Dienstag, 30. August 2011

Der unsinnigste Befehl

 Der 7. Oktober rückte näher. An diesem Tag stand der Republikgeburtstag an. Zu Ehren des Geburtstages sollte wieder ein Tag der offenen Türe veranstaltet werden. Es wurden Fahrzeuge ausgesucht die auf dem Exerzierplatz zur Schau gestellt werden sollten. An den Exerzierplatz schloss sich der Fußballplatz nahtlos an. Beide waren durch Zierelemente aus Beton optisch vom voneinander getrennt. Fußballspielen war uns untersagt wurden. Es gab nach den Spielen zu häufig Innendienstkranke. Soldat Tröger von der zweiten Kompanie rangierte seinen Sattelschlepper mit Panzermunition auf dem Exerzierplatz ein, als ich gerade über diesen lief und in den Armeekonsum( MHO - Militärhandelsorganison ) wollte. Er fuhr rückwärts in die Betonelemente, diese  kippten langsam aber sicher nach hinten um. Der Batailloner schaute zufälliger Weise aus dem Fenster und bekam einen Schreikrampf. Er brüllte, ich mache einen Bataillonsappell, so etwas kann doch nicht sein. Ich dachte da gibt es Schlimmeres, ein Unfall kann  jeden einmal passieren. Ich sah zu das ich in die MHO kam, ehe der seinen Appell abhielt. Und wirklich wegen so einem Unsinn machte er seinen Bataillonsappell. Es klang schon merkwürdig wenn er redete, für seinen Sprachfehler konnte er nichts aber er übertraf sich selber. Nach dem er seine Abhandlung über Unfälle erläutert hatte sprach er, ich befehlee ab heute werden keine Uunfällee meehr gemacht!! Das ganze Bataillon bog sich vor lachen, einschließlich der Stabsoffiziere. So einen unsinnigen Befehl hatte noch keiner gehört. Nach dem Appell setzte Soldat Tröger die Betonelemente neu. Die Arbeit dauerte keine Stunde. Am nächsten Morgen war wieder Bataillonsappell. Die vorzeitigen Beförderungen standen an. Aus unserem Zimmer war es Rudi der zum Gefreiten befördert wurde. Gefreiter Graichen wurde wieder zum Unteroffizier  und Schroth wieder zum Gefreiten befördert. Als ob den das noch so kurzfristig vor der Entlassung anheben würde. Naja egal, jedenfalls hatte Zirl eine kleine Ehrentribüne aufbauen lassen. Er erwartete den SED – Bezirkschef des Bezirkes Erfurt und den Oberbürgermeister der Stadt zu Besuch. Im Vorfeld des Ereignisses hatten wir stundenlang Exerzieren geübt immer schön im Paradeschritt. Bestimmt versprach sich Zirl persönlich etwas davon. Am Vormittag des 7. Oktobers schaute ich mir einmal die Technik des Sanitätsbataillons an. Die verschiedenen OP – Zelte und die Fahrzeugtechnik.  Das war schon einmal ganz interessant. Eines dieser Fahrzeuge war ein Amphibienfahrzeug. Das Grundmodel basierte auf  dem Saporoshez. Dieses Fahrzeug war ein russischer Pkw. Eigentlich wurde viel über dieses Vehikel gespottet. Dieses hier hatten sie zu einem Cabrio umgebaut, einem Zweisitzer. Auf den hinteren Teil hatte man zwei Plasteliegen für Verletzte montiert. So etwas hatte ich noch nie gesehen, ich fragte mich schon ob das Funktionierte. Das Fahrzeug fuhr der Feldscher. Der war 100 Prozent von der Tauglichkeit des Schwimmautos überzeugt. Nach dem Mittagessen traten wir vor der Ehrentribüne an. Der OB, der Parteichef und Zirl hielten eine Rede. Es war die reinste Selbstbeweihräucherung, was anders konnte man auch nicht erwarten und wir Soldaten konnten sowieso nicht weglaufen. Nach den Reden erfolgte der Vorbeimarsch an der Tribüne. Im Paradeschritt zogen wir los. Zuerst die erste Kompanie, dann die Zweite, ja und dann haute es mich bald weg. Nach dem die ersten beiden Kompanien vorbeimarschierten waren folgten wir. Kaum waren wir an der Tribüne angelangt brüllte Roos, im Laufschritt marsch. Wir rannten an der Tribüne vorbei. Zirl fehlte einfach die Ruhe und Cleverniss um angemessen zu reagieren. Nachdem ihm der Kiefer nach unten geklappt war brüllte er, Major Roos sofort zu mir. Roos ignorierte das Schreien von Zirl und machte ihn vollkommen zum Obst vor seinen Ehrengästen. Zirl stürzte von der Tribüne Roos hinterher. Als er ihn eingeholt hatte, schrie er ihn an, wir sehen uns heute noch in meinem Dienstzimmer 17.00 Uhr, haben sie mich verstanden. So lustig wie das für uns war, zeigte es doch die Disziplinlosigkeit von Roos und sein ganzes schizophrenes Verhalten. So einer forderte von uns strengste Disziplin und Gehorsam und war doch selber die Verkörperung des Bösen. Ich fragte mich was in solch einem Kopf nur vor ging.
Noch war es ein knapper Monat bis wir E’s wurden. Die Truppe um Chalerie war schon schwer drauf, wir wollten in diesem Halbjahr noch einmal  in den Ausgang.  Luderer hatte ein paar Tage Urlaub, da trug ich mich schnell in das Ausgangsbuch ein und bekam den Ausgang auch genehmigt. Ich ging gerne  mit der alten Truppe von der A - Kompanie in den Ausgang. Da war immer was angesagt. Freitag Abend zogen wir los und wir ließen die Sau raus. Wir sangen voller Inbrunst das EK – Lied und mit besonderer Hingabe den Refrain: Und dann ziehen wir durchs KTP und scheißen auf die Volksarmee. In der Innenstadt von Erfurt kam das mehr oder weniger gut bei der Bevölkerung an. Auf alle Fälle war es ein kultureller Beitrag von unserer Seite. Wo solch gut gelaunten Sänger wie wir unterwegs waren, war in die Militärstreife nicht allzu weit und so war es auch diesmal. Wir liefen ihnen genau in die Arme. Das wirkte schlagartig ernüchternd auf uns. Alles Schlechte was ich bisher mit  diesen Konsorten erlebt hatte wurde in 5 Minuten als Lügen gestraft. Der Kommandeur der Streife, ein Leutnant, begleitet von drei Soldaten mit MPI sagte zu uns, folgen sie mir bitte in die nächste Seitenstraße. Ich dachte so wie wir uns benommen hatten war es das  für den Ausgang und die Bestrafung wäre die logische Folge. Als wir in die Nebenstraße eingebogen waren sagte er zu uns, nehmen sie Haltung. Wir rissen die Hacken zusammen, so wie sie sich benommen haben müsste ich sie einsperren lassen. Als erstes stellen sie ihre Anzugsordnung her. Für mich hieß das den Schlips umbinden, für andere die Schirmmütze aufsetzen und eigentlich für jeden die Jacke zu schließen.  Es geht doch meine Herren, sprach der Leutnant.  Haun sie ab und benehmen sie sich, so möchte ich sie heute Abend nicht noch einmal erleben. Wir brüllten, jawohl Genosse Leutnant und verschwanden ganz, ganz schnell.

Der Ural

Das Leben in der Kaserne wurde durch die Polenkrise immer unruhiger. Meise und Dietmar rückten zu einer Kommandostabsübung aus. Gott sei Dank betraf das von unserer Kompanie nicht allzu viel Soldaten. Von den Sattelschleppern rückten auch noch einige aus. Die Übung fand auf dem Truppenübungsplatz in Nochten statt. Das war einer der größten Übungsplätze in der DDR. Es war auch Derjenige der am Nächsten zu Polen lag. Die DDR war ja nicht allzu groß, viele Möglichkeiten gab es keine um solche Plätze anzulegen. Den in Nochten hatten die Russen 1945 nach Beendigung des Krieges eingerichtet. Die NVA hatte ihn dann irgendwann nach ihrer Gründung übernommen. Der zog sich ungefähr bis 5 Kilometer an die polnische Grenze heran. Den Grenzverlauf zu Polen bestimmte die Neiße. Die Neiße entsprang im Isergebirge nahe der Stadt Jablonec ( Gablonz ). Nach wenigen Kilometern und einiger kleiner Stauseen erreichte sie Polen, um ab Zittau den Grenzverlauf zu bilden.  Ungefähr10 Kilometer hinter Guben mündete sie in die Oder. Viele Dörfer und Städte waren zweigeteilt. Meistens lagen der größere Teil der Ortschaften auf deutscher Seite. Genau genommen  gehörte die Region des Bezirkes Dresden zu Mitteldeutschland. Aber mit Beendigung des zweiten Weltkrieges wurde Deutschland geteilt und Schlesien kam zu  Polen. Aus diesem Grund sprach  der Volksmund von Ostdeutschland ( DDR ) und Westdeutschland ( BRD ). Das sich die Russen die Gegend um Nochten als Übungsplatz ausgesucht hatten, lag wahrscheinlich an der Landschaft. Riesige Kiefernwälder und Sandböden prägten die Region, wie in der Taiga. Unterbrochen wurde die Einöde durch große Braunkohletagebaue. An dem Tag als Meise und Dietmar nach Nochten ausrückten, wurde ein Ural mit Kastenaufbau in die Kaserne geschleppt. Er war von irgendeiner Thüringer Truppe die mit zu dieser Kommandostabsübung sollte. Um den Lkw reparieren zu können, musste der KFZ - Schlosser in den Kastenaufbau. Als er ihn öffnete kam es zum Eklat. Der Ural war vollgestopft mit Särgen. Schleunigst berief Zirl einen Bataillonsappell ein um die Situation zu beruhigen. Er argumentierte dass es in allen Bereichen des täglichen Lebens zu tödlichen Unfällen kommt. Niemand nehme daran Anstoß, außer den unmittelbar betroffenen Angehörigen. Genauso wäre es bei der Armee. Durch den Gebrauch von Schusswaffen und einer besonders hohen Konzentration von Menschen und Material sei die Gefahr nun einmal gegeben das es zu einer erhöhten Anzahl von Unfällen bei Übungen kommen kann aber nicht zwangläufig muss. Für den Fall der Fälle verlangt es der menschliche Anstand und die Pietät das entsprechende Utensilien bereit stehen und ständen. Das klang alles logisch und genau genommen wusste jeder von uns,  der Oswin lauert über all. Nur war es immer etwas anderes, wenn man näher damit konfrontiert wurde. Im Gegensatz zu den Sattelschleppern waren Meise und Dietmar relativ schnell von der Übung wieder zurück. Bei der Übung gingen die Wälder um den Schießplatz in Flammen auf. Es war ja auch relativ Trocken und warm in den letzten Wochen gewesen. Schnell mussten die Beiden ihren Diesel an die kleineren und wendigeren Uraltanker abgeben und die Gefahrenzone verlassen. Meise erzählte die Mucker schliefen in Erdlöschern während der Übung. Auch sie sollten das und hatten sich eine Erdmulde gebuddelt. Wären aber Abends in ihre Lkws geschlichen. Das Essen war erstaunlich gut gewesen. Bei den Panzerfahrern des  4. Panzerregimentes kocht ein Fähnrich und der hätte richtige Ahnung, der würde aus Kienäppeln noch etwas zaubern.
Aber auch für die Offiziere wurde es während der Polenkrise  ungemütlicher. Es wurden immer öfters Schießübungen angesetzt. Der Pistolenschießplatz befand sich auf unserem Kassernengelände gleich neben der Kompanie. Die Offiziere suchten auf freiwilliger Basis Soldaten, die die Schießscheiben wechselten. Von unserer Stube war Mario wie das Messer, wenn es ums Schießen ging. Da war er so etwas von geil drauf, es war einfach unglaublich. Er spekulierte darauf auch einmal mit der Pistole schießen zu dürfen. Mit der Spekulation  lag er genau richtig. Die Buckels suchten ein paar Dumme die ihre Pistolen putzten und das machte derjenige der mit der Pistole zuletzt schoß. Logischer Weise waren das immer die Soldaten. War eine Schießübung für Offiziere angesetzt, Mario meldete sich immer freiwillig. Es störte ihn überhaupt nicht, das er sich zum Handlanger der Offiziere machte. Auch als es um das Schießen für die Schützenschnur ging, war Mario in der ersten Reihe. Stolz heftete er sich die Affenschaukel an die Jacke. Für diesen Unsinn hatte ich nur ein müdes Lächeln übrig.
Roos hatte mal wieder OvD. Da war wieder richtig Sackgang angesagt. Ich wollte eigentlich in den Ausgang. Der verzögerte sich gewaltig. Roos machte die Wachablösung nach Dienstvorschrift, das behauptete er zu mindesten. Ich hatte eher den Eindruck es war seine persönliche Dienstvorschrift, die da zur Anwendung kam. Die zweite Kompanie sollte die Dritte ablösen. Roos hatte alles zu bemängeln, das fing bei der Kleiderordnung an und endete bei der Reinigung des Wachlokales. Was gewöhnlich eine halbe Stunde dauerte, dauerte zwei Stunden. In dieser Zeit ließ Roos niemand in den Ausgang. Zu guter Letzt verlangte Roos den Wachaufzug mit Marschgesang. Den Gefallen tat die zweite Kompanie Roos gerne. Sie sangen das EK – Lied. Heinz Roos, Heinz Roos bald sind wir dich nun los, dann kannst du wieder striezen, die Springer und die Viezen. Roos lachte böse, mir war schon klar er würde aller zwei Stunden den Wachwechsel persönlich kontrollieren. Hier zeigte sich die ganze Kameradschaft die unter uns Soldaten herrschte. Weder die Soldaten der Zweiten noch wir der Dritte machten untereinander Stress wegen der Blödheit der Offiziere. Da war eher ein Bedauern das man solchen Idioten ausgesetzt war.  So begann unser Ausgang mit Verspätung. Ich hatte diesmal Glück gehabt das Luderer mir den Ausgang nicht gestrichen hatte. Vielleicht  lag es auch daran, dass ich in das Ausgangsbuch nur meinen Familiennamen geschrieben hatte. Es gab ja noch mehr Müllers. Kaum waren wir in der Innenstadt angelangt lief uns die Militärstreife über den Weg. Sie ließ uns in Ruhe. Aber das wirklich interessante waren die Wachsoldaten die den Offizier bekleideten. Einer von ihnen war Lutz Scheunert, den hatten sie ja Ende des ersten Diensthalbjahres von unserem Bataillon in den Divisionsstab versetzt. Da hatte dieser Schleimbeutel ja die richtige Tätigkeit. Er grüßte zu uns rüber, keiner von uns grüßte zurück. Wir fühlten uns unangenehm berührt von dieser Begegnung. Hoffentlich begegnet der mir mal nicht auf einer Fahrt Richtung Heimat. Ich hatte einmal während des Urlaubs Hüni von diesem Menschen erzählt. Hüni fragte wie heißt der? Lutz Scheunert, wiederholte ich.  Mit dem Rindvieh habe ich gelernt sagte Hüni, ein übler Bursche, er war der Zuträger beim Lehrmeister. Einmal ist dem ein Hammer ins Gesicht gefallen, da konnte er sein Zähne neben dem Amboss aufsammeln. Aber sein Vater war ja Zahnarzt, der hat ihm eine schöne Prothese gebastelt. Manchmal trifft es eben doch die Richtigen.

Freitag, 26. August 2011

Sticheleien

 Das die Soldaten Diensthalbjahresweise lagen sollte die EK Bewegung eindämmen. Das ging schon mal nach hinten los. Es hatte aber noch einen anderen Nachteil, anfänglich war er nicht zu erkennen. Mit fortschreitender Zeit kristallisierte es sich immer mehr heraus. Die Hackordnung fehlte. Niemand musste sich dem Anderen auf dem Zimmer unterordnen, eigentlich waren wir gleichgeschaltet. Das führte automatisch zu Konflikten. Gewöhnlich entluden die sich in kleinen Sticheleien und Spöttereien. Ich war von Haus aus in die Richtung veranlagt, dieser Umstand verstärkte meine Neigung. Ich fand schnell die Schwächen Anderer heraus und konnte darin stundenlang rumpulen. Damit hatte ich kein Problem. Irgendwann, die Meisten von uns lagen faul auf den Betten, fing Bengert an von seiner Freundin zu erzählen. Ihn musste der Teufel geritten haben, als er meinte sie arbeitet bei der Staatssicherheit. Glauben tat ich es ihm nicht, er wollte sich bestimmt nur wichtig machen. Da ist deine Freundin wohl eine richtige Rote, hörte ich Meise fragen? Ich schaute zu Meißner, der grinste und ich legte noch einen drauf. Da sind die Kommunisten wohl nicht nur manchmal im Busch, sondern ständig bei dir zu Hause? Das Zimmer jubelte, Bengert meinte wir wären dumme Schweine. Ich sagte zu ihm dumme Schweine sind besser wie Rote. Ach lasst mich doch in Ruhe, brummte er. In den nächsten Tagen stichelten wir immer wieder. Meise trällerte rot für dich rot für mich. Das fand ich gut und viel in den Gesang mit ein. Bald darauf sang es das ganze Zimmer. Bengert hatte die Schnauze endgültig voll und schrie wenn ihr nicht aufhört haue ich euch allen ein paar rein.  Wir lachten ihn aus. Auf einmal meinte er, ich habe euch gewarnt, ich mache Meldung wenn ihr nicht aufhört. Das zog, davor hatten fast alle Angst und hörten auf. Ich wollte es näher wissen und fragte ihn, was willst du denn melden und bei wem willst du es melden? Bengert schaute mich mit großen Augen an und wusste nicht so recht was er sagen sollte. Na dem Roos werde ich es sage, ich lachte ihn aus. Der wird sich aber bei dir bedanken und dich ab treten lassen. Bengert wurde aggressiv, das wird der sich überlegen wenn ich ihm sage ihr habt euch über die Stasi lustig gemacht. Das haben wir ja gar nicht über dich haben wir uns lustig gemacht, du Kameradenverräter. Du bist doch nichts weiter wie ein Arschloch sagte ich zu ihm. Bengert flippte vollkommen aus und brüllte mich an, dich schlage ich kurz und klein, du Rindvieh. Da war er bei mir genau richtig. Das kannst du machen sagte ich zu ihm, ich suche schon seit einem viertel Jahr jemanden der mir meine Gebisssanierung bezahlt, ich werde mich auch nicht wehren. Er drehte völlig frei, komm sofort mit raus das regeln wir gleich. Ich ging in den Duschraum, er kam hinterher getobt. Na los fang an, hier ist mein Kinn da kannst du mal ordentlich drauf haun. Bengert war verunsichert und fragte warum machst du das? Was mach ich denn? Du hast doch vor Allen erzählt deine Freundin ist bei der Stasi. Da werden die sich aber bei dir auch recht schön bedanken, dass du so etwas erzählst. Mit dem bisschen Spott bist du doch gut bedient. Auch dass du mich kurz und klein schlagen willst hast du vor acht Zeugen erzählt. Da hätten wir gar nicht raus gehen brauchen, das kannst du auch auf dem Zimmer machen. Bengert wurde ruhiger und meinte von der Seite habe er das nicht betrachtet. Weist du was, ich hole heute Bier und dann trinken wir einen drauf. Klingt gut, sagte ich. Bier holen können die Springer, es langt zu wenn du es bezahlst. Lachend gingen wir aufs Zimmer. Kummer nahm mich in einem ruhigen Moment bei Seite. Was hast du denn dem erzählt, dass er sich so schnell ein bekommen hat?  Mein lieber Uwe eigentlich nichts weiter. Ich habe ihm klar gemacht jede Medaille hat zwei Seiten.
Meise war bei uns der Stubenälteste, das akzeptierte jeder, das war in Ordnung. Nach dem zweiten Frühstück auf dem Zimmer sagte er zu Ulf, wisch doch mal bitte den Tisch ab, wenn der Roos reinschaut gibt es sonst wieder Ärger. Ulf war zickig und rief immer ich. Du bist auch immer der Letzte, sagte Meise und dann hast du dich immer wie ein Mädchen. Ulf lachte albern. Man das klingt wie bei so einer Uschi schimpfte Arno. Das war die Geburtsstunde von Ulfs Spitznamen. Er war ab jetzt unsere Uschi. Unbedingt rief das bei ihm kein Frohsinn hervor. Je mehr er sich ärgerte, umso lieber riefen wir ihn Uschi. Den Namen wurde er nicht mehr los. Eigentlich war es nicht üblich dass ein Geburtstagskind von uns beschenkt wurde. Wer Geburtstag hatte der musste ein Teil Bier ausgeben und damit war die Sache erledigt. Meise meinte, dem müssen wir genau das Richtige schenken. Kümmerli sagte Lockenwickler wären nicht schlecht, genau rief Bernhard jeder bringt aus dem Urlaub irgendein Utensil mit. Da ich aber erst im Sonderurlaub war, konnte ich nichts mit beisteuern. Es war schon amüsant was da zusammen kam. Ein Haarnetz, Strumpfhosen, Lockenwickler, Damenparfüm und noch einiges mehr. Meise schrieb die Glückwunschkarte. Unserer lieben Uschi alles Gute zum Geburtstag, dann unterschrieben alle. Als er eingeschlafen war packten wir es auf den Tisch. Am nächsten Tag hatte Roos Frühdienst. In seiner ungehobelten Art stürzte er schon halb Sechs in die Zimmer, damit wir auch alle schon bei Zeiten wach waren. Er sah die Geburtstagsgeschenke und begutachtete sie, er nahm die Glückwunschkarte und las. Während meine Zimmerkameraden so taten als schliefen sie tief und fest, schaute ich was Roos  veranstaltete. Er bekam es mit das ich ihn beobachtete.  Müller brüllte er, damit auch alle munter wurden, wer ist Uschi? Ulf schlief im Doppelstockbett neben mir, oben. Ich zeigte grinsend mit dem Daum nach ihm. Roos lachte los, das habe ich mir schon fast gedacht, der sieht auch so aus und polterte aus dem Zimmer. Wir hatten aber auch noch andere Hobbys, als sich untereinander zu ärgern. Wir hörten in unserer Freizeit gerne und viel Radio. In Thüringen empfingen wir genügend deutschsprachige Radioprogramme. Ostdeutsche Sender wollten wir natürlich nicht hören. Was verboten war reizt doppelt. Am liebsten hörten wir Hitparaden. Da hatte fast jeder Sender seine Eigene. Das Musikangebot war viel weitergefächert als in der DDR. In der DDR gab es ende der 70ziger Jahre eigentlich nur zwei Hauptrichtungen was die Unterhaltungsmusik anging. Das waren Schlager und deutsche Rockmusik. In der BRD sah das alles etwas anders aus. Da gab es Rock and roll, Country, Schlager, Rockmusik, Chansons, Blödelmusik und noch einiges mehr. Ich will nicht sagen dass es das bei uns nicht gab, aber die meisten Musikrichtungen davon  besetzten bestenfalls Nischen. Im Radio hörte man solche Musik nicht. Bands wie Torfrock und Truckstopp lösten bei uns schon Jubelstürme aus.

Donnerstag, 25. August 2011

Der Freundschaftswettkampf

Schnell war man in den Trott der Armee zurück gekehrt, der militärische Alltag holte einen fix ein. Eines Tages hieß es, es würde sportliche Freundschaftswettkämpfe mit den sowjetischen Soldaten geben. In den Disziplinen 3000 Meterlauf, Handgranatenweitwurf, Weitsprung, Schießen und Sturmbahnlauf sollten die Besten ermittelt werden. Von unserer Kompanie hatten sich unter anderem Thomas Kuchta und Andreas Kempe gemeldet. Es war ein Wochenende an dem der Wettkampf statt fand. Die russischen Offiziere kamen uns auf den Kompanien besuchen. Sie waren freundlich und nett  und brachten kleine Geschenke mit. Einer der Offiziere machte einen kleinen Pappkoffer auf  und legte aufs Zimmer mehrere Schachteln Zigaretten. Misstrauisch begutachteten wir die Schachteln. Mühsam entzifferte ich die kyrillischen Buchstaben, Siwernye hieß die Sorte. Meise machte eine Schachtel auf. Es waren filterlose Zigaretten. Der lange Müller roch an ihnen und sagte die riechen wie russisches Steppengras, wir lachten. Meise zündete sich als erster eine an, er rauchte sowieso meistens filterlose Zigaretten. Er meinte, die schmecken wie getrocknete Kamelscheiße. Sie stanken wirklich fürchterlich. Ich sagte, das muss man positiv sehen, da fallen die Mücken Tod von den Wänden. Ich probierte auch eine. Nach der Hälfte drückte ich sie aus. Das Steppenkraut war ziemlich stark und schmeckte wirklich nicht besonders. Ich meinte zwei Schachteln stecke ich mir  ein, wenn man mal wieder knapp bei Kasse ist, müssen die eben reichen. Wir teilen die Schachteln unter uns Rauchern auf. Zum Wettkampf ging ich nicht, er fand ja in der Freizeit statt, da konnten die mich alle mal. Lieber haute ich mich in die Koje und lauschte am Bettzipfel. Die Auswertung des Wettkampfes war interessant. Die Russen hatten drei von fünf Disziplinen gewonnen. Aber die Plätze zwei bis fünf belegten unsere Soldaten. In der Mannschaftswertung waren wir Deutschen einfach besser. Hoffentlich wurden die russischen Soldaten nicht bestraft. Sie wurden sowieso wie Tiere gehalten. Einmal hatten wir während des ersten Diensthalbjahres eine russische Kaserne besucht. Die Soldaten schliefen in Sälen bis zu 70 Personen. Sie hatten einen einzigen Schrank. Der war endlos lang und mit Schiebetüren versehen. Die einzelnen Fächer und Regale waren durchnummeriert und den Soldaten zugeteilt. Zwei Jahre mussten sie in Deutschland dienen, davor ein Jahr in ihrer Heimat. Einen Anspruch auf Heimaturlaub gab es nicht, der konnte gewährt werden. Ausgang war nur in Gruppe möglich.  Die russischen Kasernen sahen meistens verkommen aus aber pik sauber waren sie von innen.  Die russischen Soldaten durften  nicht einmal auf unsere Kompanien, damit sie nicht sahen, wie „luxuriös“  die NVA – Soldaten lebten. Da fragte man sich schon, wie konnte so eine Armee den Weltkrieg gewinnen. Denn die kriegsentscheidenden Schlachten hatten nun mal die Russen gewonnen, und nicht die Amerikaner oder die Engländer, von den Franzosen ganz zu schweigen. Laut durfte man so eine Frage natürlich nicht stellen. Davon mal abgesehen hatten die Ideologen immer eine Antwort parat.          
Wir versuchten es uns schon gemütlich  auf den Zimmern zu machen. Den Umständen natürlich entsprechend. Meise, Dietmar und Rudi fuhren öfters mal raus um ihren Sprit in andere Kasernen zu fahren. Hin und wieder gingen sie einkaufen, so etwas war natürlich auch eine Kostenfrage. Manchmal brachten sie ein paar Flaschen Fruchtwein mit. Da kam der Liter eine knappe Mark. Die andere Seite war,  solche Dinge gab es schwer zu kaufen. Die DDR verfügte über eine Mangelwirtschaft. Eines Tages brachte Rudi ein Kilo Hackepeter mit rein. Ich hatte aus der Küche ein paar Zwiebeln  besorgt.  Mario und Uwe machte sich ans Zwiebel schneiden, Müller kochte Tee jeder hatte zu tun. Nur ich lag faul auf dem Bett und belegte Mario dumm, nicht böse aber nervend.  Nach einer Weile stand ich auf und wollte auf die Toilette, ich musste an Mario vorbei. Der sagte zu mir, das wird ja Zeit das du fauler Sack dich auch einmal bewegst. Ich sah aus dem Augenwinkel er wollte mir mit einem Gegenstand auf meinen Allerwertesten schlagen. Mit der linken Hand schlug ich gegen dieses ominöse Objekt. Das entpuppte sich als Messer und ich schnitt mir meinen linken Ringfinger bis zum Knochen auf. Mario war genauso erschrocken wie ich und holte schnell ein Pflaster. Das war nach wenigen Sekunden durchgesuppt genauso wie der Verbandsmull den wir dann anlegten. Mario meinte da müssen wir zum Doc, das muss genäht werden. Wir sausten ins Sanitätsbataillon. Der Doc. war nicht mehr da aber der Feldscher. Der Fähnrich hatte von uns den Namen Fleischer verpasst bekommen. Der blühte richtig auf als er den Finger nähen konnte. Die nächste Woche war ich Innendienstkrank. 
Die E`s von den Sattelschlepperfahrern erledigten ihre Einkäufe prinzipiell mit dem Fahrzeug. Samstag nach Dienstschluss war der Fuhrpark oftmals nicht verschlossen, da einige mit ihren Arbeiten am Fahrzeug bis 12 nicht fertig wurden. Die E.s  nutzten das zu Schwarzfahrten. Von den Offizieren war nur der OvD im Bataillon und der wusste nicht bescheid, wer einen Fahrauftrag hatte und wer nicht. Die Wache interessierte es gleich gar nicht. Warum sollten wir unseren eigenen Kameraden Stress machen. Die Fahrzeuge mussten natürlich wieder betankt werden. Die Tatras waren Dieselfahrzeuge. Es langte zu wenn ein drittel des Kraftstoffes im Tank Diesel war. Der Rest konnte Benzin sein. Das mit dem Betanken wurde zum Problem. Die Tankerfahrer hatten Angst. Der Militärstaatsanwalt hatte gerade seinen eigenen Fahrer zu vier Monaten Schwedt verurteilt, als er mitbekam, das dieser Sprit heimlich verkauft hatte, ein exemplarisches Urteil. Mich störte das nicht, ich tankte die Fahrzeuge auf. Was sollte da schon passieren?  Einmal im halben Jahr wurden die Fahrzeuge ausgelitert, mit anderen Worten es wurde nachgemessen wie viel Benzin verflogen war. Jeder Tanker verfügte über einen Kapillarfilter wo die entstehenden Gase entweichen konnten. Klar wenn man andere Fahrzeuge betankt, war der Verdunstungsgrad etwas höher und bei mir war er am höchsten. Ich sagte zu Patschen und  Roos das ist nur logisch, schließlich fahre ich einen von  zwei Tankern mit VK 79. Das niedrig oktanische Benzin verflüchtigt sich nun mal schneller und Unterschiede gibt es zwischen jeden Tanker, das liegt sicherlich an den Filtern. Außerdem gibt der andere VK 79 Tanker sein Benzin öfters mal in Kasernen ab und wird zwischenrein mit neuem Kraftstoff versehen. Das war für beide logisch und sie bohrten nicht weiter nach. Das Tanklager für die Tanker war in Erfurt Marbach. Dort residierte Fähnrich Brausewetter. Der war formell Roos unterstellt, aber eben weit, weit weg. Wenn er mal in der Kompanie auftauchte, brachte er eine Flasche Schnaps mit und verschwand bei Roos im Dienstzimmer. Das war ein offenes Geheimnis, das wusste jeder. Solche Aktionen wie das Betanken und dem Auslitern der Fahrzeuge sprachen sich unter den Soldaten schnell rum und ich galt bald als harter Hund unter ihnen. Das hatte zur Folge, das erste Diensthalbjahr hatte großen Respekt vor mir. Wenn es irgendwelchen Ärger mit ihnen auf dem Zimmer gab, schoben mich meine Zimmerkameraden vors Loch. Ich hatte damit kein Problem.                              
In meiner Freizeit las ich gerne mal ein Buch. Im Bataillon befand sich eine Bibliothek. Viel Schundliteratur gab es da. Das einzig Interessante  war die Bibliothekarin. Als frisch Verheirateter schaute man natürlich nur mit einem halben Auge hin. Im Fernsehzimmer der Kompanie standen in den Schränken auch Bücher herum. Keine Sau schaute da hin. Irgendwann machte ich mir doch die Mühe und stellte erstaunt fest, es standen da mehrere Bücher von Solschenizyn. Es musste schon sehr lange her sein, das hier jemand nachgeschaut hatte. Denn dieser russische Schriftsteller war in der DDR unerwünscht bzw. verboten. Da konnte man mal sehen, wann ein Offizier hier das letzte Mal reingeschaut hatte, vielleicht tauchten hier noch alte Wehrmachtsbücher auf. Ich schnappte mir so ein Buch und fing es an zu lesen. Naja es ging um den großen Vaterländischen Krieg, wie die Russen den letzten Weltkrieg umschrieben. Im Großen und Ganzen beschrieb es  den „ruhmreichen Sieg“ der Sowjetarmee. Das übliche Gelaber, aber halt eine Passage des Buches widmete er dem Einmarsch der Sowjetarmee 1939 in Polen. Das war Interessant. Wenn das stimmte was da stand, hatten die Russen ihren Krieg gegen die Polen  mit den Deutschen gemeinsam geplant. Er ummantelte das natürlich geschickt mit den Worten, zum Schutze der Heimatinteressen haben sie Ostpolnische Gebiete besetzt. So etwas barg natürlich politischen Sprengstoff.  Kein Wunder das seine Schriften im Osten verboten waren.

Mittwoch, 24. August 2011

Hochzeit

 Der August ging zu Ende am 13.09. wollte ich heiraten. Bis dahin waren es noch ein paar Tage. Nach 20.00 Uhr gingen wir für  gewöhnlich in den Fernsehraum. Meistens schauten wir Westfernsehen. Wenn man in Erfurt war, musste man das nutzen. 90 Prozent der Soldaten sahen das ebenso. Sie kamen ja fast alle aus dem Bezirk Dresden und waren über  das Westfernsehen genauso froh wie ich. Der Farbfernseher war ein russisches Produkt und hieß Raduga. In den sozialistischen Ländern wurde das SECAM System für das Farbfernsehen genutzt. Im Westen wurde das Farbfernsehen auf der Basis des PAL System gesendet. So konnten wir das Fernsehen aus dem Nachbarland wir nur schwarz - weiß empfangen. Es störte uns nicht weiter, im DDR Fernsehen liefen auch noch viele schwarz – weiß Filme. Aber ich sah das erste Mal Horror und Sciencefiction Filme. Am Besten gefiel mir die Schau mit Mike Krüger. Die halbe Kompanie stand Kopf, als es hieß, Samstagabend kommt Frankenstein. Nach dem Film war mir klar, die kochen auch nur mit Wasser. So ein Unsinn wäre nachmittags bei Professor Flimmrich ( Kinderfernsehen )  im DDR Fernsehen gelaufen. Spannend wurde es wenn der Fernseher in die Reparatur musste. Da waren wir ganz schön am kreiseln, denn das Relais musste ausgelötet und die Petschaft geknackt werden, ohne das es die Offiziere mit bekamen. Kam der Fernseher aus der Reparatur zurück, begann das Spiel von Neuen. Russische Fernseher waren öfters kaputt, die produzierten mehr Hitze wie Bildqualität. Den Offizieren war trotzdem klar auf den Kompanien wird Westfernsehen geschaut. Manchmal versuchte der OvD es zu unterbinden. Immer wenn er auf die Kompanie kam brüllte der der UvD Achtung und machte Meldung. Das war für uns das Zeichen, die Stromverbindung zu dem Relais zu unterbrechen und der Fernseher schaltete auf eins von zwei DDR Programmen um. OvDs die sich für besonders gewieft hielten, gaben dem UvD durch Handzeichen zu verstehen, sie sollten nicht Achtung rufen. Aber wir kannten ja unsere Pappenheimer. Wenn einer der üblich Verdächtigen OvD hatte, stellten wir einen Springer als Sonderwache vor die Tür. Der kam dann schnell in den Fernsehraum, wenn so eine Pappnase auftauchte. Ich nahm mir auch mal in der Freizeit etwas Sinnvolles vor und beschäftigte mich mit dem Basteln einer Deckenlampe. Aus Speerholz sägte ich die einzelnen Elemente aus. Es waren an die 20 Einzelteile. Sechs davon wurden mit Blumenornamenten versehen. Zuerst zeichnete ich sie auf das Speerholz um sie dann auszusägen. Der nächste Arbeitsgang war das Schleifen und Schmirgeln der Einzelteile. Die mit den Ornamenten verzierten Teile wurden auf der Rückseite mit Transparentpapier beklebt. Ich hatte im Vorfeld der Bastelarbeiten schon verschiedenfarbiges Glas gesammelt. Das wickelte ich in unterschiedliche Tücher und zerschlug das Glas mit dem Hammer zu kleinen und feinen Splittern. Diese mischte ich mit Leim und drückte die Masse in die ausgesägten und mit Transparentpapier verklebten Ornamente. Auf dies Art und Weise entstanden wunderschöne Glasblumen. Zu guter letzt setze ich die Einzelteile zusammen, verleimte und verschlief  sie. Nach Installation der Elektrik spendete sie ein wunderbar warmes Licht. Mit dem Lötkolben senkte ich die Kanten zu einem tiefen Braun. Im abschließenden Arbeitsgang lackierte ich meine Lampe mit matt glänzendem farblosem Lack.
Dann war es soweit die Hochzeit stand an. Man hatte mir zwei Tage Sonderurlaub bewilligt. Ich war nicht der erste von unserem Diensthalbjahr der heiratete. Vor mir hatte schon Chaleri den Gang gewagt. Mit der Hochzeit während der Armeezeit wollte man eigentlich demonstrieren, auch hier geht das Leben weiter. Freitag den 12.09. nach Dienstdchluss wollte ich in den Urlaub. Es gab Stress. Nur wenn mein Tankerhänger wieder einsatzfähig war durfte ich in den Urlaub. Ich mache den Leuten vom Kfz Zug mein Anliegen klar. Den Hänger hätten sie schon lange reparien können. Immer wieder ging ich ihnen auf den Zünder. 17.00 war er fertig und ich macht mich für den Urlaub startklar.Während der Zugfahrt überkamen mich wieder Zweifel ob ich mit der Hochzeit richtig lag. Irgendetwas stand zwischen Conny und mir, seit der Geburt unseres Sohnes. Was sollte ich machen? Der Urlaub war immer zu kurz um über das Problem zu reden. Da musste ich jetzt durch. Über die Problematik konnte man auch nach der Armee reden, da war man wieder vor Ort, da konnte man es direkt anpacken. Also schob ich die düsteren Gedanken in die Ecke. Gegen 22.00 Uhr schlug ich bei Vattern auf. Conny und Thomas waren auch da. Vater war mit den Nerven am Ende und drehte restlos am Rad. Erna war ja auch noch da. Sie war extra aus Singen angereist. Die Wohnung war rappelvoll. Es war furchtbar. Der Hochzeitsurlaub  fing gut an. Das Standesamt befand sich auf dem Wasaplatz. 10.30 Uhr war Termin. Die Taxen verspäteten sich. mein sorbischer „Freund“ hatte sich doch entschieden zur Hochzeit zu erscheinen und labberte Conny schon wieder voll, umhüllt von einer Schnapswolke. Seine Frau tat mir wirklich leid. Ich sagte zu ihm hör auf oder es kracht. So hatte ich mir die Hochzeit nicht vorgestellt. Endlich kamen die Wolgataxen. Conny ging ganz in weiß, es war ihr Traum. Ich hatte einen dunkelblauen Anzug an, Erna hatte ihn mir geschenkt. Nur hatte ich bei der Armee reichlich 10 kg abgenommen, ich brachte keine 60 Kilo mehr auf die Waage, ich hing in dem Anzug wie ein Schluck Wasser. Es war nicht zu ändern. Die Hochzeit selber und die anschließende Feier verliefen ruhig und friedlich. Vater bekam sich nicht mit dem Schwiegerdrachen in die Haare. Nach Mitternacht schlugen wir bei Conny auf. Die Hochzeitsnacht war wie jede Nacht mit ihr. Am nächsten Morgen versuchte ich mit ihr über meine Sorgen zu reden, sozusagen als Ehemann zur Ehefrau. Conny sagte sie hätte die Geburt geistig noch nicht verarbeitet. Sie wäre selig und körperlich sehr belastend gewesen. Ich wusste selber solche Dinge brauchen Zeit. Unterstützen konnte ich sie kaum, denn heute Abend musste ich ja auch schon wieder weg. Aber ein Anfang war gemacht auf dem man aufbauen konnte. Wie schon das letzte Mal ging ich nicht allzu spät, damit Thomas zur Ruhe kommen konnte. Ich schaute bei Vater noch mal vorbei, bedankte mich bei ihm und Erna für ihre Mühe und die Geschenke. Bevor ich nach Dresden Neustadt machte nahm ich mir neue Zivilsachen aus dem Schrank. Der Endschuss war weise keine Armeesachen anzuziehen. Vor dem Zug patrollierte die  Militärpolizei. Wie immer durften wir keine internationalen Züge benutzen. Die hätten mich gleich festgenommen. Ich lief durch den Zug und sah dass die Militärpolizei sich in einem Abteil häuslich eingerichtet hatte. Ich hörte wie sie sich mit dem Zugschaffner unterhielten. Dieser sagte zu den Kettenhunden, der Genosse von der Transportpolizei muss auch gleich kommen, dann können wir mit der Kontrolle beginnen. Mir wurde anders, das hieß sie wollten auch Zivilisten kontrollieren. Schnell stieg ich aus dem Zug. Was machst du jetzt bloß ging mir durch den Kopf? ich schaut auf den Fahrplan, der nächste Zug fuhr 05.50 Uhr nach Leipzig um 06.00 Uhr musste ich in der Kaserne sein. Ich fuhr zurück zum Hbf und ging an den Fahrkartenschalter und bettelte die Bahnangestellte ob sie mir nicht eine Bestätigung schreiben könnte, dass der Zug von Heidenau nach Dresden, wegen eines Oberleitungsschaden, Verspätung hatte. Sie sagte das könnte sie nicht tun. Ich bettelte weiter, die sperren mich ein, wenn ich zu spät komme. Wollen sie das wirklich? Sie schüttelte den Kopf, nahm ein Formular und bestätigte die Verspätung. Ich sagte zu ihr, ich könnte sie Küssen, sie lachte. Ich ging noch einmal zu Vater, da schlief alles. Die bekamen von der Sache gar nichts mit. Früh der Zug fuhr pünktlich. Ich traf einen Resi der Luftwaffe, er wollte nach Sangerhausen. Er hatte Urlaub bis Mittag 12.00 Uhr bekommen. In Erfurt musste er in den Personenzug nach Sangerhausen umsteigen. Wir machten es uns gemütlich bis Erfurt und gingen auf dem Bahnhof noch in die Mitropagaststätte  auf zwei Bierchen. Danach trabte ich in die Kaserne. Dort lauerte man schon auf mich, man hatte die Sache schon zum Batailloner getragen. Ich musste sofort auf das Dienstzimmer von Roos. Erstaunlicherweise redete er normal mit mir. Ich legte ihm die Bescheinigung der Bahnangestellten vor. Da haben sie aber Glück, meinte er. Warum haben sie nicht angerufen?. Ach wissen sie, ich war so aufgeregt, daran habe ich nicht gedacht. Ja,ja meinte er, treten sie weg.
Auf der Kompanie hatte es heute Morgen gewaltigen Stunk gegeben. Roos hatte Frühdienst gehabt und die Kompanie zum Essen begleitet. Da mussten auch die E´s mit. Roos wollte das die Kompanie ihr Marschlied singt. Sie hatten sich geweigert. Roos ließ sie immer wieder um den Exerzierplatz marschieren, aber sie sangen nicht. Wut entbrannt  ließ er sie Essen, das durfte er der Kompanie nicht verweigern. Essen war Dienst und Dienst ist Pflicht. Danach ließ er die Kompanie wieder marschieren. Sie weigerten sich aber nach wie vor zu singen. Roos beantragte zur „militärischen Ertüchtigung“ beim Batailloner einen Nachtmarsch. Denn Gruppenbestrafungen waren verboten. Mit mir hatte die Sache ja nun nichts tun, Roos verkündete: Müller macht dass mit, damit er merkt bei der Armee sieht die Hochzeitsnacht anders aus. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Ich dacht na warte, du Arsch. Der Marsch sollte mit voller Ausrüstung statt finden. Ich schütte mein Sturmgepäck in den Spind, genauso wie die Gasmaske und den Jumbo. Die Taschen und die Jumborolle füllte ich mit Zeitungspapier. Kummer meinte und wenn der nun Gasalarm gibt. Da habe ich halt Pech. Meiße und Bengert machten es genauso. Roos ließ uns in den Bezugsraum nach Windischholzhausen marschieren. Die Gefreiten Grabow und Ullrich waren Innendienstkrank geschrieben. Sie holten uns in Mönschsholzhausen mit den Fahrzeugen ab. 23.00 Uhr viel ich todmüde ins Bett. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, die Hochzeit samt Urlaub war nur Stress.

Montag, 22. August 2011

Nach der Übung ist vor der Übung.

 Am nächsten Tag war Tankerwaschen angesagt. Gleich nach dem Morgenappell ging es los dass übliche Prozedere. Zapfenludi hatte mich zusätzlich noch zum Tanker einrangieren eingeteilt. Die Tankerhänger durften nicht einfach rückwärts eingeparkt werden. Das war uns per Befehl verboten worden.  Der Tatratanker hatte an der Stoßstange vorne eine extra Öse, dort wurde die Anhängerdeichsel eingehangen und los ging es. Nach dem Waschen nahm man den Tanker entgegen, fuhr zur Tankstelle, stellte die Fahrbereitschaft wieder her und im Anschluss wurde Tanker und Hänger eingeparkt.
Zur Übung war ich mit eigenem Tanker ausgerückt, hatte aber einen anderen Hänger, da die Werkstatt es noch nicht fertig gebracht hatte meinen angestammten Hänger zu reparieren. Ich stellte mich mit meinen Tanker in die Schlange an der Waschrampe. Vor mir stand der Tanker von Soldaten Weinhold vom ersten Diensthalbjahr. Er hatte mir einmal erzählt dass er aus dem kleinen Erzgebirgsörtchen Sadisdorf stammt. Eigentlich war er ein umgänglicher Typ. Ich ging zu  ihm hin und sagte zu ihm, du wäschst dann meinen Tanker mit, ihr seit ja zwei Mann, da könnt ihr das leicht bewerkstelligen. Ich weis nicht was ihn gebissen hatte, er sagte zu mir, das fällt aus das kannst du alleine machen. Ich dachte ich hätte mich verhört und fragte nach. Da quäkte es von der anderen Seite, ihr Zwischenschweine könnt euren Dreck alleine machen. Ich schaute nach wer das gesagt hatte. Es war Soldat Peters vom ersten Diensthalbjahr. Ich sagte ganz gelassen zu ihnen, das Lösen wir anders und holte Uffz. Ammling, dem erzählte ich die Geschichte. Er meinte der Peters wäre ihm persönlich auch schon mehrmals dumm gekommen, das Regeln wir jetzt. Wir gingen zu den beiden Lumpersäcken, Ammling erteilte ihnen den Befehl meinen Tanker zu waschen. Peters jammerte rum, sie müssten auch noch die Tanker von den E`s waschen. Ammling sagte das braucht ihr auch, ich unterstelle euch jetzt den Befehl von Soldat Müller. Na dann wollen wir mal, sagte ich zu meinen beiden Edelspringern. Damit ihr euere Wut so richtig beim Waschen von meinem Tanker rauslassen könnt, sag ich Euch schon jetzt mal das ihr nach Dienstschluss auf meinem Zimmer zu erscheinen habt. Großes Programm Stubenreinigen ist angesagt und für dich Peters habe ich noch eine besondere Aufgabe, sie wird dir Freude bereiten. Ammling bekam das große Grinsen. Während Meiße und ich die Hänger einrangierten, bat ich Kummer, Uwe das Reinigen meines Tankers zu beaufsichtigen. Ich mochte seine ruhige Art. Es hatte was wenn er solche Sachen beaufsichtigte. Er fand immer die Dreckstellen am Fahrzeug und wie er dann den Leuten klar machte, dass sie die Arbeit noch einmal machen mussten, das gab es kein zweites Mal.  Abends kamen meine beiden Spezis aufs Zimmer und los ging es, Spinde raus, wischen, bohnern und keulen. Während meine Stubenkameraden auf den Betten lagen, machte ich den beiden Dampf. Fenster putzen war als Abschlussübung  angesagt. Für Weinhold hatte sich die Sache erledigt. Zu Peters gewand zeigte ich auf die Stubenhocker, drückte ihm eine Drahtbürste in die Hand und sagte zu ihm. Damit du hier nichts mehr schmutzig machst, gehst du auf den Gang und machst die Stöpsel an den Hockerfüßen sauber. Da sehen deine Kameraden mal wie schön du das kannst. Widerwillig trabte er ab. Ich sagte zu ihm, Lächeln oder du machst die Stöpsel von deinem Zimmer auch noch sauber. Die Springer versuchten immer mal wieder sich dem Druck zu entziehen, war ja irgendwo auch logisch, wenn man Diensthabjahresweise zusammen lag, versuchte man sich zu wehren. Meistens ging das aber nach hinten los, die Retourkutsche schlug mit doppelter Wucht zurück.  Einmal hatten die Resis Soldaten Speer vom ersten Diensthalbjahr in der Mache. Das war schon verwunderlich, normaler Weise sind Resis die friedfertigsten Soldaten die es gibt, sie wollen nur ihre Ruhe. Also muss er ganz gewaltig rumgezuckt haben. Sie spielten mit ihm Schildkröte, hatten ihm vier Stahlhelme an die Arm und Kniegelenke gebunden und einen auf den Kopf gesetzt.  So schoben sie ihn über den Korridor bis er jeglichen Hochmut abgelegt hatte. So lustig wie das für uns war, für Speer war es gefährlich. Wenn er zu stark in eine Wand oder an den Heizkörpern einschlug, konnte er sich die Halswirbel verletzten. Mir viel auf, dass besonders die Soldaten aus dem Erzgebirge aufsässig waren, denn Speer kam auch von dort. Er kam aus Geising und war mit Hünis Freundin Sylvia um vier Ecken verwand. Sie hieß mit Famiienname auch Speer. Vermutlicher Weise drückte denen der Schnee zu sehr aus Gemüt. Im August kam Vater mich noch einmal kurz besuchen. Er war auf Dienstreise und musste Heimwärts über Erfurt. Er schrieb mir, ich könnte ja versuchen Ausgang zu bekommen. Zapfenludi und ich waren richtige „Freunde“ geworden. Wenn er mitbekam dass ich Ausgang beantragt hatte, strich er ihn persönlich. Bestimmt hatte er eine Latte dabei. So war es auch diesmal. Vater war richtig enttäuscht als ich in Dienstuniform am KDL erschien. Kein Problem meinte ich und zog im KDL – Häuschen meine Dienstuniform aus und ging in Zivil. Mein Vater war erstaunt, früher hat es so etwas nicht gegeben meinte er zum Unteroffizier. Tscha, so ändern sich die Zeiten, sagte er zu meinem Vater. Wir gingen Abendbrot essen und bummelten noch ein bisschen durch Erfurt. Nach dem ich meinen Vater zum Zug gebracht hatte, trabte ich Richtung Kaserne. Ich beschloss in die Gaststätte Rudelsburg zu gehen. Die befand sich neben unserer Kaserne. Bei uns Landsern genoss die Gaststätte keinen guten Ruf. Es hieß der Wirt würde den Offizieren zuarbeiten, wenn Soldaten illegal Alkohol holten. Ich weis nicht was an dem Gerücht war, aber hatte keine Lust es zu testen. Den Anderen ging es genauso. Aus diesem Grund mieden wir diese Lokalität. In Zivil hatte ich kein Problem mich da rein zusetzten. Die Rudelsburg war gut besucht. An einem Tisch waren noch Plätze frei. Schnell merkte ich auch warum, der Gast war betrunken. Zu ihm wollte sich niemand setzten. Er laberte mich dumm voll, es störte mich nicht. Bei der Armee laberte immer jemand doof. Irgendwann bezahlte er und ging. Auf einmal kam er zurück und lallte, ich habe meine Jacke vergessen, da draußen stehen Russen und die Volkspolizei. Die kontrollieren jeden, ein Russe wäre türmen gegangen.  Das war für mich eine dumme Situation, ich hatte keine Ausgangskarte und nur den Wehrpass. Wo stehn die denn, fragte ich den Betrunkenen? Na da, meinte er und zeigte durchs Fenster. Ach du grüne Neune, das war ja gleich neben den Eingang, da konnte ich nicht raus. Jetzt musste ich erst einmal die Lage peilen und ging auf die Toilette, die befand sich über dem Flur. Ich hatte Glück das Fenster war groß genug, da kam ich durch.  In aller Ruhe trank ich mein Bier aus, bezahlte und verschwand durchs Toilettenfenster. Bis zur Kaserne waren es vielleicht 50 Meter. Ich schaute nach dem Posten, die zweite Kompanie stand Wache. Es war Soldat Boje´ der Wache schob. Er war ebenfalls Vize. Ich sagte na du alter Hugenottenkönig, wie sieht es aus, ist die Luft rein. Er sagte ich geh mal schaun, ich komm gleich wieder. Ganz aufgeregt kam er zurück. Hauptmann Winkler ist heute OvD, der nimmt gerade euere Kompanie auseinander. Der UvD gibt dir vom Fenster ein Zeichen, wenn du auf die Kompanie kannst. Das primitive Gemache zwischen den Offizieren war unglaublich. Wenn der Roos Dienst hatte würde er die Zweite auseinander nehmen. Winkler sucht bestimmt wieder Bierteile, für seine Selbstbestätigung. Als ich noch TA - Schreiber war und er Dienst hatte, kam er zu mir einmal in den Ersatzteilkeller. Er brachte sogar zwei Mann von der Wache mit. Da er das in der Dienstzeit gemacht hatte, ging ich damals Nikolaus holen. Der war außer sich und die beiden belegten sich auf das Übelste. Gefunden hatte Winkler  nichts. Nikolaus war eigentlich auch nicht besser wie Winkler. Genau genommen war er noch viel hinterhältiger. Wenn er mit Lück an den Wochenenden Dienst hatte und sie in der Kaserne bleiben mussten, aus welchen Gründen auch immer, legten sie sich auf sie Lauer und fingen die Soldaten ab, die Bier holen gingen. Sie bestraften die Soldaten nicht. Sie soffen das Bier selber, schafften die Flaschen weg und gaben die leeren Teile uns wieder. Das war wirklich das Allerletzte.
Ich kletterte inzwischen über die Mauer und schwatzte mit Boje´. Boje´ hatte nervöse Augen und zwingerte immer so merkwürdig. Das hatte ihn den Namen Blinkerboje eingebracht. Er meinte in 14 Tagen geht der Winkler in Pension, dass er sich das noch einmal an tun muss. Ich winkte ab, die spinnen doch alle. Boje´ sagte zu mir, du bist aber auch ein verrückter Hund. Die Geschichte mit der Schnapsflasche als sie uns gezogen hatten in Radebeul, das vergesse ich nie. Das waren meine Eltern den du die Flasche gegeben hattest und jetzt machst du solche Dinger, UE in Zivil. Lachend sagte ich zu ihm, das machst du doch auch, er nickte. Eine viertel Stunde musste ich noch warten ehe ich auf die Kompanie konnte.




Freitag, 19. August 2011

Bergfest

 Ich musste zu Oberleutnant Nikolaus ins Dienstzimmer. Die monatliche Abrechnung der Tanker stand an. Im Zimmer war noch der Lückenhafte als die Tür aufging. VW betrat das Zimmer. Sein linkes Ohr war in Mull verpackt. Er hatte schon abstehende Ohren die fast in rechten Winkel zum Kopf standen aber jetzt noch diese Verpackung. Er sah so etwas von schräg aus und fing gleich an zu lamentieren, sein Nachbar hätte ihm das Ohr eingerissen. Seine Frau wäre verschwunden gewesen und er hatte sie bei ihm gefunden. Sie hockt laufend beim Nachbarn rum. Als er sie aufgefordert hat mit nach Hause zu kommen, hätte ihn der Nachbar am Ohr gepackt und rausgeschmissen. Ich schaute zu Nikolaus der verkniff sich das Lachen. Lück sagte und das hast du dir gefallen lassen. Den habe ich bei der Polizei angezeigt. Lück hakte nach, da hast du das auch erzählt, VW nickte. Nikolaus schaut zu mir und tippte mit dem Zeigefinger an die Stirne. VW redete sich in Rasche, das er die Schnauze voll hätte von der Frau mit ihren drei Kindern. Ich sagte das sind doch auch ihre Kinder. Nö meinte er, die hat sie mitgebracht. Neulich hätte er eine der Töchter gesucht, weil sie ausgebüchst war. Gegen Mitternacht wäre sie in ihrer Stammkneipe dann aufgetaucht, rauchend. Wie alt ist den die Tochter fragte ich? 12 sagte VW. Ich war ehrlich erschüttert, mein Gott Walter das sind ja asoziale Verhältnisse, dachte ich so für mich. Das ist nun dein Politoffizier. Genau genommen passte er in die Truppe. Soldaten mit jeder Menge Westverwandtschaft, die als politisch unzuverlässlich galten, Unteroffizier und Offiziere die strafversetzt wurden und ein Politoffizier aus asozialen Verhältnissen. Mit so einer Truppe konnte man die Welt erobern.
Kurze Zeit später stand ich wieder Feuerwache. Tagsüber beschäftigte ich mich im Ersatzteillager. Es war Samstag, Patschen wollte mich kontrollieren. Er kam in Begleitung von einer jungen Frau. Das ist meine Freundin aus Görlitz, sagte er. Sie war klein und zierlich und hatte ein hübsches Gesicht. Patschen schwafelte ein Haufen dummes Zeug. Auf einmal rief er Soldat Müller, stillgestanden, ich belobige sie mit einem Sonderausgang. Ich riss meine Hacken zusammen und rief „Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik“. Patschen war mit dem Theaterstück zufrieden und ich dachte so ein Trottel hat so eine hübsche Frau. Am Sonntag ging ich in den Ausgang, eigentlich hatte ich keine Lust alleine zu gehen. Aus dem Grund  ging ich nicht allzu weit. Das Hotel am Bahnhof war zwar nicht das Billigste aber es hatte schon geöffnet. Also trabte ich dorthin. Fähnrich Gebauer, unser Gaser, saß da in Zivil, ich grüßte ihn, er nickte zurück. Ich merkte ihm an es war ihn unangenehm, dass ich ebenfalls da einkehrte. Seine linkische Art, verstärkte sich, ich glaube er war Menschenscheu. Mein Geld konnte ich auch woanders ausgeben. So trank ich nur ein kleines Bier und verschwand. Ich bummelte durch Erfurt, die Altstadt war schön und das Wetter passte. Ich setzte mich auf eine Bank und döste vor mich hin. Wie lange ich gesessen hatte weis ich nicht, auf einmal klopfte mir jemand auf die Schuler und lachte. Es war Chaleri. Was machst du denn hier, fragte er mich? Na warten auf dich, was sollte ich sonst sagen. Chaleri war schon nicht mehr ganz alleine, er war auf Kneiptour. Ich schloss mich ihm an. Letztendlich landeten wir in einer Kneipe am Anger. Chaleri war ordentlich abgefüllt und machte ein Bäuerchen unter den Tisch. Schnell bezahlte ich unsere Rechnung am Tresen, um jeglichen Ärger zu vermeiden. Während ich  bezahlte stürtzte Chaleri schon Richtung Ausgang, ich sah zu das ich hinterher kam. Kaum waren wir an der frischen Luft bekam Chaleri einen Schwinderling und marschierte Richtung  Straßenbahngleis. Die sich nähernde Straßenbahn leitete eine Notbremsung ein und bimmelte wie verrückt. Chaleri bekam von alldem nichts mehr mit, er torkelte auf das Gleis. Ich machte die Augen  zu. Wie durch ein Wunder bekam er erneut einen Schwinderling und stürzte runter vom Gleis. Es waren Millimeter die ihm  am Leben ließen. Ich schleifte ihn in die Kaserne. Im Gegensatz zu Chaleri konnte ich länger im Bett bleiben. Ich wachte so gegen Acht von Lärm unterm Fenster der Feuerwache auf. Ich schaute hinaus, es war Roos der seinen Morgenappell vor der Kaserne abhielt. Mein Anblick muss amüsant gewesen sein, denn er trug zur allgemeinen Erheiterung bei. Roos brüllte, Müller ich werde dafür sorgen, das sie das letzte Mal Feuerwache gestanden haben, sie verlumpern mir dort total. Zwei Tage später wurde ich abgelöst und stand Tatsache nie mehr Feuerwache. Auch meines Postens als TA – Schreiber wurde ich enthoben. Jeder konnte sich denken, dass ich Tschofen mit Werkzeug „ausgestattet“ hatte, nur wollte mir das niemand nachweisen. Man hatte Angst dass da noch mehr raus kam. Denn schließlich hatten auch Offiziere bei mir „eingekauft“. Nur Patschen  versuchte Tschofen noch ein paar Mal auszuhorchen, wo er das Zeug her hatte aber der schwieg wie ein Grab.
Das Bergfest  stand an. Im Vorfeld wurde schon mal eifrig Bier gebunkert und in der Wäschekammer verstaut. Chef der Wäschekammer war Gefreiter Graichen. Genau genommen hatte er als dreijähriger sein Bergfest schon lange hinter sich aber er ging ja mit uns nach Hause. Da wollte er kräftig mitfeiern und stellte uns die Wäschekammer zur Verfügung. Sonst hatte er sich immer eng mit seiner Kammer. Wöchentlich war einmal Wäschetausch, wollte man extra tauschen blockte er es immer ab. Sie hatten ihm einen Springer unterstellt, der fing auch schon an Höhe zu bekommen. Meiße holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Beim extra säubern der Toilette konnte er sich überlegen wie er mit uns umsprang. Das wir die Kammer nutzen durften war gar nicht so schlecht, denn da vermutete uns und das Bier niemand. Wir hatten jetzt über 270 Tage gedient. Bengert war da wie die Feuerwehr. Er rechnete es auf den Tag aus. Die Monate waren ja unterschiedlich lang. Ich sagte zu ihm, man kann es auch übertreiben, wir kommen deswegen keinen Tag eher nach Hause. Als Hans Dampf war er nun mal so. Zur Feier des Tages malten wir auf unsere Kragenbinde EK 81 I, das Entlassungsdatum,  und setzten sie uns wie eine Krone auf. Das Maßband durften wir Probetragen. Die Feier endete für mich tödlich. Wie ich ins Bett gekommen bin entzog sich meiner Kenntnis. Am nächsten Morgen musste ich meine Bettwäsche vom Vollgekotzten reinigen. Da war ich nicht der Einzige.
Im August stand die nächste Fahrübung an. Es ging in den Thüringer Wald. Wir fuhren die Autobahn bis Waltershausen. Hier verließen wir die Autobahn und weiter ging es nach Tabarz. Eigentlich ein Ort zum Urlaub machen und nicht zum Kriegspielen. Eine Forststraße hinauf fuhren wir zum kleinen Inselsberg. Hier hielten wir mit unseren Tankern, abtarnen brauchten wir sie nicht. Ich wurde zur Feldwache eingeteilt, während die anderen zur Ausbildung im Gelände heran gezogen wurden. Unsere Fahrzeuge standen in einem Hohlweg. Ich bezog oberhalb des Weges meinen Posten in einer kleinen Fichtenschonung. Es kamen Wanderer des Weges, sie unterhielten sich laut. Schau mal sprach der Eine, alles Tanker und nicht bewacht. Er wollte den Tanker vom langen Müller öffnen, der stand direkt unter mir. Er griff zur Klinke. Finger weck rief ich. Der junge Mann erschrak gewaltig. Als er sich vom Schreck erholt hatte, sprach er, sie habe ich gar nicht gesehen. Das ist nun mal der Sinn der Tarnkleidung, antwortete ich. Die Einstrich – Keinstrich Uniform war wirklich nicht die Schlechteste. Als unsere Kompanie wiederkam war abgammeln bis zum Abend angesagt. Wir fasten unser Abendbrot aus. Ich haute mich in den Tanker zum Schlafen. Irgendwann wummerte es gegen die Fahrertür. Erschrocken fuhr ich hoch, es war Uffz. Ammling. Draußen war es schon Finster. Müller die sind schon alle Weg vor dir, du hat es verpennt, du musst jetzt die Kolonne anführen. Ich sagte zu ihm los steig ein. Wieso mich keiner geweckt hat, wollte ich von ihm wissen.  Ammling meinte das war ganz komisch, keiner wusste etwas, es kam auch kein Befehl. Irgendwann ist mir aufgefallen das die Fahrzeuge vor dir verschwunden waren.  Ich konnte es mir nur so erklären, der Befehl muss irgendwo stecken geblieben sein. Bestimmt hatte der Luderer es wieder verhauen. Endlich hatten wir es geschafft die Abfahrt vom Inselsberg. Wir kamen an eine Kreuzung. Hier stand jemand, es war der Kradmelder von der zweiten Kompanie, der winkte in welche Richtung ich sollte. Ich kam zu einer kleinen Brücke, sie mündete zur Landstraße. Hauptmann Knoll stand auf ihr, ich hielt an und fragte ihn in welche Richtung die dritte Kompanie gefahren ist. Er meinte an der Landstraße links abbiegen. Hauptmann Knoll war der neue Kompaniechef von der Zweiten, nach dem Major Lemke in Pension gegangen war. Er fragte mich ob ich seine Kompanie gesehen hätte. Ich verneinte, nur den Kradmelder. Der Hauptmann fing an zu lachen. Was es da zu lachen gibt wollte ich wissen? Du stehst auf einer Brücke die für 5 Tonnen zugelassen ist. Na da gehen sie mal runter, sagte ich und gab Gas. An der Gabelung stand noch 5km bis Brotterode. Ich fuhr los, mir kam ein Kradmelder entgegen. Es war Theo von unserer Kompanie, ich hielt an. Da seit ihr ja schon, in Brotterode  fährst du Richtung Trusetal. Dort schließt du zur Kompanie auf, ich fahre weiter und schau mal ob die alle an dir dran geblieben sind. Halb Brotterode war auf den Beinen, sie standen staunend am Straßenrand, was da wohl so kurz nach Mitternacht abging.  Hinter der Ortschaft stand die Kompanie. Roos sagte kein Ton, wer weis was da passiert war. Wir fuhren in den Bezugsraum.  Am nächsten Morgen war wieder Vollschutz angesagt. Den ganzen Vormittag fuhren wir unter Vollschutz. Über Friedrichroda, Ohrdruf ging es nach Crawinkel. Hier konnten wir unseren Jumbo ausziehen. Uffz. Beetz stand zufälliger Weise neben mir und sagte hier bin ich zu Hause. Da hatte er es ja wirklich nicht weit bis Erfurt. Am Abend erreichten wir die Kaserne.

Mittwoch, 17. August 2011

Unser Zimmer

Meinen Onkel hatte ich besucht, den würde ich spätestens zur Hochzeit wieder sehen. Unweit von Remda wohnte noch meine Oma . Man fuhr zu ihr mit der gleichen Businie wie nach Remda, nur ein paar Kilometer weiter. Aber was wollte ich da, Oma kam nicht mehr aus dem Knick und sie würde bestimmt vieles nicht mehr verstehen. Außerdem war ich auch knapp bei Kasse. Lieber schrieb ich ihr einen Brief. Also setzte ich mich auf meine vier Buchstaben und schrieb ihr dass ich bei der Armee in Erfurt war. Es dauerte nicht lange und ich bekam Post. Sie hatte in den Brief 10 Mark beigelegt.  Als ich den Brief fertig gelesen hatte,  hätte ich ihr am liebsten das Geld zurückgeschickt. Wahrscheinlich hätte sie das auch nicht verstanden. Sie fragte in dem Brief, was die Schule macht und wie lange ich noch zur Schule gehen müsste. Also war Oma nun restlos durch den Wind. Ihr Zustand hatte sich, seid dem ich sie das letzte Mal gesehen hatte, ganz schön verschlechtert. Ich war traurig und doch erleichtert dass ich nicht nach Schwarza gefahren bin.
Einen Teil unserer Freizeit verbrachten wir mit dem Basteln eines Maßbandbehälters. Um ehrlich zu sein, mir ging der ganze Zinnober auf den Docht und hielt mich da etwas zurück. Als Behälter bastelte ich ein kleines Fass. Gerade so groß, dass das Maßband hineinpasste. Andere steckten da mehr Energie hinein. Z.B. Mario Bengert, der bastelte sich ein Tankfahrzeug. Als Vorbild dienten natürlich unsere Tanker. Was das Handwerkliche anging war Mario ein Geschickter. Der Tanker sah einfach Klasse aus. Das Sagen auf dem Zimmer hatte eigentlich Jens Meißner und das war in Ordnung. Jens zählte zu den lebhafteren Typen, wo er war, war immer was los. Ohne das er sich sonderlich in den Vordergrund drängelte. Nach der Armee wollte er zur christlichen Seefahrt. Überhaupt konnte man die Stube nach ruhigen und lebhaften Typen einteilen, das war richtig augenscheinlich. Der Ruhigste von allen war Dietmar. Ob er da war oder nicht, es viel einfach nicht auf. Dabei war er ein recht sympathischer und angenehmer Mensch. Nach der Armee wollte er studieren. Ebenfalls studieren wollte Bernhard Müller unser Langer. Er war der Theoretiker. Was die Theorie anging, war er ein ganz Pfiffiger. Beim Umsetzten ins Praktische klemmte es ein bisschen. Er schlief über Meiße im Bett und zählte ebenfalls zu den ruhigen Typen. Dazu zählen konnte man bedenkenlos Bernd Rudolph aus Geising. Der schlief über Dietmar. Zu den ruhigen Typen zählten auch Arno Klotzsche und Uwe Kummer. Wie schon erwähnt Arno war von Beruf Fernsehmechaniker und Uwe war mit Leib und Seele Lokführer. Dafür ist er von Dresden nach Leipzig umgezogen. Im Herzen blieb er ein Dresdner. Zu den Lebhafteren zählten auf alle Fälle Mario Bengert und ich. Mario war Mitte des ersten Diensthalbjahres von den Motschützen zu uns versetzt worden. Wohnhaft war er in Karl-Marx-Stadt. Er war der Hans Dampf von uns. Wahrscheinlich hatten sie ihn deswegen in die Heizung gesteckt, da konnte er seine überschüssigen Kräfte abarbeiten. Auf alle Fälle war er ein Kumpel, wenn vom Charakter auch nicht ganz einfach. Ulf Köster war kein schlechter Kerl aber etwas sonderlich. Er hatte ziemlich alte Eltern, die hatten ihn von hinten und vorne verwöhnt. Er war zu Hause das Nesthäkchen, sein großer Bruder war über 10 Jahre älter. Es viel ihm schwer sich anzupassen. Um das an einem Beispiel zu erklären. Bekam jemand auf dem Zimmer ein Päckchen oder Paket geschickt, wanderte ein Teil davon auf den Tisch für alle. Ohne dass wir jemals darüber gesprochen hatten, es war einfach so das geteilt wurde. Bei Ulf war das etwas anders. Bei ihm kam das auf den Tisch was er nicht brauchte oder was ihm nicht schmeckte. Er betonte es oftmals auch noch. Irgendwann sagte es ihm Meiße deutlich, wir sind nicht dein Mülleimer, behalte dein Zeug. Das ging gar nicht in seinen Kopf. Ulf hatte seinen Spind neben meinem Bett. Eines Tages sah ich wie er sein kleines Speisefach öffnete und sich ein Stück Schokolade abbrach. Ich sah auch das er mehrere Tafeln da liegen hatte und fragte ihn ob er denn nicht für alle auf dem Zimmer ein Stück hätte. Nein meinte er, es wären nur drei Tafeln aber alle aus dem Westen, also richtig gute Schokolade. Da könnte er nichts abgeben. Ich dachte Meiße viel vom Glauben ab. Genau genommen war die Frage von mir boshaft gewesen. Denn ich spekulierte auf diese Antwort. So war ich nun einmal, manch einer der mich durchschaute nahm es mir krumm, andere fanden es gut. Auf alle Fälle brachte ich auf das Zimmer einen frischen Wind. Dazu hatte ich noch abstehende Ohren, das brachte mir den Spitznamen Windmüller ein. Die meisten sagten nur Windi. Eines Tages kamen in unser Bataillon Resis. Da auf unserem Zimmer ein Bett frei war wurde bei uns einer von ihnen einquartiert. Es war der Gefreite Budig. Budig war Kneipenbesitzer, ihm gehörte die Kneipe an der Henne. Die Henne war ebenfalls ein Kaserne, dort lagen Arttileristen. Nach der Steigerkaserne war das die Zweitgrößte in Erfurt. Da hatte er bestimmt  guten Umsatz. Budig machte sich oftmals nach Dienstschluss über die Mauer nach Hause, früh 6.00 Uhr schlug er wieder auf. Ich sagte zu ihm, wenn du ein Telefon hast solltest du deine Telefonnummer hier lassen, falls was außer der Reihe passiert.  Meistens brachte er ein paar Flaschen Bier fürs Zimmer mit. Als Resi hatte er sowieso nichts bei uns auszustehen. Da konnte er seine Eier schaukeln. Wenn beim Morgenappell Roos die Anwesenheit überprüfte, war das mit den Resis ein besonderes Schauspiel. Einer von denen war vom Dienstgrad Obermatrose. Roos rief immer Gefreiter Opitz, keine Antwort. Nach mehrmaligen aufrufen sagte dieser, sie wissen ganz genau ich bin Obermatrose. Roos tobte, aber nicht bei mir. Dann müssen sie das ändern lassen in meinem Wehrpass, solange da Obermatrose steht, bin ich Obermatrose. Das Spektakel war fast täglich.
Das Verhältnis zum Zugführer entwickelte sich nicht zum Besten. Das traf für alle zu. Seine schwerfällige, tölpelhafte Art empfand ich immer provozierender. Ich fragte mich  wie konnte so ein Mensch Offizier werden und durch mein Benehmen zeigte ich ihm auch, was ich von ihm hielt. Da hatte ich meinen Kameraden immer etwas voraus. Eines Tages hatte Luderer  früh Kasernendienst und weckte uns persönlich, er machte die Türe auf und sagte „Meine Gungs aufstehen, Frühsport“. Ich dachte der muss doch wohl spinnen uns zu wecken, für wen hält der sich eigentlich und drehte mich um. Er wusste doch ganz genau das wir keinen mehr machten. Einer von seinen  „Gungs“  ließ darauf einen tierisch fahren. Wir brüllten vor lachen los. Er rief, ihr Schweine in 5 Minuten seid ihr aufgestanden und ging aus dem Zimmer. Ich packte meinen Stiefel und schmiss ihn an die Türe. Er riss die Türe wieder auf und schrie, wer war das? Dachte der im Ernst er bekommt eine Antwort? Ich glaube ja. Er tobte wie Rumpelstilz durchs Zimmer, das melde ich alles dem Major und ging endgültig. Zum Morgenappell kam der Major auf den Vorfall zu sprechen. Nachdem er sich reichlich über unser Zimmer ausgelassen hatte bestrafte er uns mit einer Arbeitsverrichtung  außer der Reihe. Nach Dienstschluss sollten wir die Straße kehren unter Aufsicht von Zapfenludi. Wir waren begeistert. Zapfenludis Zapfen war doppelt so lang geworden und sagte, ich will doch heute meine Frau im Krankenhaus besuchen, ich bin doch gestern Vater geworden. Während ich dachte, das arme Kind kann einen Leid tun, sagte Roos zu ihm. Wenn sie zu blöd sind mit ihrem Zug fertig zu werden, dann müssen sie das nach Dienstschluss üben. Wir lachten gehässig. Ich sagte zu Zapfenludi, Dummheit muss bestrafft werden. Wir brauchten an dem Abend 3 Stunden für 200 Meter Straße kehren. Da war die Besuchszeit um im Krankenhaus.
Im Juli stand das Bergfest an da war Halbzeit. Im Vorfeld hatten wir hatten wir unsere Bandmaße angemalt und verziert. Ich war da nicht ganz so Firm, welche Farbe für welchen Wochentag war. Mario kannte sich da bestens aus. Wir setzten uns Samstag nach Dienstschluss hin und legten los. Stolz hielten wir unsere Meisterwerke in die Luft. Abends saßen wir gemütlich beisamen und tranken ein paar Bierchen. Nach 22.00 Uhr wollte ich mit Bengert los Blumenkohl auf dem Feld schneiden und vor allem wollten wir in die Gewächshäuser, grüne Gurken holen. Gegen 21.00 Uhr ging die Stubentüre auf, Lück stand in der Türe. Er hatte OvD, Jungs habt ihr mal ein Bier. Meißner rief, immer Hauptmann. Er blieb eine reichliche Stunde. Bengert und ich machten uns auf die Socken, wir sagten Lück wo wir hin wollten. Jungs sagte er, Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps. Wenn sie Euch erwischen, ich weis von nichts. Ist doch klar Hauptmann, meinte Bengert. Wir sprangen über die Mauer und rannten quer übers Feld zwischen den Kohlköpfen durch. Nach 1 ½  Kilometern waren wir an den Gewächshäusern der LPG. Die waren natürlich verschlossen. Aber die Plexiglasscheiben waren verschraubt. Wir entfernten die Hutmuttern und nahmen zwei Scheiben raus. Sorgsam schnitten wir  20 Gurken  an verschiedenen Stellen ab. Wir wollten ja mal wiederkommen. Ich war das erste Mal beim „Ernteeinsatz“ im Gewächshaus, Mario war schon als Springer unterwegs gewesen. Auf dem Rückweg schnitten wir noch Kohlköpfe.  Was ich damit sagen wollte, so unterschiedlich konnten Offiziere sein. Das Geschehene zu bewerten, war eine andere Geschichte.  Dietmar  hatte einen Fotoapparat mit in die Kaserne geschmuggelt. Fotografieren in der Kaserne war strengstens verboten. Da konnte man ganz schnell eine Freifahrt nach Schwedt erhalten. Aber wir waren ja schmucke Kerlchen und wollten auch aufs Bild. Nur hatte ich für den ersten Fototermin Ausgang geplant. Den hatte Luderer mir aber gestrichen. Ich wollte unbedingt nach Remda, also musste ich illegal raus. Am frühen Morgen schaute ich in den Kasernenhof, da rannten Stabsoffiziere herum. So ein Mist da musste ich über die Mauer, das war das Sicherste. Ich fragte mich, was die Sonntag früh in der Kaserne wollten? Ich machte mir einen schönen Tag in Remda. Bei meinen Thüringern war es immer schön, da hatte sich seit den Tagen meiner Kindheit nicht viel daran geändert. Ein stiller Ort, wo man die Seele baumeln lassen konnte. Wie beim ersten Besuch schaffte Bernhard mich Abends nach Stadtilm. Von dort fuhr ich mit dem Zug nach Erfurt. Ich lief Richtung Fußballstadion und wollte unterwegs noch einmal einkehren. Kempe kam mir entgegengelaufen und fragte mich weist du das Neuste? Ich schüttelte den Kopf.  Heute haben sie den Tschofen verhaftet. Mir klappte der Kiefer, warum? Den haben sie mit Ersatzteilen und Werkzeug erwischt, als er es rausschmuggeln wollte. Mir wurde schlecht, das hatte er von mir aus dem Werkzeugkeller bekommen. Ich sauste in die Kaserne, so schnell war ich noch nie gewesen. Ich fragte bei der Wache ob ich mal mit Steffen reden könnte. Kein Problem meinte der Wachhabende, ich lass euch alleine. Aufgeregt fragte ich Steffen, wie ist denn das passiert? Er sagte draußen vor dem Kasernentor wartete mein Vater, da bin ich mit zwei Reisetaschen voller Werkzeug losgezogen und genau in die Arme von den Stabsoffizieren gerannt. Die haben mich kontrolliert. Ich hatte doch nicht gewusst dass die Idioten in der Kaserne waren. Du brauchst keine Angst haben, ich habe dich nicht verpfiffen. Denen habe ich erzählt, dass ich mir das Zeug über die Zeit zusammengemaust habe. Am Montag war Bataillonsappell die Vorkommnisse wurden ausgewertet. Einer der Funker war im UE gewesen. Die Funker waren eine besondere Truppe, nur bestimmte Offiziere durften ihre Diensträume betreten. Als der Funker nicht zum Dienst erschien läuteten beim OvD die Alarmglocken. Er musste die Stabsoffiziere ins Objekt bestellen und die leiteten die notwendigen Maßnahmen ein. Der Funker wurde bei seiner Freundin gefunden. Funker waren bei uns in der Kaserne alles Länger dienende, wenigstens Uffze. Er wurde zum Gefreiten degradiert. Der Batailloner persönlich schnitt ihm die Schulterstücken ab. Steffen wurde mit 10 Tagen Bau bestraft. Wir waren alle froh dass er so billig davon kam. Der Batailloner war mit seinem Bestrafen aber noch nicht fertig. Er zitierte einen Zivilangestellten vor die Truppe. Das war etwas ganz Ungewöhnliches. Zirl erklärte vor versammelter Mannschaft der Zivilangestellte Köhler hätte unerlaubten Westkontakt zu subversiven Elementen aus der BRD gehabt. Diese Elemente konnten nur teilweise festgenommen werden. Einer hatte sich der Festnahme durch Grenzübertritt entzogen. Sie hätten Köhler mit einem Farbfernseher geködert. Bei der Übergabe sei es zum Zugriff durch die Sicherheitsorgane der DDR gekommen. Aus diesem Grund werde Köhler aus den Reihen der NVA gestoßen. Zwei Uniformierte begleiteten Köhler als er den Appellplatz verließ. Ich war sprachlos, das eigentlich Interessante war das Nichtgesagte. Was da so banal ausgesprochen wurde im Beamtendeutsch barg eine Menge Sprengstoff. Jeder wusste was das für Köhler bedeutete. Den müssen sie doch schon eine ganze Weile auf dem Kicker gehabt haben. Mein Mitleid für Köhler hielt sich in Grenzen, wer spionierte und wurde erwischt, der war nun mal dran, egal ob in West oder Ost. Wie es mit dem Wahrheitsgehalt und den Hintergründen dieser Geschichte ausah, das stand auf einem anderen Blatt. Darüber konnte ich mir kein Urteil erlauben. Aber dieses strenge Durchgreifen und das Straffen der Disziplin hingen bestimmt mit den Geschehnissen Polen zusammen.
Auch Mario und ich sind einer Bestrafung knapp entgangen. Allerdings sah ich die Dinge relativ locker, obwohl das nicht ohne war was wir angestellt hatten. Die Springer hatten in letzter Zeit nicht immer Essen für uns mitbringen können, weil der Küchenbulle persönlich die Essenausgabe überwacht hatte. So schoben wir Kohldampf. Meise war der Meinung hier muss was passieren. Bengert meinte da müssen wir in die Küche einsteigen. Ich fand das gar nicht schlecht und fragte wer macht mit? Rudi drehte sich auf die andere Seite, das war typisch für ihn. Alle drucksten rum, so blieben nur Mario und ich übrig. Morgen Abend war günstig, da konnten wir über den Postenweg 1 einsteigen. Meise stand da auf dem Posten. Am Samstag Abend zogen wir los. Ich hatte immer einen  selbstgebastelten Spezialschlüssel am Schlüsselbund, die Türen würden ich schon aufbekommen und Mario musste sich mit den Petschaften befassen. Wir stiegen durch ein halb geöffnetes Fenster ein und standen vor der ersten Türe. Es war wirklich kein großes Problem die Schlösser zu öffnen. Mario fädelte mit einer Nadel die Petschaftsschnur aus der Versiegelung. Das macht schon mehr Arbeit. Wir hatten für die Tour vier leere
Sturmgepäckteile mitgenommen. Im Keller lagen Konserven und was für welche Pfirsich, Annanas und noch viele andere leckere Sachen. Die hatten sogar Tomatenketschup eingelagert. Sowas hatte ich schon ewig nicht mehr gesehen. Schnell füllten wir die Teile und machten uns aus dem Staub. Vorher verschlossen wir noch die Türe. Mario brachte die Petschaft in Ordnung. Meise nahm auf dem Postenweg die Teile entgegen. Am Sonntag Morgen schlurfte ich in den Waschraum. Der UvD lief mir über den Weg.
Du Müller, sagte er zu mir, in der Küche haben sie letzte Nacht eingebrochen. Der OvD hat die Kripo geholt. Die untersuchen jetzt die ganze Sache. Ich dachte das gibt es doch gar nicht, wie wollen die das gemerkt haben. Ich weckte Bengert und erzählte ihm die Story. Wir beschlossen essen zu gehen, um uns mal in der Küche umzuhorchen. Ich fragte Grabowski dem Beikoch, stimmt das was man hört mit dem Einbruch? Grabowski war froh jemanden etwas erzählen zu können. Ja meinte er die sind letzte Nacht in die Fleischkammer eingedrungen und haben dabei den Schlüssel abgebrochen. Mario und ich waren beruhigt, wir waren nicht in der Fleischkammer gewesen. Das hatten Andere verzapft. Beruhigt gingen wir auf die Kompanie. Als Abends Meise und Konsorten von der Wache kamen, meinte Rudi, er will von dem Zeug nichts essen. Er will damit nichts zu tun haben. Meise meinte, mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.

Montag, 15. August 2011

Thüringen


Thüringen gab es als Verwaltungseinheit nicht mehr, genauso wenig wie Sachsen. Das ehemalige Territorium des Landes war in drei Bezirke geteilt wurden. Aber im Sprachgebrauch hatte ich das Gefühl, tauchte dieser Bergriff noch recht häufig auf. Die drei Bezirke das waren Gera, Erfurt und Suhl. Jeder Bezirk hatte eigene Autokennzeichen:
Gera    N
Suhl     O
Erfurt   F,L
Als ich durch Remda gefahren bin kam mir der Gedanke, den Onkel musst du mal besuchen. Obwohl Remda nicht weit von Erfurt entfernt war, bedeutete dies Standortüberschreitung. Remda gehörte auch nicht zum Bezirk Erfurt. Es war der letzte Zipfel vom Bezirk Gera. Erhielt ich Ausgang war dieser auf Erfurt beschränkt. Wurde man außerhalb von Erfurt von der Militärpolizei erwischt, war der Ausgang beendet und man konnte mit einer satten Bestrafung rechnen. Die Militärpolizei war sowieso eine Institution für sich. Mit denen legte man sich besser nicht an. Der nicht offizielle Ausdruck Kettenhunde, der von der Wehrmacht her rührte, war nicht verkehrt. Ich hatte ja schon meine Erfahrungen im ersten Diensthalbjahr mit der Militärpolizei gesammelt. Vor wenigen Tagen war im Bataillon ein Vorkommnis ausgewertet worden, das eigentlich den wahren Charakter dieser Truppe zeigte. Sie hatten im Zentrum von Erfurt, nach Mitternacht, einen sturtzbetrunkenen Soldaten aufgegriffen der nicht mehr richtig laufen konnte. Sie nahmen ihn mit, als er versuchte zu türmen hatte einer der beiden Berufsunteroffiziere seine Dienstwaffe gezogen und den Soldaten erschossen. Das zog natürlich Kreise, das hatten Touristen gesehen, das konnte man nicht unter den Teppich kehren. In dem Zusammenhang wurden wir noch einmal belehrt, der Gebrauch der Schusswaffe ist die höchste und letzte Form der Gewaltanwendung. Später wurde uns mitgeteilt, beide Berufsunteroffiziere, die für die Tat verantwortlich waren, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Ich beantragte für den nächsten Sonntag Ausgang. Ausgang gab es ab 10.00 Uhr Meistens ging man eher, das war kein Problem wir bewachten ja unser Objekt selber. Der Spieß war Sonntag auch nicht in der Kaserne, der da hätte dazwischenfunken können. So schlich ich eine halbe Stunde vor 10.00 Uhr am OvD vorbei und machte mich auf zum Busbahnhof. Der war in der Nähe vom Hauptbahnhof und ich hatte  Glück. Der Bus fuhr 10 nach 10. Ich schaute mich um, wer noch in den Bus einstieg. Schließlich wollte ich keine unliebsamen Überraschungen erleben und da sah ich ihn.  Ihn war ein Soldat mit schwarzen Schulterstücken, genau dieselbe Farbe wie ich sie trug. Merkwürdig dachte ich, den kennst du gar nicht. Wenn er von unserer Truppe wäre hätte ich ihn schon einmal gesehen, zumal er die Schulterstücken geknickt hatte. Die Vizes kannte ich alle persönlich, der war niemals von unserer Truppe. Aber woher kam der? In Erfurt gab es keine andere Truppe mit schwarzen Schulterstücken. Eine Reisetasche hatte er auch nicht dabei, also musste er von hier irgendwoher sein. Der Bus war halbvoll, ich hatte einen Fensterplatz und döste vor mich hin. Vorbei ging es am Stausee Hohenfelden, durch Kranichfeld, der Landser mit den schwarzen Schulterstücken saß noch immer im Bus. Wir kamen nach Breitenherda, eine Haltestelle vor Remda. Jetzt konnte mir egal sein wo der hinwollte, ich war gleich da. Auf einmal hielt der Bus mitten auf der Landstraße, der Landser stieg aus. Erstaunt schaute ich nach vorne und vor Schreck klappte mir der Kiefer nach unten. Da stand eine Kaserne, wo noch nie eine war. Bloß gut das keine Offiziere mit im Bus waren, wenn die mich irgendetwas über die Kaserne gefragt hätten, ich hätte doch gar nicht gewusst was ich denen erzählen sollte. Die hätten doch sofort gemerkt, dass ich nicht von dieser Truppe war. Ich atmete tief durch und stieg die Nächste aus. Nur war bei Bernhard niemand zu Hause, auch der Hund war nicht da, weit konnten sie nicht sein. Ich hatte einen gewaltigen Respekt vor Hunden, um nicht zu sagen Angst. Ich lief an die Leite zu ihrem Gartengrundstück. Schon von weitem sah ich sie da rumwerkeln. Mich erkannten sie in der Uniform natürlich nicht. Umso größer war das Hallo, als sie sahen wer in dieser Kluft steckte. Als erstes borgte ich mir Zivilsachen. Als zweites gingen wir in die Pilze. Pilze gab es in Remda schon immer viel und ich ging gerne welche sammeln. Torsten, mein Cousin kam mit. Der Tag war schnell rum, das ist ja immer so wenn es schön ist. Ich fragte Bernhard über die Kaserne bei Remda aus. Er meinte die ist neu gebaut und sie vermuten dass da Raketen stationiert waren, denn wenn man genau hinschaute sah man einen Gang der in den Berg führte aber genaues wusste niemand. Merkwürdig meinte ich, schwarze Schulterstücke haben das Militärtransportwesen, chemische Truppen und Pioniereinheiten. Am Abend brachte Bernhard mich nach Stadtilm hier gingen wir Abendbrotessen. Im Anschluss fuhr ich mit dem Zug über Arnstadt nach Erfurt.  Ich hatte keine Lust mehr durch Erfurt zu bummeln und ging zurück in die Kaserne. Ich trug mich nun doch öfters mal in das Ausgangsbuch ein und er wurde meistens genehmigt. Eines Tages ging ich mit Soldat Massi in den Ausgang, der wusste wo eine bezahlbare Disco war. Ich hatte einen schlechten Samstag erwischt. Weit vor Mitternacht war ich so besoffen, das ich nicht mehr wusste ob ich Männlein oder Weiblein war. Die Disco war luftlinienmäßig gar nicht so weit von der Kaserne entfernt. Nur lagen dazwischen Wohnblocks und eine Gartenkolonie. Ich lief los, immer die Zielrichtung vor den Augen. Ich kletterte über Zäune und andere Hindernisse. Ich erinnere mich noch schwach, dass ich von einem Bungalowdach herunterschaute und an die unsanfte Landung. Sonntagfrüh bin ich dann in meinem Bett aufgewacht, mit den Ausgangssachen. Kummer sagte, Mensch warst du voll, du hast ja nicht mal alleine dein Bett gefunden. Ich zog mir erst einmal die Sachen aus und ging sie und mich waschen. Gott sei Dank hatte Bengert unser neuer Heizer schon das warme Wasser aufgedreht. So langsam kam ich zu mir. Wie bin ich eigentlich in die Kaserne gekommen? Ich wusste es nicht, die Wache meinte bei uns bist du nicht vorbei. Also muss ich in meinem Suff über die Mauer geklettert sein. Meine Klamotten waren zwar dreckig aber nicht zerissen. Wie hieß es doch so schön, Dumme und Besoffene…. Wenn man in Thüringen war, konnte man auch Westfernsehen empfangen. In Dresden war das ja unmöglich. Nur war uns das verboten und der Fernseher verplombt. Wir konnten keine Sender einstellen. Soldat Klotzsche war im zivilen Leben Fernsehmechaniker. Bengert knackte die Petschaft am Fernseher. Da hatte er richtiges Geschick, das machte er gut. Mit einer Nadel zog er die Petschaftsschnur heraus ohne das Siegel zu zerstören. Klotzsche lötete ein Relais in den Fernseher. Dann stellte er verschiedene Sachen ein. Zu guter Letzt schlossen wir den Fernseher und Bengert versiegelte ihn. Mit der Nadel fädelte er die Petschaftschnur wieder in das Siegel. Ich hätte die Geduld nicht gehabt. Über eine Buchse in der Rückwand führte Klotzsche dem Relais Strom aus einer Batterie zu und siehe da wir konnten die drei Programme des Nachbarlandes empfangen. Eine feine Sache.

Die politische Großwetterlage trübt sich ein

 Wir hatten wieder mal Politschulung. Das hatten wir schon lange nicht mehr gehabt. Es ging um Polen. VW verkündete konterrevolutionäre Elemente versuchten die frei gewählte Regierung in Polen zu unterwandern, bla, bla, bla. In dem Stil ging es in einem Fort. Eigentlich interessierte mich überhaupt nicht, was die Polen machen. Ich wollte nur meine Ruhe und nicht irgendwo Krieg spielen. Konsequenz aus der Geschichte, es wurde die Gefechtsbereitschaft erhöht. Da gab es eine recht vielschichtige Untergliederung. Bis zur höchsten Alarmbereitschaft war es noch weit, aber schon die kleine Erhöhung bedeute neuen Sackgang. Das erhöhte nun nicht unbedingt meine freundschaftlichen Gefühle gegenüber den Polen. Mit anderen Worten die komplette Technik musste Einsatzbereit sein, eher gab es keinen Ausgang und Urlaub. Das nahm ich den Polen persönlich Übel. Für mich bedeutete das, zur nächsten Fahrübung musste ich mit Hänger raus. Ich fragte Zapfenludi, wann mein Hänger das letzte Mal bewegt wurde. Er wusste es nicht, ich ahnte Böses. Zwei Tage später war es soweit, das gesamte Bataillon rückte zu einer Fahrübung aus. Zirl muss es auch nicht wohl gewesen sein, denn ¾ des Kfz – Zuges musste mit raus. Die schoben sonst immer eine ruhige Kugel. Als erstes fuhren wir in unseren Bezugsraum nach Mönchenholzhausen. Nach dem üblichen Gemache beim Einparken machte ich mich an das Radmutternüberprüfen. Das mit dem Hänger war mir nicht geheuer. Es würde mich wundern, wenn der sich nicht kaputt gestanden hätte. Tatsache die hinteren Räder waren so heiß, da konnte man Spiegeleier drauf braten. Ich meldete es Uffz. Ammling. Keine 2 Minuten später stand Roos an meinem Hänger. Diesmal quakte er nicht dumm rum, denn im Hänger waren ja 11000 Liter VK 79. Ich fuhr einen von zwei Tankern mit dem niedrig oktanische  Benzin. Er meinte bis zum nächsten Bezugsraum muss ich es schaffen, er würde den Kfz – Zug über Funk dorthin bestellen. Aller Wahrscheinlichkeit waren die Bremsbacken fest. Vielleicht lösen sie sich noch meinte er. Hinter mir fuhr Meißner mit seinem Tanker, er erhielt den Befehl, mir Lichthupe zu geben wenn irgendetwas ist. Weiter ging es Richtung Hohenfelden. Am Haarberg merkte ich die Bremsen waren noch fest. Ich musste abreisen lassen, der Tanker kam nicht aus dem Knick. Bei Hohenfelden wartete der Kfz Zug. Die konnten erst mal gar nichts machen, so heiß waren die Hinterräder. Nach einer Stunde gingen sie an die Arbeit. Mit verschiedenen Sprees versuchten sie die Bremsbacken zu lösen, keine Chance. Der Batailloner kam persönlich vorbei um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Er sagte zu Feldwebel Wende vom Kfz - Zug, ich möchte keinen brennenden  Tanker sehen. Wende konnte das nicht garantieren. Der Oberstleutnant entschied, der Tanker rückt ein. Zur Sicherheit fuhr der UAZ des Kfz – Zuges hinter mir her. Kaum waren wir in der Kaserne, meinte Gefreiter Henze, weist du wie deine Bremsen gequalmt haben. Ich dachte die fangen jeden Moment an zu brennen. Böse sagte ich zu ihm, du Plinsenbäcker, da hättest du auch mal was sagen können. Eigentlich will ich auch noch ein Stück leben. Beschwichtigend meinte er ist ja alles gut gegangen. Das Bataillon blieb über Nacht draußen. Ich hatte einen gemütlichen Tag in der Kaserne. In aller Ruhe fuhr ich meinen Tanker auf die Waschrampe und reinigte ihn gründlich. Ab und zu kam mal Spritalfred von der Tankstelle rüber zum quatschen. Ich bat ihn, mir einen Kaffee zu kochen, machte er auch. Er erzählte mir in der ersten Kompanie gibt es einen Springer, der stellt sich absolut stur gegenüber der EK – Bewegung. Sein Vater wäre ein hohes Tier im Verteidigungsministerium in Berlin und der würde seinen Sohnimann den Rücken stärken. Der übt seinerseits Druck auf den Batailloner aus. Ich bin mal gespannt wie das Ausgeht. Wenige Tage später sah ich den Springer persönlich. Ich sprach gerade mit einem Gefreiten vom Kfz – Zug wegen der Reparatur meines Tankers. Auch Soldaten von der ersten Kompanie waren dabei, denn auch andere hatten Probleme mit ihrem Fahrzeug gehabt. Dazu kam der Springer von der Ersten. Sofort löste sich die kleine Besprechung auf, man ließ diesen Sack einfach stehen, 14 Tage später wurde er versetzt. Dieser  Vorgang zeigte die Einzigartigkeit der EK – Bewegung. Sie war  eine Institution für sich selbst, die keinen Vorgesetzten kannte, der sich keiner entziehen konnte. Offiziere bedienten sich ihrer, ohne sie beherrschen zu können, sie war die Armee in der Armee. Hin und wieder, wo die Bewegung sich in Exzessen verrannte, griff das Gesetz regulierend ein und schlug ihr den Kopf ab. Wie bei einer Hydra wuchs er sofort wieder nach. Verhindern konnte und wollte das Gesetz die Bewegung nicht.
Das in Polen die Erde wackelte bekamen wir immer mehr zu spüren. Kurz nach dieser Fahrübung war schon die Nächste angesetzt. Die Betraf allerdings mehr die Sattelschlepperfahrer. Es wurde das Verladen von Fahrzeugen auf Züge geübt. Das war für die Tanker verboten. Aber mit raus fahren mussten  alle. Wir brauchten nicht allzu weit. Die Verladerampen befanden sich in Erfurt Vieselbach. Thomas Kuchta meldete sich als Freiwilliger, er wollte als erster zeigen dass er damit keine Probleme hatte. Geschickt fuhr er über die drei Wagons . Als er am Zugende angelangt war gab Gefreiter Graichen ihm das Stoppzeichen. Jetzt musste die Zugmaschine verkeilt werden. Graichen schlug  Holzkeile vor die Vorderräder. Ganz langsam fuhr Thomas auf die Holzkeile bis wieder das Stopp kam. Schnell nagelte Graichen  Holzkeile hinter die Vorderräder. Dann ließ Thomas seine Zugmaschine zurückrollen und sie saß fest zwischen den Klötzern. Das hatte Thomas richtig geschickt gemacht, ich hatte Respekt vor seiner Leistung. Der Lkw war ja fast so breit wie der Zughänger, da konnte man auch nicht groß rumlenken, das musste alles wie aus einem Guss passieren. Wer rauf fährt musste auch wieder runter. Thomas fuhr wieder ganz vorsichtig auf die vorderen Holzklötzer, Graichen schlug mit dem Vorschlaghammer die hinteren Klötze weg. Langsam aber sicher fuhr Thomas rückwärts über die drei Wagons. Ich sah keine Veranlassung mich für diese Übung freiwillig zu melden. Roos fragte auch nur nach Freiwilligen. Da waren einige die damit kein Problem hatten. Den Meisten allerdings ging es wie mir. Am nächsten Tag war die Abschlußfahrübung für das erste Diensthalbjahr angesetzt. Alle Kompanien rückten mit raus. Zwei Tage waren dafür eingeplant. Es waren richtig heiße Tage, die Temperaturen lagen jenseits der 30 Grad. Aus dem Bezugsraum fuhren wir über Tonndorf Richtung Bad Berka. Zwischen diesen Ortschaften wurde der Atomschlag geübt, wir mussten mit Vollschutz weiterfahren. Bei diesen Temperaturen trank man nach wenigen Kilometern seinen eigenen Schweiß unter der Gasmaske. Weiter ging die Fahrt, über Blankenhain rollten wir Richtung Teichröda. Tatsache hier bogen wir Richtung Erfurt ab, da mussten wir auf alle Fälle durch Remda. Hier wohnte der größte Teil meiner Thüringer Verwandtschaft. Es kam wie es kommen musste, als wir über den kleinen Marktplatz fuhren, kam gerade Tante Marie gelaufen. Sie lief Richtung Dorfkonsum. Ich hupte und winkte, aber wie sollte sie mich auch unter der Gasmaske erkennen?! Wir fuhren über die Dörfer. Kurz hinter Geilsdorf bezogen wir Stellung. Nach dem wir die Lkws und uns mit Wasser „deaktiviert“ hatten, konnten wir den Schutzanzug ausziehen. Ich überlegte in einer Stunde bist du zu Fuß in Remda. Ich versuchte herauszubekommen wie lange wir hier stehen bleiben. Nichts zu machen niemand wusste genaues. Also konnte ich mich auch nicht verdrücken. Aber wenigstens in den Lkws konnten wir schlafen. Zumindest die, die keine Nachtwache schieben mussten. Früh um 4.00 Uhr war wecken, eine Stunde später rollten wir von dannen. Es sprach sich rum wie ein Lauffeuer. Die Uffze. Penndorf und Werner hatten nachts versucht in die Kneipe von Geilsdorf zu kommen. Sie wollten sich Bier in Plastekanistern abfüllen lassen. Roos hatte sie erwischt. Kein Wunder wenn Werner dieser alte Taumelheini mit von der Partie war. In Dienstedt trafen wir auf die erste und zweite Kompanie. Gemeinsam fuhren wir über den Haarberg nach Erfurt. Schon ein ganzes Stück bevor wir von der Staatsstraße links in die Kaserne einbogen staute sich die Fahrzeugkolonne auf. Eine halbe Stunde standen wir in Dittelstedt als der Befehl kam, eine Kreuzung eher nach links abbiegen, das zweite Kasernentor wird geöffnet. Jeder wurde informiert, nur der Kradmelder nicht. Der fuhr links an der Fahrzeugkolonne vorbei. In dem Moment als er den Kreuzungsbereich erreicht hatte, bog ein Fahrzeug der ersten Kompanie links ab. Ungebremst raste er in das Fahrzeug. Ein viertel Jahr später wurde er von der Armee entlassen.

Freitag, 12. August 2011

Der Neue

 Irgendwann musste der neue Batailloner kommen, genaues wusste niemand. Es hieß der Neue wäre ein ehemaliger stellvertretender Divisionskommandeur. Ich glaube in  unserer Division gab es fünf Stellvertreter. So genau interessierte mich das nicht, die konnten mir auch keinen Groschen wechseln. Auf alle Fälle bedeutete dies der neue Batailloner wäre die Karriereleiter nach unten gefallen. Es war wieder einmal ein Wochenende vorbei. Beim Morgenappell drang ein leises Gerücht durch. Auf der zweiten Kompanie hätten sie gestern Abend knapp 400 Flaschen Bier hochgezogen, es wäre ein Bataillonsappell im laufe des Tages fällig. Wir wollten gerade in den Fahrzeugpark abrücken, da kam der GOvD auf die Kompanie gestürmt, in 30 Minuten großer Appell vor der dritten Kompanie. Wir nahmen Aufstellung, die Stabsoffiziere erschienen unter ihnen ein Oberstleutnant, den niemand von uns kannte. Er stellte sich vor. Oberstleutnant Zirl, ihre neuer Kommandeur, sagte er kurz und bündig. Irgendwie schien er einen Sprachfehler zu haben, er betonte die Worte eigenartig, genau genommen falsch. Er hätte sich seinen Einstand auch anders vorgestellt aber was er gestern Abend erlebt hatte, würde dem Fass den Boden ausschlagen. Er hatte 20.00 Uhr seinen Privat – Pkw im Garagengelände geparkt, als 10 Soldaten in ihren Trainingsanzügen über die Mauer klettern wollten mit 20 Sturmgepäckteilen. Als er sie angesprochen hatte, hätte einer aus der Gruppe gerufen, das geht sie gar nichts an verschwinden sie, wir können auch anders.
Ein betretenes Schweigen herrschte. Jedem war klar dass er in zivilen Sachen unterwegs war und da ihn keiner kannte, hatte ihn auch keiner erkennen können. An der Wache hatte er seinen Dienstausweis gezückt und mit deren Hilfe hätten sie die Soldaten dingfest gemacht. Unglaublich meinte er, alles Soldaten des ersten Diensthalbjahres. Aber er wüste genau wer dahinter steckt. Aus diesem Grund würde er auf eine Bestrafung der Soldaten verzichten. Er rief die Soldaten des ersten Diensthalbjahres nach vorne. Die Wache brachte die Bierteile. Die Soldaten mussten die Flaschen öffnen und in die Schleuse gießen. Patschen der unweit von mir stand, sagte, einmal in meinem Leben möchte ich Schleuse sein.
Eine Woche später kam Vater mich besuchen. Ich hatte Ausgang während der Dienstzeitbeantragt und auch genehmigt bekommen. Ich musste in Erfurt aufs Amt wegen der Vaterschaftsanerkennung von Thomas. Nach ca. 4 Stunden hatte ich meinen  Kram erledigt. Vater lud mich zum Essen ein bevor er zurück nach Dresden fuhr. Ich brachte ihn noch zum Zug. In den nächsten Tagen waren wieder verstärkt Übungen angesagt. Wir fuhren auf den Drosselacker. Es stand Motschützenausbildung auf dem Programm. Mit dem lächerlichen Klappspaten mussten wir uns eingraben, Sturmangriff üben und das allseits beliebte Spiel der chemischen Kampfausbildung spielen. Fähnrich Gebauer war anwesend. Er war für die ABC Ausrüstung zuständig. Er überprüfte bei jedem Soldaten persönlich die Ausrüstung. Ungefähr ein drittel der Truppe musste diverse Teile der Ausrüstung tauschen. Die Funktionsweise des Geiger – Müller – Zählers wurde demonstriert. Im Anschluss wurden die neusten Entkeimungstabletten gezeigt und der Gebrauch der Sterilisierungsspritze vorgeführt. Der Fähnrich jagte sie sich gleich durch die Hose in den Oberschenkel. Eigentlich wie fast alle Fähnriche und Offiziere hatte er auch einen Spitznamen, der von Generation zu Generation weiter gegeben wurde, er war der Gaser. Weil er unter anderem die Gasmasken verwaltete. Die Gasmasken waren russische Modele. Der Filter wurde im Gegensatz zur deutschen Gasmaske in einer Tasche verstaut. Er wollte uns das neuste Model vorführen. Seine Mimik wirkte sowieso immer linkisch. Nun  war bei ihm aber ein starker Kropf  ausgebildet und die Gasmaske war etwas zu eng. Wie so ein Gockel warf er seinen Kopf hin und her, weil er die Gasmaske nicht gleich über bekam. Wir machten uns vor lachen bald in die Hose. Das machte ihn nur noch nervöser und er wurde immer fitziger.  Am nächsten Tag waren Fahrübungen im Gelände angesetzt. Für die Tanker war das immer so ein Spiel mit dem Feuer. Sie waren ja nicht für das Gelände konzipiert worden. Roos achtete streng darauf dass die Tanker nicht ins schwere Gelände gerieten. Mit seinem Sattelzug sollte Spielvogel Frank einen Weg erledigen. Durch den Lärm der auf dem Übungsplatz herrschte hatte Frank den Befehl von Roos nicht richtig verstanden und fuhr in die falsche Richtung.  Roos tobte, dummerweise stand ich mit meinem Tanker unmittelbar neben ihn. Los Müller dem Spielvogel hinterher, er sprang auf. Mit dem Tanker jemand einholen, das war eine Sache für sich. Roos brüllte immer wieder geben sie ordentlich Gas Müller. Als ich Frank eingeholt hatte gab ich Lichthupe. Er hielt an, ich dahinter. Roos tobte wie ein Wahni, Spielvogel sie sind der dümmste Vogel der hier rumflattert. Mich haute es vor lachen bald weg. Niemand konnte sagen, die Armee wäre humorlos. Ein Lachen was ich bald bereuen sollte. Es hatte Frank schwer gekränkt. Unser kameradschaftliches Verhältnis war sichtlich gestört und das sollte noch eine ganze Weile anhalten. Er redete mit niemand darüber, es war eine Art stummer Protest, er schnitt mich wo es nur ging. Selbst als er es nach einem halben Jahr verarbeitet hatte, merkte ich  in seinem Hinterkopf den erhobenen Zeigefinger. Am dritten und letzten Tag der Übung war fahren auf der Straße angesetzt. Wir fuhren Richtung Arnstadt. In der Ferne sah ich die Wachsenburg auftauchen. Wir rollten Richtung Thüringer Wald, durch Arnstadt. Das war ein Stück Arbeit für die Kradmelder wenn es durch Städte ging. Sie mussten ja immer die Straßen für uns frei halten. Da hatten die beiden gewaltig zu tun.  Mit halsbrecherischen Manövern zogen sie oftmals an der Fahrzeugkolonne vorbei. Dann ging es in die Berge, wir verließen die Straße und fuhren auf eine Bergwiese. Wir walzten die unter Naturschutz stehenden Silberdisteln die hier wuchsen vollkommen platt. Silberdisteln wuchsen nur auf kalkhaltigen Böden und der hier war ideal für die Pflanzen. Wie immer tobte Roos zwischen den Fahrzeugen hin und her und löffelte wenigstens jeden zweiten Fahrer voll, er würde nicht an der richtigen Stelle stehen. Die Zugführer teilten die Feldwachen ein. Der Rest tarnte die Fahrzeuge ab und baute das Kompaniezelt auf. Roos brüllte schon wieder rum, wehe ich erwische jemanden während der Nachtruhe in den Fahrzeugen. Die meisten Soldaten schliefen lieber im Auto, da gab es eine Heizung und es war auch ruhiger als in so einem Massenzelt. Wenn man im Fahrerhaus schlief gab es ein ausgeklügeltes System. Bis zu drei Mann konnten da schlafen. Auf  der Beifahrerseite befand sich eine Bank. Zwei Beifahrer fanden da bequem platz und auch die Rückenlehne war durchgängig. Diese wurde in die Waagerechte geklappt und mit Stangen vom Tarnnetz abgestützt. Wie in einem Doppelstockbett konnte einer oben und unten schlafen. Der dritte Mann schlief auf dem Fußboden. Die Nacht kontrollierte Roos die Nachtwachen persönlich und er fand auch zwei Gefreite die doch im Lkw schliefen. Die pelzte er lautstark aus den Fahrzeugen. Eigentlich waren es mehr die da schliefen aber durch sein Rumgeschreie konnten sich die Anderen verdünnisieren. Beim Morgenappell ließ er sich wieder über die Disziplinlosigkeit der Soldaten aus. Warum das so war, darüber dachte er wahrscheinlich nie nach. Nachdem wir unser Gourmetfrühstück eingenommen hatten, rückten wir wieder ab. Die Wurstbüchsen hatte ich wie meisten mit dem Seitengewehr aufgehebelt.  So von oben sah man wie schön die Landschaft war. Vor unseren Füßen lagen die drei Gleichen. Erbauen lassen hatten die Burgen einst die von Greifenstein. Zwei der Burgen waren noch als Ruinen recht gut erhalten und auf der Wachsenburg befand sich ein Hotel. Über Arnstadt fuhren wir nach Mühlberg. Hier stand die Mühlburg. Weiter ging es, wir unterquerten die Autobahn. Auf dieser Seite befand sich die Burg Gleichen, der Namensgeber der Schwestern. Von hier war es nur ein Katzensprung bis Erfurt. Da wir aber über die ganzen Nester dümpelten die am Wegrand lagen dauerte es seine Zeit bis wir in der Kaserne waren. Eines dieser Dörfer durch die wir fuhren war Neudietendorf. Hier wurde einer der besten Kräuterschnäpse der DDR gebrannt. Mein Kurzurlaub stand an. Aus unserem Zimmer waren wir drei Soldaten die in den Urlaub durften. Der neue Spieß ( veraltete Bezeichnung für den Hauptfeldwebel ) den wir für Hauptfeld Hofmann bekommen hatten, kam von den Fallschirmjägern und die die zu uns kamen, kamen meistens nie freiwillig. Sie waren in aller Regel strafversetzt. So war es auch diesmal. Wir waren gespannt wie ein Flitzebogen was das für ein Typ war. Denn die Fallschirmjäger waren eine Eliteeinheit der NVA, da dienten nur Berufssoldaten, wenigstens drei Jahre. Die Ausbildung der Truppe ging bis ans physisch Machbare. Schnell merkten wir, er war ein Umgänglicher. Nach dem Motto lasst mich in Ruhe, dann lass ich euch in Ruhe. Er hielt sich auch daran. So kamen wir ohne Stress in den Urlaub. Conny und ich hatten ein Haufen Wege zu erledigen, denn schließlich wollten wir im September heiraten. Die meisten Einladungen waren geschrieben. Ihre Freunde
wollte sie persönlich einladen. Irgendetwas stimmte nicht mit Conny, sie hatte sich nach der Geburt von Thomas verändert. Ich spürte das ganz genau und überlegte ob ich die Hochzeit verschieben sollte. So kurz vor her, ich getraute es mir nicht. Nach dem Motto wird schon schief gehen, da musst du jetzt durch. Das Thema war viel zu komplex, da musste man sich mit jemanden ausführlich  beraten. Übermorgen ging es ja schon wieder zurück. Ich ging Vormittag in die Firma um mal zu sehen was es da neues gab. Sie hatten wirklich jede menge neue Fräsmaschinen und Drehbänke aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet gekauft. In einem Monat sollten die ersten Arbeiter in den Dohnaer Betriebsteil. Dort wurden die neuen Maschinen montiert. Rainer mein ehemaliger Lehrfacharbeiter erklärte mir der ganze Formenneubau soll nach Dohna ausgelagert werden. Wenn du wiederkommst fängst du dann in Dohna an zu arbeiten. Das verdeutlichte mir, du brauchst dann mit deiner Familie eine Wohnung in Heidenau. Am Nachmittag machten wir uns auf zu einer Freundin von Conny. Sie wohnte mit ihrem Mann in der Dresdner Neustadt, eines der „Goldstaubviertel“ von Dresden, auf der Alaunstraße.  Ute war eine ehemalige Kollegin von Cornelia. Das Haus wo sie wohnten war eine Lückenbebauung. Ein neuer Baustil im alten verfallenden Gründerzeitviertel. Ute war mit einem Sorben verheiratet, der auf dem wundersamen Namen Mickitiuk hörte. Bei ihm hatte ich den Eindruck er hatte ein Problem. Das hieß Alkohol. Er trank viel Schnaps. Obwohl ich ihn niemals danach fragte, hatte er mir schon einmal erklärt warum. Ich dachte der sucht nur einen Vorwand um seinen Durst zu ummänteln. Er hatte ein weiteres Problem, das war mir bis zu dem Besuch allerdings nicht bekannt, das Problem war ich. Er hatte ein Auge auf Cornelia geworfen und war entsetzt das wir heiraten wollten. Eifersüchtig und von einer Alkoholwolke umhüllt stürzte er sich auf mich und fing an mich zu würgen. Er rief immer wieder du nimmst mir meine Conny weg. Ute stand ganz betreten daneben und schrie ihn an hör auf. Ich dachte so ein Weichseil, wie kann man seine eigene Frau so vor anderen Leuten entblößen. Ich zog mein linkes Knie einmal kurz aber kräftig nach oben und trat ihn in seine Weichteile. Der große Kerl viel in sich zusammen wie ein nasser Sack und jammerte rum. Ich sagte zu Ute, Conny und ich gehen jetzt, ob ihr zu unserer Hochzeit kommen wollt, müsst ihr alleine entscheiden.
Am nächsten Abend fuhr ich zurück, meine inneren Zweifel an der Hochzeit hatten sich nur noch verstärkt nach dem Vorgefallenen. Das Leben konnte schon ganz schön kompliziert sein.