Montag, 8. August 2011

Der Batailloner geht


 Als Roos aus dem Urlaub kam war das für ihn ein gefundenes Fressen. Er ließ sich so richtig aus. Nichts würde klappen wenn er im Urlaub wäre, die Soldaten wären zu blöd zum fahren und die Offiziere zu dumm zum leiten. So ging es in einem fort, bla, bla, bla. Schon lange ging das Gerücht und es verstummte nie, unsere Kompanie sollte für die Pritschen Sattelschlepper erhalten. 15 Soldaten wurden abkommandiert die erste Hälfte der Zugmaschinen abzuholen. Ich war einer von diesen 15 Mann. Das Reizvolle war, die mussten aus Dresden geholt werden. Die Heimat zu sehen war immer schön, auch wenn man wusste  nach Hause durfte man nicht. Man hoffte immer ein bekanntes Gesicht zu sehen. Gleich nach dem Morgenappell ging es los. Der Tatra brachte uns in das TB 7., in unmittelbarer Nähe des Wehrkreiskommandos von Dresden. Das erste was uns auffiel, hier herrschte ein ganz andere Zucht und Ordnung im Bataillon. Verschämt und aufpassend dass es ja keiner sieht, zeigten die E`s ihre Maßbänder. Unsere E`s  schwangen sie in der Luft und lachten laut. Ein Fähnrich des TB 7 kam des Weges und grüßte stramm den Lückenhaften. Der schüttelte nur verwundert den Kopf. So etwas war in unserem Bataillon nicht üblich das sich Offiziere und Berufsunteroffiziere grüßten, es sei denn es waren Stabsoffiziere. Wir gingen in die Kantine zum zweiten Frühstück. Wie ich gerade meinen Malzkaffee schlürfte, ging die Türe auf. Ein Zivilist betrat die Kantine, Mensch das war doch der Norbert, der Norbert Micke. Der wohnte gleich bei mir um die Ecke. Als Kinder waren wir manchmal zusammen an die Maltertalsperre zum Angeln gefahren. Was machte denn der in der Kaserne. Norbert war zwei Jahre älter wie ich und hatte ein recht gestörtes Verhältnis zur Armee. Während seiner Dienstzeit hatten sie ihn zu 4 Monaten Schwedt verurteilt. Ich rief ihn an. Verwundert fragte er mich, Dienst du hier? Ich erklärte es ihm. Er meinte, er ist von seiner Maler Firma  beauftragt worden hier verschiedene Offizierszimmer vorzurichten. Wir quatschten bis ich abrücken musste. Kaum waren wir im Fahrzeugpark angelangt gab es den nächsten Ärger. Irgend so ein Leutnant von der Truppe vor Ort wollte von einem Gefreiten gegrüßt werden. Der schüttelte nur den Kopf und lachte ihn aus, als ich gerade an ihm vorbei lief. Ich wollte keinen Ärger und grüßte. Genosse Soldat rief er, wer ist für die Truppe verantwortlich. Ich zeigte auf Lück und sagte der Hauptmann. Der Leutnant war außer sich, für sie heißt das immer noch Genosse Hauptmann. Ich lief einfach weiter, er rief, kommen sie zurück, ich bin mit ihnen noch nicht fertig. Ich antwortete, ich bin dem Hauptmann unterstellt und der hat mir einen Befehl erteilt, den möchte ich jetzt ausführen. Der Leutnant ging. 5 Minuten später musste Lück zum Chef des Bataillons. Als er wieder kam rief er uns zusammen. Kurz erklärte er uns, wir sollten doch die Offiziere hier grüßen und überhaupt soldatische Manieren zeigen. Hier legt man wert auf so etwas. Am Besten wäre es wir würden die Lkws  so schnell wie möglich übernehmen und verschwinden. So gehen wir jeden Ärger aus dem Weg. Ein Gefreiter vom TB 7 wies mich in das Fahrzeug ein. Ich fragte ihn ob die sich hier immer so affig haben. Er nickte, bei uns wird ab Fähnrich gegrüßt. Maßbänder und Daumen zeigen wird Rigoros mit Ausgangs und Urlaubssperre bestraft. Die haben auch schon Gefreite degradiert wegen solchen Vorkommnissen. Da war es wirklich besser so schnell wie möglich zu verschwinden.  Ich fragte ihn noch, wo kommt ihr eigentlich mehrheitlich her?  Er sagte aus dem Vogtland, Plauen und Umgebung. Am Nachmittag verließen wir das Bataillon. Über die Dr. Kurt – Fischer – Allee ging es zur Radeburger Straße. Von hier war es nur ein Katzensprung zur Autobahn. Bei Siebenlehn verließen wir diese und fuhren die Landstraße Richtung Hainichen.  Wir machten Rast und als erstes kümmerten wir uns um die Radmuttern. Auch bei meinem Tatra war es an der  Zeit, dass einige nachgezogen wurden. In Hainichen befand sich die nächste Autobahnauffahrt. Auf einmal hieß es Stopp, Panne. Gefreiter Schroth ist von seinem Vorderrad überholt wurden. Er hatte seine Radmuttern nicht überprüft. Lück war außer sich, Mensch Schrott müssten sie heißen und nicht Schroth. Das Rad war hinüber. Nach der Panne ging es ohne Probleme nach Erfurt. Roos degradierte Schroth persönlich. Der nahm es gelassen. Ich hatte da so meine eigene Meinung von solchen Dingen. Wenn es um die Sicherheit der Fahrzeuge ging war ich sehr, sehr vorsichtig. Roos drohte bei grob fahrlässigen Sachen immer mit persönlichen Regress. Das fehlte mir noch, das ich Geld bei der Armee ließ.
Leider konnte ich die nächste Fahrt nicht mit machen. Es wurden andere Soldaten eingeteilt. Unter anderem fuhr Uffz. Graichen mit, er saß bei Ulf Köster auf dem Fahrzeug. Unterwegs überkam ihm der Fahrriemen, er erteilte Ulf den Befehl ihn ans Lenkrad zu lassen. Kurz hinter dem Hermsdorfer Kreuz passierte dann das Malheur. Er wurde vom Sekundenschlaf übermannt und fuhr mit dem Fahrzeug die Böschung hinunter. Das Fahrerhaus wurde komplett demoliert. Wie durch ein Wunder blieben beide unverletzt. Das Wunder war umso größer, da es das Fahrerhaus von der Motorhaube an aufwärts fast vollständig abgetrennt hatte. Mit einer Reflexbewegung war es beiden gelungen sich flach hinzuschmeißen. Ulf meinte, der Ast hat überlebt. Es stellte sich heraus, Graichen hatte gar keinen Berichtungsschein um den Lkw fahren zu dürfen, wie die meisten anderen Unteroffiziere auch. Das hatten sie uns immer wohlweislich verschwiegen. Mit anderen Worten, er hätte niemals den Lkw fahren dürfen, selbst wenn er den Befehl gehabt hätte. Das langte für eine Degradierung. Ulf musste den Lkw in die Kaserne bringen. Mit einer Lederkappe auf dem Kopf und einer Motorradbrille von anno dunnemals kam er ins Objekt. Ein Schal flatterte um seinen Hals, es sah zum Schießen aus.
Ein weiteres Gerücht was nicht verstummte besagte Oberstleutnant Benz  sollte in den Divisionsstab wechseln. Aber noch war er da. Ich hatte so das Gefühl, er läutete eine neue Phase im Leben des Bataillons ein und zwar nach Dienstschluss, die sogenannte Häuserbauphase. Der Oberstleutnant wollte sich eine Datsche aus Fertigteilen mit rustikalen Holzelementen  bauen lassen.  Dort wo Chaleri zu Hause war gab es nicht nur den riesigen Schießplatz Nochten, da gab es auch einen militärischen Forstbetrieb. Der stellte diese Fertigteilhäuser her. Der Zufall wollte es so. Der Direktor der Firma war Chaleris zukünftiger Schwiegervater. Aus Dresden mussten ja noch die neuen Sattelauflieger geholt werden. War doch logisch wer die ersten Auflieger holte. Chaleri und noch zwei E`s aus der Ecke fuhren los. Sie erhielten  zwei Tage Sonderurlaub. Es war ihnen zu gönnen. Also blieben sie insgesamt 4 Tage weg. Benz nahm sie persönlich in Empfang. Wie ein kleines Kind lief er um die Auflieger und freute sich. Nur war da noch eine zweite Datsche auf den Aufliegern, wem die gehörte wusste niemand. Eigentlich war diese Aktion der große Auftakt das auch die anderen Offiziere mit ihrer Bautätigkeit in die Offensive gingen. Wenige Tage nach der Ankunft der Datschen kam erneut ein Sattelschlepper mit Baumaterial gefahren, der war bis obenhin vollgestopft mit Zement. Während Dietmar die Säcke zurecht legte, schleppten Bengert, Köster und ich die 40 Kilo Säcke auf unseren Rücken in die Keller. Beim nächsten Morgenappell ließ Roos die Soldaten raus treten, die im zivilen Leben auf dem Bau arbeiteten und nahm sie mit. Sie wurden gefragt, ob sie nach Dienstschluss  mit auf den Bau gehen würden. Sie bekämen 5 Mark die Stunde plus Verpflegung. Wenn die Offiziere Baukräfte außerhalb der Armee genommen hätten, wären sie nicht unter 10 Mark die Stunde weg gekommen. Aber da mussten sie Glück haben, nicht wenige verlangten schon 20 Mark. Auf diese Art und Weise kam so mancher Offizier zu günstigen Arbeitskräften. Eines Tages sagte Roos zu Köster und mir, Major Geber vom Sanitätsbataillon wird sie dann abholen. Ziehen sie schon mal ihre Schwarzkombi an. Er fuhr mit uns Richtung Kranichfeld, hinter Klettbach bog er in ein kleines Häuslebaugebiet ab. Unterwegs erzählte er, er erwartete eine Lkw Ladung Holblocksteine, die müssten abgeladen werden. Ich wusste die Dinger sind ganz schön schwer. Aber der Lkw kam und kam nicht. Wir gammelten eine Stunde rum. Endlich tauchte er auf, er kam aus Halle und hatte sich verfahren. Der Major machte Druck, er müsste zu einer Dienstbesprechung. Ich sagte da liegen Handschuhe. Da war er sich zu fein. Nach dem wir den Lkw abgeräumt hatten, machten wir eine Pause. Ich fragte nach einer Flasche Bier für jeden. Er drängelte, die Zeit, die Zeit. Ich hatte die Faxen dicke und sagte es ihm deutlich, wenn wir hier schon für Nasses arbeiten,  soll er gefälligst eine Flasche für jeden rausrücken oder die Steine bleiben auf dem Hänger. Wohl oder übel holte er das Bier.
Ja und dann war es soweit, der Oberstleutnant wurde zum stellvertretenden Divisionskommandeur befördert und verabschiedete sich. Er war gerade noch mit seiner Datsche fertig geworden, da konnte er nun seinen neuen Posten in aller Ruhe antreten. Manche Dinge waren wirklich einfach nur unglaublich.
Die restlichen Sattelauflieger mussten auch noch geholt werden. Roos übertrug das wieder Lück und der hatte spitz bekommen, das vom Soldat  Tschofen der Vater Chef der Liga war. Die Liga war Dresdens verrufenste Tanzlokal und weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Also nahm er Tschofen mit nach Dresden und der organisierte einen Besuch in der Lokalität, die sich im übrigen gleich neben dem TB7 befand. Nur hatte der Lückenhafte nicht bedacht, dass die Stabsoffiziere des TB7 ihn schon auf dem Kieker hatten, seit unserem ersten Besuch dort. Es kam wie es kommen musste. Sie setzten den Lückenhaften fest als er schwer trunkisch aus der Liga kam. Roos persönlich musste ihn aus dem Bunker in Dresden holen. Was da im einzelnen passiert war, haben wir nie erfahren.

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