und das mit der Toilette trainieren sie sich an, dass sie nicht zum Morgenappell müssen. Im Anschluss begutachte er persönlich die Haarschnitte der gesamten Kompanie und schickte den größten Teil des dritten Diensthalbjahres zum Friseur, unter Aufsicht von Leutnant Luderer. Den faltete er gleich mit zusammen und sie lassen sich auch die Haare schneiden, sie mit ihren unmilitärischen Haarschnitt. Die EKs lachten vor Schadenfreude, der Leutnant protestierte. Als die E`s vom Haare schneiden wiederkamen viel dem Major sofort auf der Leutnant hatte sich die Haare nicht schneiden lassen. Er ging mit ihm noch einmal persönlich zum Friseur. Dem Leutnant fehlte einfach die geistige Frische um sich zu wehren.
Nach dem Morgenappell ging es zum Fotografieren. In den Wehrpass musste noch das Passbild hinein. Wie ich so vor der Linse saß wurde mir das ganze Elend so richtig bewusst und bekam einen gewaltigen Klos in den Hals. Ich musste mehrmals schlucken um ihn runter zu bekommen. Während das erste Diensthalbjahr das Marschieren übte, wurde ich mit Innendienstarbeiten beschäftigt. Das hieß konkret ich musste den etwa 30m langen Flur auf der Kompanie kehren und wischen. Der Major entblödete sich nicht mir zu erklären wie man den Schrupper richtig hält. Er war eben der große Zampano. Als ich am Gangende angelangt war konnte ich das erste Mal in den Fahrzeugpark schauen ohne das mir jemand auf die Pelle ging. Bewundernd schaute ich auf die Fahrzeuge die in Reih und Glied, wie an einer Perlenkette aufgefädelt, da standen. Es waren alles Tatrafahrzeuge vom Typ 148. Direkt vor mir standen die Pritschen mit Hänger und am anderen Ende im rechten Winkel dazu die Tanker. Voller stolz dachte ich und du wirst auch so ein Fahrzeug übernehmen. Im Anschluss ging ich auf die Toilette, ich musste mal für kleine Jungs. Mich überkam ein Gefühl von endloser Leere. Ich dachte, bloß gut das du dich nicht für drei Jahre Dienst verpflichtest hast. Mir fiel zentnerweise Last von der Seele, als ich den ersten klaren Gedanken wieder fassen konnte. Der Schleier vor den Augen war zerrissen.

Der erste November




Früh gegen 5.00 Uhr bimmelte der Wecker. Es war wie eine Erlösung. Ich hatte die letzte Nacht sehr schlecht geschlafen. Es war mehr so eine Art Wachschlaf und hatte mich eigentlich nur im Bett rumgewälzt. Conny murmelte nun ist es soweit. Noch nicht ganz sagte ich und bracht Conny noch einmal voll in Fahrt. Obwohl wir nicht viel zeit hatten genossen wir es so richtig, wer weiß wann wir das nächste Mal Zeit zum Genießen finden würden. Danach sprang ich aus dem Bett und machte mich fix im Bad frisch. Conny meinte, ich bleib noch ein bisschen liegen ich brauch heute Morgen nicht so zeitig auf Arbeit.  Ich wollte nicht dass Conny mit nach Radebeul kam. Theatralische Abschiede waren nicht mein Ding. Inzwischen war Vater aufgestanden. Ich rief das Bad ist frei, Conny geht später. Er wünschte mir alles Gute, pass auf dich auf Junge. Wird schon wärn, mit der Mutter Bärn, sagte ich und viele Grüße an Tobias, der schlief noch schön. Er musste heute in die Berufsschule.
Ich ging zu Conny ins Zimmer mich verabschieden und sagte pass gut auf dein Bauch auf. Und du auf dich, sagte Conny und komm gesund wieder. Wir drückten und küssten uns, dann machte ich los, schnappte meine Tasche und stürmte die Treppe runter. Meine Gefühlswelt spielte verrückt. Ich verdrängte den Abschied und sagte mir,  jetzt geht’s los, jetzt wirst du ein richtiger Kerl. Auf dem Bahnsteig vielen mir etliche junge Männer mit Reisetasche auf. Wo konnten die so früh schon mit dem Personenzug hin wollen, eigentlich nur zum Stellplatz. Fahrkarte brauchte ich keine kaufen, der Einberufungsbefehl diente als Fahrkarte. Stolz zeigte ich ihn dem Kontrolleur. Circa 20 Minuten dauerte die Fahrt nach Radebeul. Als ich Ausstieg verschlug es mir die Sprache. Eine unübersehbare Menschenmenge wogte auf dem Bahnsteig. Der größte Teil der neuen Rekruten wurde von Angehörigen dahin gebracht, bei Einzelnen kamen sogar Oma und Opa mit. Bloß gut das ich Conny zu Hause gelassen hatte. Ich brauchte eine halbe Stunde ehe ich die richtige Truppe gefunden hatte. Ich zeigte dem anwesenden Offizier meinen Einberufungsbefehl und fragte, Herr Offizier bin ich hier richtig? Der neben ihn stehende Uniformierte belferte sofort los. Das heißt Genosse Oberleutnant, merken sie sich das gefälligst, Genosse Soldat und damit sie wissen mit wem sie es zu tun haben ich bin Unteroffizier Penndorf und mit Genosse Unteroffizier ( Uffz )anzureden. Haben sie mich verstanden. Bieder antworte ich jawohl, Genosse Unteroffizier und dachte du Sackgesicht.
Ihren Namen, brüllte er weiter. Thomas Müller sagte ich.
Er - was Äpfel, Panzer, Birnen.
Ich – Soldat Thomas Müller, Genosse Unteroffizier.
Na also geht doch, er schaute auf seine Liste und hakte meinen Namen ab.
Ich stellte mich zu den Anderen und harrte der Dinge die da kamen. Unter uns mischten sich wieder die Angehörigen meiner neuen Kameraden. Auf einmal rief der Oberleutnant. Alles mal herhören. Bevor wir losmarschieren, werde ich erst einmal ein paar grundsätzliche Dinge erläutern. Sie sind ab heute Soldaten des Transportbattalions 4 und unterstehen seit Null Uhr der Militärgerichtsbarkeit. Das heißt Alkohol ist für sie im Dienst ein absolutes Tabu. Wer Alkohol bei sich führt hat ihn abzugeben, jetzt und hier. 2, 3 Leute waren wirklich so dumm und rückten ihre Flaschen raus. Der Unteroffizier der mich so angeschnauzt hatte rief, jetzt werden wir mal Taschenkontrolle machen und die Ehrlichkeit der Genossen Soldaten  prüfen. Die drei anwesenden Uffze stürzten sich auf die ersten Taschen. Ich schaute mir das erst einmal an. Tatsache sie kontrollierten alle Taschen und hatten auch schon die ersten Flaschen Schnaps und Bier hochgezogen. Triumphierend hielten sie die Flaschen in die Höhe. Ich dachte was für armselige Kreaturen und öffnete  meine Reisetasche. Sie beugten sich unmittelbar vor mir über die nächsten Taschen. Auf diesen Moment hatte ich gewartet. Ich nahm in aller Ruhe meine Flasche Schnaps heraus und gab sie einem der Angehörigen meiner Kameraden. Ringsrum lachte alles, jeder hatte es gesehen, außer den eifrigen Kontrolleuren. Verwundert schauten sie auf, aber sie konnten sich nicht erklären warum die Leute lachten. Einer meiner neuen Mitstreiter, holte ebenfalls seine  Flasche Schnaps heraus, öffnete sie vor dem Uffz. und nahm einen gewaltigen Hieb aus der Flasche. Ehe der verdatterte Uffz. etwas sagen konnte wanderte die Flasche durch die Reihen. So kam ich morgens 9.00 Uhr zu meinem ersten Schnaps. Als sie mit der Kontrolle fertig waren, steckte man mir die Flasche heimlich wieder zu. Einer der Uffze. brüllte in Zweierreihe anstellen ohne tritt marsch zu Wagon 11 und 12, davor warten. Dort angekommen verkündete der Oberleutnant die Verhaltensregeln im Wagon und rief zum Schluss, Uffz. Penndorf weitermachen. Dieser strahlte wegen der namentlichen Erwähnung wie eine Fettbemme und brüllte:
Sie können jetzt tränenreich Abschied von ihren Angehörigen nehmen und spätestens in 10 Minuten möchte ich sie im Wagon sehen. Was für ein Theater dachte ich, stieg ein und setzte mich auf die dem Bahnsteig abgewande Seite. So langsam füllte sich der Wagon, ich fühlte mich nicht besonders, hatte ja dazu noch eine schlechte Nacht gehabt. Die Uffze. gingen noch einmal durch und verglichen ihre Listen, man merkte ihnen die Erleichterung an als sie feststellten niemand fehlt. Gegen 10.00 Uhr rollte der Zug langsam los, na endlich dachte ich und strich in Gedanken, schon mal den ersten Tag. Viele Rekruten schauten aus den Fenstern und winkten ihren Verwanden, bis niemand mehr zu sehen war. Über irgendwelche Nebengleise gelangte der Zug nach Riesa. Hier stieg nochmals ein großer Schwung frischer Rekruten ein. Ich schaute wo unsere Vorgesetzten abgeblieben waren. Sie saßen in einem extra Abteil, die Türe war geschlossen und die Gardinen zugezogen. Vorsichtig versuchte ich einen Blick zu erhaschen und sah, wie sie eifrig an der Schnapsflasche hingen, die sie einem Soldaten weg genommen hatte. Diese verlogenen  Arschköpfe, ich ging zurück in meinen Wagon und erzählte es den unmittelbar in meiner nähe Sitzenden. Daraufhin öffnete der erste seine Schnapsflasche und ließ sie greisen. Von Riesa bis Leipzig brauchten wir über eine Stunde. Jeden anderen Zug mussten wir passieren lassen. Die Signale standen mehr auf Rot wie auf Grün. In Leipzig selber standen wir nicht allzu lange. Da der Bahnhof ein Sackbahnhof war, hängten sie eine neue Lok an und ab ging es. Nur nicht nach Erfurt sondern,  Richtung Halle. Da war ich mal gespannt was das werden sollte. Von Leipzig nach Halle war es nicht allzu weit und es ging relativ zügig voran. Aber in Halle standen wir über eine Stunde. Die knappe Hälfte der Rekruten stieg aus und jede Menge Neue stiegen ein. Die Uffze. kontrollierten wieder die Anwesenheit. Dann zuckelte der Zug am Südharzrand lang bis Nordhausen. Langsam gingen der Alkohol zur Neige, es wurde Zeit das wir nach Erfurt kamen. 17.00 Uhr lief der Zug endlich in den Erfurter Hbf ein. Wir verließen den Zug und in Zweierreihe marschierten wir zu den Lkws. Es standen drei Tatra – Pritschen bereit, flugs kletterten wir hinauf. Nach einer gefühlten viertel Stunde hielten die Tatras vor einem Kasernentor. Obwohl ich von dem Alkohol ganz schön breit war, bekamen alle Lebensgeister in mir einen neuen Schub. Langsam fuhren die Lkws durchs Kasernentor. Als der Letzte durch war schlugen die Wachsoldaten mit riesigem Schwung das Tor zu, es plautzte gewaltig. Die Wachsoldaten brachen in einen riesigen Jubel aus, an den Fenstern hingen das zweite und dritte Diensthalbjahr und veranstalteten einen gewaltigen Radau. Sie hingen ihre Maßbänder zum Fenster heraus und brüllten immer wieder Springschweine, Springschweine. Die Lkws fuhren um den Exerzierplatz  und hielten vor einer Kaserne. Wir mussten absitzen, aus der Kaserne kamen Offiziere gelaufen, das zweite und dritte Diensthalbjahr verschwand von den Fenstern. Die Offiziere gaben irgendwelche Anweisungen an die Unteroffiziere, wir wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt. Als Führer meiner Gruppe bekamen wir Uffz. Penndorf zugeteilt. Wir wurden in einen Versammlungsraum geführt, unsere Taschen blieben bei den Lkws. Zuerst wurden uns die Stabsoffiziere vorgestellt. Chef des Bataillons war Oberstleutnant Benz, ein kleiner drahtiger Offizier.  Dann hielt einer von denen eine Rede die war so etwas von daneben, das es einen schüttelte. Er stellte sich vor, Major Schmalz- wie Fett und lachte sich halbtot über seinen blöden Witz. Wenn er wenigstens gesagt hätte ich heiße wie ich aussehe, da hätten  wir was zu lachen gehabt. Der Inhalt seiner Rede bezog sich auf die EK-Bewegung. Das wären im Großen und Ganzen nur üble Gerüchte. Das kann nicht anders sein, da EK Erfahrener Kämpfer heißt. Andere Deutungen der Buchstaben wären falsch. In einer sozialistischen Arbeiter und Bauernarmee kann es nur erfahrene Kämpfer und Soldaten geben die als Gemeinschaft auftreten aber niemals Entlassungskandidaten, da jeder Soldat Reservist wird und somit Angehöriger der NVA bleibt. In diesem Stil laberte er noch eine ganze Weile. Mir zog es die Augen zu. Auf einmal hieß es aufstehen und raus treten. Wir schnappten unsere Sachen und trabten Uffz. Penndorf hinterher, in die nächste Kompanie, dritte Etage. Hier empfing uns das wahre Soldatenleben, hier empfing uns das, was es laut dem fetten Schmalz nicht gab, die EK-Bewegung. Unter dem Geschrei des zweiten und dritten Dienstjahres führte Penndorf uns aufs Zimmer. Als erstes bläute er uns ein, wer sich von einem EK zur Arbeit anstellen lässt, den bestraft er persönlich. Der hatte gut reden, dachte ich so bei mir, soll er doch den EK bestrafen. Dann erklärte er wir wären im TB 4 und gehörten zur dritten Kompanie des Majors Roos zum zweiten Zug des Oberleutnants Lück und zur ersten Gruppe des Uffz. Penndorf. Das ließ sich eigentlich gut merken. Alles Weitere würden wir bei der theoretischen Grundausbildung erfahren. Die gesamte Grundausbildung ginge sechs Wochen. Heute wären noch die Arztuntersuchung und das Klamottenfassen angesagt. Als nächstes bekamen wir Spind und Bett zugewiesen und quetschten erst einmal unsere Reisetaschen in den Spind. Vorher nahm ich noch das Vorhängeschloss aus der Tasche um meinen Spind verschließen zu können. Im Einberufungsbefehl hatte gestanden was wir alles mitbringen mussten, eben unter anderem dieses Schloss. Ich hatte gleich das Schloss von meinem Arbeitsspind mitgenommen. Dann hieß es schon wieder, raus treten, in Zweierreihe antreten und abrücken zum Arzt. Dass ganze Prozedere dauerte seine Zeit, ich ließ es völlig desinteressiert über mich ergehen. Kurz nach 24.00 Uhr war der Augenarzt dran. Er zeigte auf ein erleuchteten  kleinen Kasten mit einer Milchglasscheibe. Auf dieser Scheibe waren Burgen abgebildet. Er wollte von mir die räumliche Aufteilung wissen. Mich interessierte es nicht, ich war nur müde, der Alkohol wich so langsam aber sicher und so ordnete ich die Sachen willkürlich. Hauptsache ich war durch. Anschließend  ging es noch Sachen fassen. Das hatte man ganz vernünftig gelöst. Auf dem Gang in der Kaserne waren ca.10 verschiedene Stationen aufgebaut. Diese hatte man mit den Soldaten des zweiten und dritten Diensthalbjahres besetzt. An den einzelnen Stationen fasste jeder seine Sachen aus. An der ersten bekamen wir eine Zeltplane in die Hand gedrückt. Diese schleiften wir hinter uns her. An der nächsten Station angelangt ging es, Größe, kurz anhalten, passt, passt nicht, ab zur nächsten Station. Die erhaltenen Sachen schmissen wir auf die Zeltplane. Die EKs waren sauer noch so spät arbeiten zu müssen und dementsprechend mürrisch. Bis Nachts 03.00 Uhr räumten wir erst einmal provisorisch unseren Spind ein. Penndorf meinte gute Nacht Genossen Soldaten. Morgen 6.00 Uhr ist wecken. Von uns kam ein müdes Guten Nacht Genosse Unteroffizier. Ich dachte nur noch schlafen.