Mittwoch, 27. Juli 2011

Die Kommandostabsübung




 Die dritte Kompanie war die Vorauskompanie. Im Abstand von einer Stunde folgten die zweite und erste Kompanie. Wo genau wir hinfuhren wussten wir nicht. Irgendwo in Richtung Cottbus hatten wir gehört und die Fahrzeuge rollten auch Richtung Jena. Also konnte es durchaus passieren, dass wir durch Dresden fuhren. In Jena verließen wir die Autobahn und fuhren Richtung Stadtroda. Zwischen den Ortschaften machten wir auf der Landstraße einen Stopp. Jeder von den Fahrern wusste was er zu tun hatte. Als erstes mussten sie sich um ihr Fahrzeug kümmern. Der Sitz der Radmuttern musste kontrolliert werden, die Batterien und die Verbindungen zwischen Zugmaschine und Hänger. Immerhin hatten zwei Drittel der Fahrzeuge einen Hänger. Tatsache bei zwei Fahrzeugen, wurde es höchste Eisenbahn das die Radmuttern nachgezogen wurden. Roos tobte zwischen den einzelnen Fahrzeugen hin und her und motzte die Fahrer an, wenn seiner Meinung nach die Abstände zu den voraus fahrenden Fahrzeugen nicht stimmte. Ich verkrümelte mich auf die Pritsche vom Lkw. Seine Stimmung wurde erst besser, als über Funk kam die zweite Kompanie ist auf der Autobahn liegen geblieben, ein Teil der Fahrzeuge hätten technische Defekte und die erste Kompanie hatte die Kaserne noch gar nicht verlassen, aus demselben Grund. Wir machten eine Stunde länger Pause. Dann hatte der Major die Schnauze voll und rückte ab. Hinter Stadtroda fuhren wir wieder auf die Autobahn. Kurz darauf querten wir das Hermsdorfer Kreuz. Wir fuhren weiter Richtung Dresden. Zwischen Frankenberg  und Hainichen machten wir den nächsten Zwischenstopp und das ganze Spielchen begann von vorne. Wir waren das vorletzte Fahrzeug in der Kolonne, hinter uns fuhr noch Boehr mit seinem 813 Tatra. Boehr war am 1. März Unteroffizier geworden, da hatten sie ihm die Gurkenschalen angeheftet. Auf seinen 813 Tatra hatten sie Ersatzteile geladen. Der 813 war schon ein imposantes Fahrzeug. Von seinen 4 Achsen waren die zwei Vorderen lenkbar. Boehr sollte vorfahren, bei einem der Tanker musste irgendetwas gewechselt werden. Die Tatrafahrzeuge die wir fuhren basierten alle auf dem Model 148, egal ob Pritsche oder Tanker. Auf seinem Tatra fuhren noch zwei Soldaten vom Kfz – Zug mit. Keine halbe Stunde dauerte die Reparatur. Böhr blieb mit seinem Fahrzeug gleich vorne hinter dem UAZ vom Major. Als wir Dresden querten hingen wir alle an der Bordwand. Es war ein komisches Gefühl, keine 2 Kilometer weg wohnten Freunde und Verwandte und du hingst hier auf so einer alten Printe herum und durftest nicht weg. Auffahrt Dresden – Neustadt, ein blauer Ikarus Reisebus fuhr auf. Ein Polizeibeamter saß hinter dem Lenkrad. Merkwürdig, ich schaute noch mal hin, ein Gefängnistransport. Zwischen dem Fahrer und Beifahrersitz und dem Rest des Busses war ein Stahlgitter eingebaut. Als der Bus uns überholte grüßten die Gefangenen mir dem Victory – Zeichen. Die fuhren bestimmt nach Bautzen oder in das Stahlwerk Riesa. Es war einfach nur verrückt. Auf der Autobahn begegneten sich zwei unterschiedliche Arten von Gefangenen. An der Hellerauer Spinne gabelte sich die Autobahn. Wir fuhren Richtung Berlin. Die nächste Abfahrt nach Ortrand  war Frauendorf und hier ungefähr 30 Kilometer hinter Dresden verließen wir die Autobahn. Wir fuhren durch den kleinen Ort Frauendorf. 200 Meter hinter der Ortschaft begann der Wald. Genau hier bezog Roos Stellung. Man konnte über Roos sagen was man wollte, aber vom Führen einer Fahrzeugkolonne hatte er Ahnung. Während die Fahrzeuge abgetarnt wurden, zogen wir auf unsere Wachposten und das war auch notwendig. Die Knirpse und Jugendlichen aus dem Dorf hatten schnell mitbekommen, das die Armee am Dorfrand in Stellung gegangen war. Wir waren die Attraktion. In kleinen Gruppen kamen sie angesaust. Neugierig wie sie waren wollten sie überall hin, was wir natürlich nicht zulassen konnten. Nach drei Stunden kam die erste Kompanie, sie bestand in erster Linie aus den ganzen Stabsfahrzeugen. Major Schmalz beorderte Major Roos zu sich und befahl ihm 3 Kilometer westlich Stellung zu beziehen, der Kradfahrer der ersten Kompanie würde ihn einweisen. Das war natürlich gewaltiger Sackgang für meine Kameraden. Sie mussten ihre Fahrzeuge enttarnen und weiterfahren um sie nach wenigen Kilometern neu zutarnen. Wir von der Feldwache mussten dableiben. Nachdem die dritte Kompanie abgezogen war, ging die Erste in Stellung. Während die Soldaten die Zelte aufbauten und ihre Spezialfahrzeuge zum Einsatz brachten, knüpfte ich Kontakt zu den Jugendlichen. Die Offiziere sahen das Gerne, wenn die Bevölkerung auf diese Art von der Technik ferngehalten wurde. Ich hatte mir 5 Mark vor der Übung eingesteckt. Ich kramte sie heraus und fragte die Jugendlichen ob sie ein Problem damit hätten mir im Dorfkonsum eine kleine Flasche Weinbrand zu kaufen. Schon tobten sie los um eine halbe Stunde später mit der Flasche zu erscheinen. Einer von ihnen hatte zusätzlich noch eine Flasche Bier bei seinem Vater gemaust. Ich passte auf das die Offiziere nichts mitbekamen. Nur die Stabsfunker schauten rüber. Ich wusste nicht so recht was ich von ihnen halten sollte, zu denen hatten wir eigentlich nie Kontakt. Schnell verstaute ich die Flaschen in der Schnuffitasche. Nach der Wachablösung kam einer der Funkerunteroffiziere auf mich zugelaufen und fragte mich was ich in der Tasche hätte. Ich überlegte kurz und sagte zu ihm, da musst du meine E`s  fragen. Er erwiderte, ich will keinen Ärger mit deinen E´s haben, ich möchte nur wissen ob ich richtig geschaut habe. Ich klapptemeine Tasche auf. Was manche Menschen so alles für ihr Ego brauchten. Wenn der wüsste das gar keine E`s beim Wachkommando waren. Während der Feldwache schoben immer drei man Wache, drei hatten Bereitschaft und die restlichen drei hatten wachfrei. Nachts hatten wir neben der Wache noch die Stromaggregate zu überwachen die mussten stündlich mit Diesel versorgt werden. Also war nichts mit Nachts nicht auf Posten gehen. Aber der Schmerz hielt sich in Grenzen, da wir aller vier Stunden wechselten konnte man doch ganz gut schlafen. Außerdem hatten wir noch die Flasche Schnaps. Am Tag hatten wir uns Reisig gesammelt und auf die Pritsche geschmissen. Nach dem Abtropfen hatten wir ein Tarnnetz darüber ausgerollt und Schwarzdecken waren zuhauf auf dem Lkw. Befehligt wurde unsere Gruppe von Uffz. Wolf.  Wolf meinte wenn ihr Spurt machen wir keine große Wachablösung, die alte Wache weckt die Neue, weißt sie kurz ein und wir leben alle ruhiger. Das fand ich prima, nur ehe das mancher Soldat durch seine Gehirnswindungen bekommen hat, verging seine Zeit. Einer der Soldaten war Vize Peter Reinig. Die E´s riefen ihn immer Taumelpeter, weil er so gut wie nichts auf die Reihe brachte. Als ich ihn weckte sagte er zu mir, du Springschwein kannst meine Wache mit stehen, drehte sich rum und wollte weiterschlafen. Ich trat ihn gewaltig in sein Hinterteil. Laut fluchend machte er Rabatz, davon wurden die anderen Kameraden munter. Sie beförderten ihn schnurstracks vom Lkw. Am nächsten Morgen, machte ich mich an der Wasserkuh frisch. Schurig krähte, fast wie Camping. Na schönen Dank auch, knurrte ich. Lauter wie ich knurrte nur mein Magen. In der Feldküche fasste ich meine Komplekte aus. Ich nahm ein paar Büchsen mehr mit, wenn die Knirpse kamen konnte ich ihnen was mitgeben. Ich stopfte sie in meine Hosentasche. Die Hosenträger bei der NVA waren äußerst strapazierfähig. Am späten Vormittag kamen zwei Stabsoffiziere von der Division, es waren Oberstleutnante. Vier man wurden von der Feldwache abgestellt, wir sollten das Sanitätsbataillon überfallen. Wir mussten unsere Magazine mit den scharfen Patronen abgeben und bekamen Magazine mit Platzpatronen. Dazu erhielten jeder noch vier Donnerschläge als Handgranatenersatz. Unter der Leitung der beiden Offiziere schlichen wir an das Lager des Sanitätsbataillons. Sie hatten keine Wachen aufgestellt. Einer der Oberstleutnante gab das Zeichen zum werfen der Donnerschläge. Ich hielt Zwei zurück. Wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen kamen die Resis aus ihren Zelten gerannt. Wir hielten mit unseren Platzpatronen drauf. Im Ernstfall hätte nicht einer überlebt. Ich ließ mich von den Resis gefangen nehmen. Versteckte aber vorher noch die zwei übrig gebliebenen Donnerschläge in meiner Unterhose. Die Resis waren ganz aufgeregt dass sie uns gefangen hatten. Der eine Oberstleutnant sagte, Tote können keine Gefangenen machen. Sie waren richtig angefressen über das schlechte Verhalten der Resis beim Überfall. Das würde bestimmt noch Ärger geben. Bevor sie uns zurückschafften, machten sie noch bei uns Leibesvisitation wegen der Donnerschläge. Wichtigtuerisch meinte einer der Oberstleutnante, es gibt Soldaten die wollen die Dinger mit nach Hause nehmen, ziehen sie mal ihre Stiefel aus. Diese Armleuchter, wenn die wüssten. Nachdem wir unsere Magazine umgetauscht hatten brachten sie uns zurück. Ich ging Mittagessen fassen. Die Feldküche kochte gerade Bohneneintopf. Ein großer Sack „Trockenfutter“ verschwand in der Gulaschkanone. Mich schüttelte es. Umso erstaunter war ich, die Suppe schmeckte gar nicht schlecht. Ich ließ mir mein Kochgeschirr ein zweites Mal füllen. Als ich am Nachmittag auf Posten zog, hieß es, es würde eine Nachtfahrübung geben. Es sollte mit verdecktem Licht gefahren werden. Mir war es recht, da konnte man in Ruhe auf dem Lkw matten. 22.00 Uhr sollte es losgehen. Schmalz traf schon am zeitigen Abend Vorbereitungen für den Aufbruch der ersten Kompanie. So etwas hätte es bei Roos nie gegeben. Da wurde eine Stunde vorher der Befehl zum Aufbruch gegeben und wehe dem es klappte nicht. Da sah man schon große Unterschiede bei der Kompanieführung. Mit einer Stunde Verspätung ging es los, trotz des Geschuckels schlief ich schnell ein. Es wurde langsam hell als ich aufwachte. Ich hatte tief und fest geschlafen. Uffz. Wolf sagte, Müller wir sind schon auf der anderen Elbseite. Wir bezogen einen neuen Stellungsraum, irgendwo bei Leipzig. Hier gammelten wir den halben Tag herum. Auch das hätte es bei Roos nicht gegeben, der beschäftigte einen schon. Aber es war mir recht. Es zogen jede Menge andere Truppenteile an uns vor bei. Die meisten kamen von den Artilleristen und waren in der Sommeruniformen unterwegs. Am Nachmittag kamen neue Befehle. Es hieß die erste Kompanie kann einrücken, die zweite und dritte Kompanie fährt das Manöver bis zum Ende mit. So kam ich am späten Abend in die Kaserne zurück. Uffz. Wolf schloss Waffen und Munition in die Waffenkammer und meinte es reicht zu wenn wir morgen die Waffen reinigen. Das mussten wir dann sehr gründlich machen, der ganze Vormittag war weg. Am Nachmittag machte ich mich über den Lkw her. Ich benötigte mehrere Stunden ehe er vom Straßendreck gesäubert war. Taumelpeter meinte und jetzt machst du noch die Pritsche sauber.  Ich sagte zu Peter, das kannst du dir schenken, dass du mich noch rumkommandieren kannst. Meine Tage als Springer sind gezählt, entweder machst du mit oder es macht keiner. Widerwillig beugte er sich der Notwendigkeit. In der Nacht rückte die dritte Kompanie ein, nichts war mit Nachtruhe ab 22.00 Uhr. Ehe alles zur Ruhe kam war es weit nach 01.00 Uhr. Am nächsten Tag war richtiger Sackgang angesagt, die Lkws mussten gewaschen werden. Da konnte ich nicht so rum lumpern wie mit Peter. Die E`s machten schon gewaltig Betrieb. Die Lkws kamen auf die Rampe. Mit Bürsten schruppten wir den Dreck unter dem Auto ab. Für diese Arbeit zog ich mir freiwillig die Jacke vom Jumbo über. Zwei Tage brauchten wir um die Fahrzeuge sauber zu bekommen. Die Fahrzeuge mussten im Anschluss zur Tankstelle. Chef der Tankstelle war ein Stabsfeldwebel. Seinen Familiennamen kannte ich nicht, alle nannten ihn nur Sprit Alfred. Es gab keinen besseren Namen für ihn, denn er hing auch tüchtig an der Flasche. Einige Tanker hatten ihren Diesel während des Manövers abgegeben. Sprit – Alfred oblag es die Spritstände zu kontrollieren. Alfred war wieder schwer drauf, mit brennender Zigarette stieg er auf die Tanker, öffnete die Betankungsluken und überprüfte den Dieselstand. Irgendein Gefreiter sagte zu ihm, bist du bekloppt Alfred. Is nur Diesl drinne, nuschelte er. Entsetzt verließ ich den Bereich des Fahrzeugparks. Solange der Verrückte da hinten rum rannte konnte mich kein Befehl der Welt in den Fahrzeugpark zurück jagen. 

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