Montag, 15. August 2011

Die politische Großwetterlage trübt sich ein

 Wir hatten wieder mal Politschulung. Das hatten wir schon lange nicht mehr gehabt. Es ging um Polen. VW verkündete konterrevolutionäre Elemente versuchten die frei gewählte Regierung in Polen zu unterwandern, bla, bla, bla. In dem Stil ging es in einem Fort. Eigentlich interessierte mich überhaupt nicht, was die Polen machen. Ich wollte nur meine Ruhe und nicht irgendwo Krieg spielen. Konsequenz aus der Geschichte, es wurde die Gefechtsbereitschaft erhöht. Da gab es eine recht vielschichtige Untergliederung. Bis zur höchsten Alarmbereitschaft war es noch weit, aber schon die kleine Erhöhung bedeute neuen Sackgang. Das erhöhte nun nicht unbedingt meine freundschaftlichen Gefühle gegenüber den Polen. Mit anderen Worten die komplette Technik musste Einsatzbereit sein, eher gab es keinen Ausgang und Urlaub. Das nahm ich den Polen persönlich Übel. Für mich bedeutete das, zur nächsten Fahrübung musste ich mit Hänger raus. Ich fragte Zapfenludi, wann mein Hänger das letzte Mal bewegt wurde. Er wusste es nicht, ich ahnte Böses. Zwei Tage später war es soweit, das gesamte Bataillon rückte zu einer Fahrübung aus. Zirl muss es auch nicht wohl gewesen sein, denn ¾ des Kfz – Zuges musste mit raus. Die schoben sonst immer eine ruhige Kugel. Als erstes fuhren wir in unseren Bezugsraum nach Mönchenholzhausen. Nach dem üblichen Gemache beim Einparken machte ich mich an das Radmutternüberprüfen. Das mit dem Hänger war mir nicht geheuer. Es würde mich wundern, wenn der sich nicht kaputt gestanden hätte. Tatsache die hinteren Räder waren so heiß, da konnte man Spiegeleier drauf braten. Ich meldete es Uffz. Ammling. Keine 2 Minuten später stand Roos an meinem Hänger. Diesmal quakte er nicht dumm rum, denn im Hänger waren ja 11000 Liter VK 79. Ich fuhr einen von zwei Tankern mit dem niedrig oktanische  Benzin. Er meinte bis zum nächsten Bezugsraum muss ich es schaffen, er würde den Kfz – Zug über Funk dorthin bestellen. Aller Wahrscheinlichkeit waren die Bremsbacken fest. Vielleicht lösen sie sich noch meinte er. Hinter mir fuhr Meißner mit seinem Tanker, er erhielt den Befehl, mir Lichthupe zu geben wenn irgendetwas ist. Weiter ging es Richtung Hohenfelden. Am Haarberg merkte ich die Bremsen waren noch fest. Ich musste abreisen lassen, der Tanker kam nicht aus dem Knick. Bei Hohenfelden wartete der Kfz Zug. Die konnten erst mal gar nichts machen, so heiß waren die Hinterräder. Nach einer Stunde gingen sie an die Arbeit. Mit verschiedenen Sprees versuchten sie die Bremsbacken zu lösen, keine Chance. Der Batailloner kam persönlich vorbei um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Er sagte zu Feldwebel Wende vom Kfz - Zug, ich möchte keinen brennenden  Tanker sehen. Wende konnte das nicht garantieren. Der Oberstleutnant entschied, der Tanker rückt ein. Zur Sicherheit fuhr der UAZ des Kfz – Zuges hinter mir her. Kaum waren wir in der Kaserne, meinte Gefreiter Henze, weist du wie deine Bremsen gequalmt haben. Ich dachte die fangen jeden Moment an zu brennen. Böse sagte ich zu ihm, du Plinsenbäcker, da hättest du auch mal was sagen können. Eigentlich will ich auch noch ein Stück leben. Beschwichtigend meinte er ist ja alles gut gegangen. Das Bataillon blieb über Nacht draußen. Ich hatte einen gemütlichen Tag in der Kaserne. In aller Ruhe fuhr ich meinen Tanker auf die Waschrampe und reinigte ihn gründlich. Ab und zu kam mal Spritalfred von der Tankstelle rüber zum quatschen. Ich bat ihn, mir einen Kaffee zu kochen, machte er auch. Er erzählte mir in der ersten Kompanie gibt es einen Springer, der stellt sich absolut stur gegenüber der EK – Bewegung. Sein Vater wäre ein hohes Tier im Verteidigungsministerium in Berlin und der würde seinen Sohnimann den Rücken stärken. Der übt seinerseits Druck auf den Batailloner aus. Ich bin mal gespannt wie das Ausgeht. Wenige Tage später sah ich den Springer persönlich. Ich sprach gerade mit einem Gefreiten vom Kfz – Zug wegen der Reparatur meines Tankers. Auch Soldaten von der ersten Kompanie waren dabei, denn auch andere hatten Probleme mit ihrem Fahrzeug gehabt. Dazu kam der Springer von der Ersten. Sofort löste sich die kleine Besprechung auf, man ließ diesen Sack einfach stehen, 14 Tage später wurde er versetzt. Dieser  Vorgang zeigte die Einzigartigkeit der EK – Bewegung. Sie war  eine Institution für sich selbst, die keinen Vorgesetzten kannte, der sich keiner entziehen konnte. Offiziere bedienten sich ihrer, ohne sie beherrschen zu können, sie war die Armee in der Armee. Hin und wieder, wo die Bewegung sich in Exzessen verrannte, griff das Gesetz regulierend ein und schlug ihr den Kopf ab. Wie bei einer Hydra wuchs er sofort wieder nach. Verhindern konnte und wollte das Gesetz die Bewegung nicht.
Das in Polen die Erde wackelte bekamen wir immer mehr zu spüren. Kurz nach dieser Fahrübung war schon die Nächste angesetzt. Die Betraf allerdings mehr die Sattelschlepperfahrer. Es wurde das Verladen von Fahrzeugen auf Züge geübt. Das war für die Tanker verboten. Aber mit raus fahren mussten  alle. Wir brauchten nicht allzu weit. Die Verladerampen befanden sich in Erfurt Vieselbach. Thomas Kuchta meldete sich als Freiwilliger, er wollte als erster zeigen dass er damit keine Probleme hatte. Geschickt fuhr er über die drei Wagons . Als er am Zugende angelangt war gab Gefreiter Graichen ihm das Stoppzeichen. Jetzt musste die Zugmaschine verkeilt werden. Graichen schlug  Holzkeile vor die Vorderräder. Ganz langsam fuhr Thomas auf die Holzkeile bis wieder das Stopp kam. Schnell nagelte Graichen  Holzkeile hinter die Vorderräder. Dann ließ Thomas seine Zugmaschine zurückrollen und sie saß fest zwischen den Klötzern. Das hatte Thomas richtig geschickt gemacht, ich hatte Respekt vor seiner Leistung. Der Lkw war ja fast so breit wie der Zughänger, da konnte man auch nicht groß rumlenken, das musste alles wie aus einem Guss passieren. Wer rauf fährt musste auch wieder runter. Thomas fuhr wieder ganz vorsichtig auf die vorderen Holzklötzer, Graichen schlug mit dem Vorschlaghammer die hinteren Klötze weg. Langsam aber sicher fuhr Thomas rückwärts über die drei Wagons. Ich sah keine Veranlassung mich für diese Übung freiwillig zu melden. Roos fragte auch nur nach Freiwilligen. Da waren einige die damit kein Problem hatten. Den Meisten allerdings ging es wie mir. Am nächsten Tag war die Abschlußfahrübung für das erste Diensthalbjahr angesetzt. Alle Kompanien rückten mit raus. Zwei Tage waren dafür eingeplant. Es waren richtig heiße Tage, die Temperaturen lagen jenseits der 30 Grad. Aus dem Bezugsraum fuhren wir über Tonndorf Richtung Bad Berka. Zwischen diesen Ortschaften wurde der Atomschlag geübt, wir mussten mit Vollschutz weiterfahren. Bei diesen Temperaturen trank man nach wenigen Kilometern seinen eigenen Schweiß unter der Gasmaske. Weiter ging die Fahrt, über Blankenhain rollten wir Richtung Teichröda. Tatsache hier bogen wir Richtung Erfurt ab, da mussten wir auf alle Fälle durch Remda. Hier wohnte der größte Teil meiner Thüringer Verwandtschaft. Es kam wie es kommen musste, als wir über den kleinen Marktplatz fuhren, kam gerade Tante Marie gelaufen. Sie lief Richtung Dorfkonsum. Ich hupte und winkte, aber wie sollte sie mich auch unter der Gasmaske erkennen?! Wir fuhren über die Dörfer. Kurz hinter Geilsdorf bezogen wir Stellung. Nach dem wir die Lkws und uns mit Wasser „deaktiviert“ hatten, konnten wir den Schutzanzug ausziehen. Ich überlegte in einer Stunde bist du zu Fuß in Remda. Ich versuchte herauszubekommen wie lange wir hier stehen bleiben. Nichts zu machen niemand wusste genaues. Also konnte ich mich auch nicht verdrücken. Aber wenigstens in den Lkws konnten wir schlafen. Zumindest die, die keine Nachtwache schieben mussten. Früh um 4.00 Uhr war wecken, eine Stunde später rollten wir von dannen. Es sprach sich rum wie ein Lauffeuer. Die Uffze. Penndorf und Werner hatten nachts versucht in die Kneipe von Geilsdorf zu kommen. Sie wollten sich Bier in Plastekanistern abfüllen lassen. Roos hatte sie erwischt. Kein Wunder wenn Werner dieser alte Taumelheini mit von der Partie war. In Dienstedt trafen wir auf die erste und zweite Kompanie. Gemeinsam fuhren wir über den Haarberg nach Erfurt. Schon ein ganzes Stück bevor wir von der Staatsstraße links in die Kaserne einbogen staute sich die Fahrzeugkolonne auf. Eine halbe Stunde standen wir in Dittelstedt als der Befehl kam, eine Kreuzung eher nach links abbiegen, das zweite Kasernentor wird geöffnet. Jeder wurde informiert, nur der Kradmelder nicht. Der fuhr links an der Fahrzeugkolonne vorbei. In dem Moment als er den Kreuzungsbereich erreicht hatte, bog ein Fahrzeug der ersten Kompanie links ab. Ungebremst raste er in das Fahrzeug. Ein viertel Jahr später wurde er von der Armee entlassen.

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