Montag, 25. Juli 2011

Sommer befohlen




Im letzten viertel Jahr hatten wir zweimal Nachtalarm gehabt. Gott Sei Dank sickerte so etwas  bei Zeiten durch. Caspar und Graichen erklärten uns  das wir innerhalb von 3 Minuten  am Fahrzeug sein mussten und zwar samt Sturmgepäck und Waffe. Der Ablauf musste logistisch gut durchdacht sein, sonst würde das nie klappen. Gefreiter Reifke zeigte mir wie ein Sturmkoppel auszusehen hatte. Damit wir in der Nacht Sekunden schinden konnten bereiteten wir alles schon vor. Zu guter Letzt wurden noch die Gardinen zu gezogen.Wir gingen in Unterwäsche schlafen. Früh halb 2 Uhr machte der Fahrer des UAZ, Soldat Gableske, los um den Major in die Kaserne zu holen. Bevor er die Kompanie verließ weckte er uns. Beim ersten Mal stand ich ganz schön unter Spannung. Es brachte auch nichts sich schon heimlich anzuziehen. Da die Offiziere mitunter in die Zimmer schauten, kurz bevor der Alarm ausgelöst wurde. Als der Alarm ausgelöst wurde sprangen wir aus unseren Betten. Thomas machte das Licht an, sein Bett stand dem Schalter am nächsten. Schnell schlüpften wir in unsere Sachen und zogen die Schwarzdecke über die Betten. Im Anschluss hängten Reifke und ich uns gegenseitig das Sturmgepäck auf den Rücken. Allerdings machte ich das beim zweiten Alarm dann alleine. Schnappte mir meine Schnuffitasche, hängte den Stahlhelm an das Koppel und schon  rief Graichen, dritte Gruppe raus treten zum Waffenempfang. Im Laufschritt ging es zur Waffenkammer, Kalaschnikow samt Seitengewehr ausfassen. Weiter ging es im Eiltempo an die Fahrzeuge. Dann wurde der Alarm abgebrochen. Im Laufe des Tages wurde der Alarm ausgewertet. Ich brauchte mich bei solchen Aktionen gar nicht zu beklagen. Andere waren schlimmer dran. Zum Beispiel die zwei Soldaten, die die Waffenkiste mitschleppen mussten. Zu jedem Zug gehörte noch ein LMG und eine Panzerfaust. Alles musste aus der Waffenkammer mitgenommen werden.Es ging auf Ende März, kurz vor der Fahrzeugumstellung auf den Sommerbetrieb, hieß es sollte noch eine Kommandostabsübung durchgeführt werden. Caspar erklärte mir, diese Übungen werden vom Divisionsstab befohlen und geleitet, da ist bestimmt wieder die halbe Armee von Thüringen unterwegs. Gefreiter Röllke, der wegen seiner Nase meistens Pinocio gerufen wurde, erzählte das er im letzten Sommer für eine Treibjagd des diplomatischen Chores abgestellt worden war. Das wollten wir Springer genau wissen. Pinocio  erzählte, dass sie für die technischen Dinge zuständig waren, wie Zelte aufbauen, Toiletten warten. Andere fuhren die Diplomaten mit dem Jeep. Auch Honecker wäre bei der Jagd in Thüringen erschienen. Den hätte er persönlich gesehen. Die Jagd dauerte eine reichliche Woche, sie hätten auch extra Geld bekommen. Geld war das Stichwort, Soldat Winkler vom zweiten Diensthalbjahr fing gleich vom letzten Ernteeinsatz zu schwärmen an, was es da alles zu Essen und zu Trinken gab. Und Weiber, meinte Caspar, der Winkler hat da seine neue Freundin kennen gelernt. Ich fand das gar nicht schlecht mit dem Ernteeinsatz, wenn man als Soldat auf diese Art und Weise beschäftigt wurde, da verging wenigstens die Zeit und man hatte was Sinnvolles getan. Reifke meinte so schnell wird es das nicht wieder geben, da hat der LPG Vorstand mit dem Benz irgendetwas gemauschelt. Nur der Einsatz in der Braunkohle wäre legal gewesen. Ich dachte wer weis, du warst ja nicht dabei. Aber der Winter vor einem Jahr war in ganz Mitteleuropa eine Katastrophe gewesen. Es gab auch genug Tote. Der jetzige Winter schien auch fast vorbei zu sein, das erste Diensthalbjahr näherte sich dem Ende. Bevor es soweit war mussten wir erst einmal die Kommandostabsübung und die Fahrzeugumstellung hinter uns bringen. Da zu der Übung 100 Prozent der Soldaten ausrücken sollten, mussten Neue her. Denn wir bewachten ja unser Objekt selber und das mussten nun andere übernehmen. Unsere Kompaniegebäude selber wurde nur zu zwei Drittel genutzt , in den leerstehenden Teil zogen die Wachsoldaten ein. Es waren Bandmaßspringer, das hieß Soldaten die nur ein halbes Jahr dienen brauchten, die Jüngsten waren 26 und die Ältesten Anfang 30, richtig alte Männer. Einen Tag vor der großen Übung setzte Oberstleutnant Benz  wieder einmal einen Bataillonsappell  an. Da stand er nun vor der Truppe mit seinen drei Stellvertretern, Major Schmalz, Major Hinterdahn und Major Bernd. Gegen seine Stellvertreter sah Benz drahtig aus, er wirkte richtig schneidig. Was man von seinen Stellvertretern nun wirklich nicht behaupten konnte. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, das wäre nur äußerlich so. Benz wäre schwer tablettenabhängig. Aus diesem Grund sollte er Mitte des Jahres aus der Schusslinie genommen werden. Es hieß, er sollte einer von 5 Stellvertretern des Divisionskommandeurs werden. Gemunkelt wurde immer viel, aber der Wahrheitsgehalt war eine andere Seite. Er erläuterte den Zweck der Übung. Unter dem Strich war es eigentlich immer das Gleiche, wenn man es auf den Nenner brachte. Schutz der Heimat, Abwehr der Aggressionen des imperialistischen Klassenfeindes und jeder Tropfen Schweiß ist besser wie ein Tropfen Blut. Während ich darüber nachdachte was wohl den Soldaten der Bundeswehr eingebläut wurde, hätte ich bald was Wichtiges verpasst. Benz ließ sich zur Anzugsordnung während der Übung aus. Da ab 1. April Sommer befohlen ist wird die Übung in Sommeruniformen durchgeführt. Drei Tage vor dem 1. April, konnte ich das erste Mal die Sommeruniform während meiner Armeezeit anziehen. Im Anschluss an den Appell wurden die einzelnen Befehle von Oben nach unten durchgegeben. Das hieß für mich ganz konkret, mein Lkw bleibt in der Kaserne. Ich wurde zur Feldwache eingeteilt, aus jeder Kompanie wurden 3 Mann dazu abgezogen. Am nächsten Morgen nach dem Aufstehen, sahen wir das ganze Elend, wenn man zum Fenster rausschaute. Es schneite in einem fort und es war Sommer befohlen. Missmutig gingen wir unsere Waffen holen. Während die Kompanie mit den Fahrzeugen im Kasernengelände Aufstellung nahm gingen wir Wachsoldaten zur Wachbelehrung. Im Anschluss holten wir die Munition aus der Waffenkammer und mumpelten die Magazine auf. Die Waffenkisten wurden auf den eigens für die Feldwache abgestellten Lkw verstaut. In zwischen wurde aus dem Schnee Schneeregen, ich schimpfte über das Wetter und die Sommeruniform. Ein Baumlanger Feldwebel der im Bataillonsstab seinen Dienst versah, nölte mich dumm voll. Ich sollte mich gefälligst zusammenreisen, die E`s hätten im letzten Winter unter ganz anderen Bedingungen dienen müssen. Ich drehte mich zu ihm um und sagte, die E`s sind in einem reichlichen Monat zu Hause, ich bin dann Vize und in einem Jahr bin ich zu Hause, da dienst du hier noch deine Tage ab. Also lass mich in Ruhe. Der Feldwebel, wollte sich gerade über meine Worte muckieren, da brüllte Roos, dritte Kompanie auf die Zimmer und Wintersachen anziehen. Höhnisch grinste ich den Feldwebel an. Der Sack trabte  ab Richtung  Batailloner. Ich war richtig froh, das wir noch einmal die Wintersachen anziehen durften. Schnell stellte sich raus, Roos hatte es wieder eigenmächtig entschieden, ohne des Wissens des Batailloners. Benz bestellte Roos zum Rapport. Da soll es hoch hergegangen sein. Aber der Oberstleutnant war ein Vernünftiger, das ganze Bataillon steckte er noch einmal in Wintersachen. 11.00 Uhr rückten wir aus, kurz vorher hatte ich mir noch mein Teil 1 aus dem Lkw geholt und zwei Schachtel Alte Juwel im Armeekonsum gekauft. Das war die preiswerteste deutsche Zigarettensorte mit Filter, die es zu kaufen gab. Bei uns auf der Stube waren die Raucher in der in deutlicher Minderheit. Caspar hatte uns Rauchern klar gemacht, ab 18.00 Uhr wird nicht mehr auf dem Zimmer geraucht. Ausnahmen gab es schon, aber nur bei Partys. Wie eine Perlenschnur fädelte die Dritte  auf die Autobahn. Die Alliierten ( außer den Russen ) warteten schon auf uns. Soldat Schurich von der zweiten Kompanie, einer von uns neun Mann, meinte, die müssen doch einen guten Draht haben, wenn die wissen wann wir ausrücken. Schurich war ein Kapitel für sich, in der Kaserne war allgemein bekannt, er war ein gläubiger Christ. Regelmäßig ging er an den Sonntagen zum Gottesdienst, dafür bekam er extra Ausgang. Nur kam er in den seltensten Fällen dort an. Meistens versumpfte er in irgendeiner Kneipe die auf dem Weg lag. Wer weiß wie sich das mit den Alliierten verhielt, vielleicht musste die Armeeführung sie von den Manövern in Kenntnis setzten. Genaueres erfuhr man doch sowieso nie. Ich wusste nur sie hatten  einen Sonderstatus. Wir wurden bei der Wache belehrt, sollten sie vor der Kaserne einmal auftauchen, hätten wir sofort den Wachhabenden zu informieren. Des weiterem wurden wir belehrt, Alliierte dürfen vor Ort festgehalten aber nicht kontrolliert oder verhaftet werden. Das Recht hätten nur die Russen. Mit anderen Worten, der OvD musste alle notwendigen Maßnahmen einleiten, dass die Russen schnellst möglich informiert wurden. Bei einer der Politschulungen hatte Wetzel erklärt, wenn es um das Festhalten von Alliierten ging, darf man sehr erfinderisch sein. Am Besten wäre es das Fahrzeug der Alliierten außer Gefecht zu setzten. Unfälle könnten immer mal passieren. Da gebe es sogar Sonderurlaub. Während ich meinen Gedanken nachhing, kam die Übung im wahrsten Sinne des Wortes ins Rollen.

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