Donnerstag, 28. Juli 2011

Fahrzeugumstellung




 Während der Kommandostabsübung hatten sogenannte Bandmaßspringer unsere Kaserne bewacht. Sie übernahmen auch weiterhin die Wache bis die Fahrzeugumstellung auf den Sommerbetrieb abgeschlossen war. Für mich viel die Umstellung flach, mein Fahrzeug war zu wenig gefahren. Ich wurde zum Syphdienst abgestellt. Früh nach dem Morgenappell trabte ich ab. Die Abwaschküche war gut gefüllt.  Zwei Stunden  brauchte ich um für Ordnung zu Sorgen, dann steckte der Küchenbulle mich in die Kältekammer für das Fleisch. Neben den vielen unterschiedlichen Würsten hingen hier riesige Schweinshälften. In dieser Kühlbox herrschten leichte Minusgrade. Ich wischte den Fußboden mit warmem Wasser und damit er nicht gefror musste er gleich trocken gewienert werden. Nach Beendigung der Arbeit betätigte ich die Notklingel um diesen ungastlichen Ort wieder verlassen zu können. Der Oberfeld schloss mich in die nächste Vorratskammer ein. Was es hier alles gab, ich kam aus dem Staunen gar nicht raus. Kartonweise stapelte sich hier Rotkäppchensekt, verschiedenes tschechisches Bier palettenweise. Alles Dinge die es im zivilen Leben schwer oder gar nicht zu kaufen gab. Dazu kamen Unmengen von Butter. Nachdem ich die Kammer ausgewischt hatte, machte ich mir Gedanken, wie ich am Besten an eine Flasche Bier kam ohne das es der Oberfeld bemerkte. Ich hob mehrer Kästen Bier von der Palette und entnahm eine Flasche. Trinken durfte ich sie hier unten nicht, das würde der Trollo sofort riechen. Ich legte sie in das schmutzige Wischwasser im Eimer. Ich befürchtete da würde er auch noch reinschauen, deshalb wickelte ich sie in den Scheuerhader und drückte den Notknopf. Der Küchenbulle fragte mich als erstes ob ich Bier getrunken hätte, ich verneinte und musste ihn anhauchen. Als nächstes war Leibesvisitation angesagt, wieder musste ich die Stiefel ausziehen. So lächerlich wie das alles klang, meine Nerven waren auf das Äußerste angespannt. Ich ging auf die Toilette um das Wischwasser weck zu schütten. Er kam hinterher gelatscht um den Vorgang zu überwachen. Bloß gut das ich die Flasche in den Lappen gewickelt hatte. Geschickt goss ich das Wasser in die Toilette. Die Flasche und den Hader klemmte ich mit dem Daumen am Eimer fest. Erst jetzt war er davon überzeugt, dass ich keine Bierflasche hoch gezogen hatte. Nach dem Mittagsabwasch trank ich genüsslich die Flasche leer. Das hatte ich mir redlich verdient. Nachmittags hatte ich frei. Meistens verkrümelte ich mich, um den Major nicht über den Weg zu laufen. Der akzeptierte je nach Laune meine Freizeit. 18.00 Uhr wenn die Anderen Dienstschluss hatten verschwand ich wieder in der Küche. Bis 21.00 Uhr dauerte der Syphdienst. Zwischenrein brachte ich das Fresspaket auf die Stube. Für die nächsten 14 Tage war mein Dienst geregelt. Am nächsten Morgen nach dem Abwasch, kam der Oberfeld auf die Idee sich mit den Komplekten zu befassen. Gemeinsam gingen wir in das Lager. Fein säuberlich sortiert standen da die Büchsen herum. Der Küchenbulle meinte, Müller holen sie mal einen Karton Wurst von ganz hinten hervor, aber nehmen sie einen von unten. Mühsam kramte ich einen Karton hervor. Der Oberfeld öffnete ihn und schaut aufs Verfalldatum. Die Büchsen lagen ein knappes Jahr darüber. Nach dem ersten Schreck kam er zu dem Schluss, das ist nicht weiter schlimm. Wir machen diese und nächste Woche einen Komplektetag und sie stapeln die Büchsen so um, das die alten zuerst verbraucht werden. Bloß gut das die Köche manchmal separates Essen für das Personal bereiteten.
Aber ich entdeckte bei dem Räumen der  Komplekte auch eine Besonderheit, den Komlektetee. Das war wirklich etwas besonderes, schwarzer Tee mit Zucker und Zitronensäure. Der war lecker. Ich fragte den Oberfeld ob ich mir ein paar Packungen mitnehmen könnte.  Der war froh das etwas davon verschwand. Der  Tee sollte bis fast ans Ende der Dienstzeit reichen.
Am regelmäßigsten nach den Springern kamen die Bandmaßspringer zum Essen. Sie sahen ziemlich verbraucht, müde und kaputt aus. Ich kam mit ihnen ins Gespräch, sie fühlten sich bei uns in der Kaserne wie im Paradies. Ihre Ausbildung zum Motschützen war sehr hart gewesen, sie hatten z. B. das Auf – und Abspringen auf fahrende Panzer geübt, in Schützenlöschern vom Panzer überrollen lassen und noch vieles Andere. Zur Lehre oder zum Studium hatten sie das letzte Mal regelmäßig Sport getrieben und mit wenigstens 26 Jahren galt man als Soldat als alter Mann. Sie taten mir Leid. Wenn ich mit bei der Essenausgabe helfen musste, bekamen sie immer eine Kelle mehr. Sie hatten sich mein Gesicht gemerkt und vier Mann von der Truppe luden mich für den nächsten Samstag zu einem Umtrunk ein. Es waren die Soldaten der Feuerwache. Die E`s auf dem Zimmer hatten ihr o.k. gegeben. Voller Tatendrang und Durst machte ich mich nach dem Mittagsdienst auf in die Feuerwache. Ich war so etwas von gierig nach dem Alkohol, dass ich auf das eigene Mittagessen verzichtete. Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen und so kam es wie es kommen musste. Die Resis hatten für mich alleine eine Flasche echten Nordhäuser Doppelkorn organisiert, eine Rarität in der DDR. Eine Stunde später schleiften sie mich und die halbleere Flasche aufs Zimmer. Es war Samstag der 19.April 1980. In meinem Suff viel es mir wieder ein, das war ja das Wochenende  vor Führers  Geburtstag. Nicht dass das in der DDR gelehrt oder gefeiert wurde, ganz im Gegenteil, man ließ keine Gelegenheit aus um zu betonen das Hitler ein Verbrecher war. Wer ihn öffentlich dennoch huldigte, bekam Ärger mit dem Gesetz. Es gehörte einfach zum Allgemeinwissen, das man es wusste. Ich lallte am Montag hat der Führer Geburtstag, Heil! Caspar war entsetzt, Mensch der Müller ist ja restlos voll, jetzt feiert der auch noch Hitlers Geburtstag, den müssen wir unter die Dusche stecken. Ich wollte mich gegen das Eine wie das Andere verwahren, bekam aber keinen richtigen Satz zusammen. Lachend zogen sie mir die Uniform aus und steckten mich samt  Unterwäsche unter die kalte Dusche. Das einzige was ich mit Sicherheit sagen konnte, das half überhaupt nicht gegen das Besoffensein. Nachdem ich mich aus den nassen Sachen gequält hatte, haute ich mich ins Bett. 17.30 Uhr weckte mich Kempe, Thomas du musst zum Dienst. Ich wusste gar nicht wo ich war und brauchte eine viertel Stunde um zu mir zu finden. Auf dem Weg zur Küche musste ich am Wachplatz vorbei. Hauptmann Pemsel war der OvD und führte gerade die Vergatterung der Wache durch. Die halbe Kompanie hing an den Fenstern, um zu sehen wie ich da vorbeikam. Es gelang mir recht gut mich an der Zermonie vorbei zu schleichen, was sicherlich einige Kameraden enttäuschte. Als ich nach 21.00 Uhr auf die Kompanie kam waren die E´s kräftig beim Kampftrinken, Neubert und Nimitz waren mit auf der Bude. Nach einer Stunde sah ich wieder aus wie am Nachmittag. Neubert meinte den Müller müssen wir aufs Bett legen. Als Springer schlief man oben, Neubert hatte bedenken, das ich aus dem Bett kippte. Er nahm eine Schwarzdecke, hängte sie in die Betteinlage und zog sie über meinen Körper, dummerweise über meinen Magen. Der spielte verrückt, wild schlug ich um mich und bekam Neubert am Ohr zu fassen. Irgendwann musste man mich auf dem Zimmer vermisst haben und suchte mich. Man fand mich schlafend auf der Toilette mit dem Kopf auf der Klobrille. Reifke und Winkler schleiften mich an den Armen ins Zimmer. Am nächsten morgen wachte ich mit Schmerzen auf. Nicht nur der Kopf brummte, auch die Füße taten mir weh. Beim schleifen über die Riffelfließen war der Bast auf den Fußrücken abgescheuert worden. Caspar sagte, das geschieht dir recht, du hast in deinem Suff Neubert das halbe Ohr abgerissen. Entsetzt über mein Tun machte ich mich auf zu Neubert um mich zu entschuldigen. Caspar hatte natürlich übertrieben aber sein Ohr war eingerissen. Neubert meinte, Müller alles kann mal passieren, du bezahlst mir ein Teil Bier und die Sache ist vom Tisch. Am Abend nach 21.00 Uhr machte ich mich auf das Bier zu holen. Nach 14 Tagen ging die Fahrzeugumstellung dem Ende entgegen und somit auch mein Küchendienst. Caspar wollte unbedingt noch drei Esslöffel aus der Küche haben. Ich wusste schon was er damit wollte. Am Tag der Entlassung war es üblich den Löffel abzugeben. Nach dem die Soldaten die Kaserne durch das KDL verlassen hatten schmissen sie ihn über das Kasernentor. Aber bis dahin waren es noch ein paar Tage. Eine Woche vor der Entlassung bezeichneten sich die E´s als Heimkehrer. Es sickerte durch nach der Entlassung sollten die Diensthalbjahre  Zimmerweise zusammengelegt werden, um die EK – Bewegung einzudämmen. Das wäre ein Pilotprojekt, wir wären die erste Kaserne der NVA die so etwas testet. Merkwürdig, nach Schmalz seiner Rede gab es die Bewegung ja gar nicht und dass ausgerechnet  unsere Kaserne für den Test vorgesehen war sprach Bände. Nach dem Diensthalbjahr sollte es noch einige Versetzungen bzw. Umsetzungen von Soldaten geben. Eine betraf mich. Roos jagte mich zum Augenarzt, ich musste noch einmal in den Kasten mit den Burgen schauen, problemlos bestand ich den Test. Ich wurde zu den Tankerfahrern versetzt. In eine andere Kaserne wurde mein spezieller Freund, Lutz Scheunert, von der A – Kompanie versetzt. Er kam in den Divisionsstab. Am Tag der Entlassung verabschiedeten wir uns von den E`s und wünschten uns gegenseitig alles Gute. Dann lauerten wir in der Nähe vom Kasernentor, was auch nicht schwer viel, da die Offiziere der einzelnen Kompanien mit den Entlassungskandidaten beschäftigt waren. Es klimperte schon ganz schön als ca. 60 Löffel über das Kasernentor geflogen kamen. Dann zogen sie mit ihren EK – Tüchern um den Hals zum Bahnhof. Bei manch einem würde die Fahrt nach Hause mehrere Tage dauern, da war ich mir sicher.

1 Kommentar:

  1. Ich selbst war von 1966 - 68 Feuerwehrmann der NVA, und zwar in einem Munitionslager, Kreis Torgau/Elbe. Aufgaben: Bewachung der Munibunker und des gesamten Geländes, denn das Wachpersonal reichte nie aus. Wir als Soldaten verstärkten die Einsatzkräfte. Auch in den Munitionsarbeitshäusern haben wir gearbeitet, um die Produktivität zu erhöhen und die Lieferaufträge zu sichern. Kartuschen, Treibladungen, Zündern und Geschosse wurden zu patronierter Munition zusammengebaut – Made in USSR. Vorher wurden wir geschult.
    Wir bewachten auch Munitionszüge quer durch die DDR - MPi immer am Mann. Die Transporte erfolgten nachts - die Züge „charterte“ man durch die Netze eben wegen der Geheimhaltung. Tagsüber Ausbildung und den Ruf des Kompaniefeldwebels zuweilen auch des Politoffiziers: „Wie der Soldat sich bettet, so schläft er! Willst du Ausgang, dann mach den Buckel krumm!“
    Ursprünglich diente ich in einem Leipziger Schützenregiment u. wurde dann versetzt – zum Einsatz als Feuerwehrmann im speziellen Brandschutz. Ich war früher mal bei der freiwilligen Feuerwehr.
    Bis hierher alles Spielerei, wenn man so will – die DDR als wichtigstes Mitglied im Warschauer Vertrag hat Federn lassen müssen. Sie folgte der hegemonialen Vertragspolitik der damaligen SU bis zum bitteren Ende. Literatur: „Im Auftrag des Großen Bruders, AAVAA-Verlag Berlin.

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