Donnerstag, 7. Juli 2011

Fahrzeugpark

Wir sollten uns mit der Fahrzeugtechnik besser vertraut machen. Die E`s nannten das Fahrzeug kaputt warten und pflegen. Nach dem Morgenappell rückten wir jetzt fast jeden Tag ab in den Fahrzeugpark. Mein Fahrzeug stand ziemlich nah an der Kompanie heran. Links von meinem Lkw parkte der vom Gefreiten Reifke und rechts von mir der von Soldat Holz. Die ersten 10 Lkws gehörten alle zu unserer Gruppe. Soldat Holz war der einzige auf dem Zimmer der in der Partei war. Er kam von irgendeinem Dorf aus der Nähe von Meißen. Er erklärte jedem der es wissen wollte oder auch nicht, das er nach der Armeezeit eine Ausbildung als Agrar – Flieger beginnen wollte. Aus diesem Grund wäre er in die Partei eingetreten. Genau genommen klang seine Erklärung eher wie eine Entschuldigung. Er war kein schlechter Kerl und nur das zählte für mich. Aber ich lotete schon aus, wie weit ich mit meinen Spitzen gehen konnte. Holz war Vize, eines Tages sagte er zu mir: Kehr mal bitte den Dreck vor meinen Spind weg und du müsstest heute mal die Toiletten wienern. Ich tat erstaunt und sagte, das du als Genosse dich an der Ek Bewegung beteiligst wundert mich schon. Er bekam einen knallroten Kopf, die Anderen auf dem Zimmer grinsten nur Caspar sagte, Müller hör auf oder du putzt heute noch meine Stiefel. Anderen die Stiefel putzen galt als die Erniedrigung schlecht hin bei uns auf der Kompanie. Gewöhnlich putzte jeder seine Eigenen. Gleich nach dem Schuhe putzen kam das Reinigen der Stubenhockerfüße. Diese Füße bestanden aus kleinen Plastestöpseln welche in die Rohrbeine des Hockers gesteckt wurden. Im Laufe der Zeit blieb da so mancher Schmutz hängen. Mittels einer Drahtbürste wurde er entfernt. Im Anschluss wurden noch mit einem feuchten Lappen die Stöpsel nachpoliert. Für einen Stöpsel benötigte man 3 – 5 Minuten. Vier Stück waren am Hocker und auf der Stube gab es 10 Stück davon.
Jedenfalls meint Holz, dein Auto steht sich kaputt das ist schon über ein halbes Jahr nicht mehr bewegt wurden. Das liegt an deiner Ladung, du bist der einzige von uns der keine Fässer fährt. Du hast Ergänzungsmaterial und flexible Tankbehälter geladen. Was ist denn das für Zeug? Das sind Ersatzpumpen und Tankbehälter aus einer Gummimischung, da gehen bis zu 5000 Liter hinein. Benötigt wird dieses, wenn mal ein Tanker eine Havarie hat. Uffz. Graichen meinte, wir werden demnächst mal die Plomben an der Ladefläche entfernen, dann kannst du dich mit der Ladung vertraut machen.
In zwischen wurde es im Februar richtig kalt. Die Temperaturen sanken auf minus 10 Grad. Da fiel es Zapfenludi wieder ein, er war Zugführer der Tankerfahrer, sie hatten vergessen bei den Tankern die Wasserabscheider zu leeren. Wenn das Wasser in den Abscheidern gefror und die Rohre platzten, dann liefen die Tanker aus. Der Major bekam einen Schreikrampf, er machte Ludi rund. Das war typisch für den alten Sack, der taumelte nur durch den Tag. Die Tankerfahrer wurden an die Fahrzeuge geschickt um die Abscheider zu leeren. Es war zu spät, sie waren zugefroren. Guter Rat war teuer um das Schlimmste zu verhindern. Gefreiter Neubert meinte da helfen nur heiße Umschläge, damit das Eis wieder auftaut. Roos sein Gesicht hellte sich auf, Neubert rief er, sie übernehmen das Kommando. Neubert teilte jedem Tanker zwei Leute zu, der eine musste immer für heißes Wasser sorgen und der andere machte die Umschläge. Wir waren die nächsten Stunden mit auftauen beschäftigt. Zapfenludi rannte wie ein Dackel mit hängenden Ohren zwischen den Tankern hin und her. Auf einmal ging ein mörderisches Specktakel los. Gefreiter Petrasch prügelte einen Soldaten zwischen den Tankern heraus und brüllte du Dreckschwein willst uns wohl alle umbringen.Er bekam sich gar nicht mehr ein schlug und brüllte wie ein Wilder. Ich schaute genauer hin. Es war Soldat Althaus vom zweiten Diensthalbjahr den er schlug, er war einer von den wenigen Thüringern. Er kam aus dem Eichsfeld. Es war mit Sicherheit kein vergnügen von Petrasch verprügelt zu werden. Der hatte im zivilen Leben schon eine Vorstrafe weg, wegen prügeln. Er war ein kleiner, drahtiger, muskulöser Kerl und hatte eine richtige Schlägervisage. Ich ging ihm weitestgehend aus dem Weg. Drei Gefreite gingen dazwischen und zerrten Petrasch weg von Althaus. Es stellte sich heraus, Althaus hatte versucht mittels Feuer unter den Wasserabscheitern den Auftauprozess zu beschleunigen. Er tränkte alte Lappen mit Diesel und zündete sie an. Der musste doch wohl nicht ganz dicht sein, dieser Blödmann. Da hatte Petrasch uns ja wirklich das Leben gerettet. Es war wirklich so, der Oswin lauert überall. Aber wie so vieles wurde auch der Vorfall unter den Teppich gekehrt, denn die eigentliche Ursache war ein Offizier, in dem Fall Zapfenludi.
So langsam aber sicher ging es auf den Tag der NVA zu. Der wurde immer am 1. März gefeiert. Das war so etwas wie der Tag der offenen Türe. Es kamen Schulkassen, Eltern,Lehrlinge, etc. in die Kaserne. Es wurden die best erhaltenen und neusten Fahrzeuge zur Schau gestellt. Wir mussten unsere Fahrzeuge auf Vordermann bringen. Nach dem Waschen wurden farbliche Ausbesserungen vorgenommen und zum Abschluss mit einem Dieselfilm versehen. Der Diesel wurde mit Hilfe einer Sprühpistole aufgetragen. Die Autos glänzten wie eine Speckschwarte. Dann wurden sie auf den Exerzierplatz gefahren und für die Fahrzeugparade ausgerichtet. So stellte jede Kompanie und das Sanitätsbataillon ihre Technik zur Schau. Im Zuge der Feierlichkeiten wurden am Vortag des 1. März die Wachen verdoppelt, um unliebsame Zwischenfälle zu vermeiden. Es war das erste Mal das ich Wache schob. Ulei Leipziger oblag es die Wachen einzuteilen. Er führte auch die Wachbelehrung durch. Das war natürlich alles Neuland für mich. Leipziger wertete die letzten Wachvorkommnisse aus. Im Anschluss belehrte er uns über den Umgang mit der Schusswaffe. Die Anwendung der Schusswaffe ist die höchste und letzte Form der Gewaltanwendung. Sollte jemand in das Objekt eindringen, muss er als erstes aufgefordert werden stehen zu bleiben. Kommt er der Aufforderung nicht nach muss er erneut angerufen werden mit der Auforderung stehen zu bleiben und dem Hinweis auf den möglichen Einsatz der Schusswaffe. Sollte das alles nicht fruchten, hat ein Warnschuss in die Luft zu erfolgen. Erst bei nicht Beachtung des Warnschusses war ein gezielte Schuß in die Beine erlaubt.
Ich hatte Glück und bekam nur eine Nachtwache aufgebrummt. 18.00 Uhr war Wachwechsel, vor der Vergatterung fassten wir Waffen und Munition aus. Zur Wachausrüstung zählten vier Magazine für die Kalaschnikow. Zwei wurden mit Patronen versehen oder wie wir sagten aufgemumpelt. Die Mumpeln waren fein säuberlich auf ein Brett gesteckt, es viel sofort auf wenn eine fehlte. Nach der Vergatterung rückten wir ins Wachlokal ein. Ich sah diese Einrichtung das erste Mal von ihnen. Aus dem Wachlokal  kam eine richtige Wolke von alten, kalten Schweiß und Zigarettenrauch. Gefreiter Richter erläuterte mir, dass die hygienischen Bedingungen im Wachlokal noch nie Besten waren. Im Aufenthaltsraum standen 5 Betten, dort schmissen sich nach 22.00 Uhr die Soldaten zum ruhen hin, in voller Montur. Ausziehen war verboten, Bettwäsche gab es keine, nur ein paar alte keimige Schwarzdecken lagen da und die stanken so mörderisch. Aus diesem Grund versuchten die E`s in den Knastzellen zu schlafen, die waren steriler. Nur war das eben verboten. Ich hatte keine Zeit mich groß umzusehen, denn ich musste gleich auf Posten ziehen. Der Ulei rückte mit uns ab zum Wachplatz, hier wurden die Kalaschnikow geladen bzw. entladen. Richter und ich lösten den Posten 2 ab. Richter erklärte das die Posten normalerweise aller 4 Stunden wechseln, was zwar gegen die Vorschrift war aber man konnte länger schlafen. Heute wäre dies allerdings nicht möglich, weil der Ulei Wachhabender war. Gewöhnlich sind Wachhabende nur Uffze. aber durch die Doppelposten müsse diesmal ein Offizier den Wachhabenden spielen und der hält sich an die Dienstvorschriften. Nach zwei Stunden erschien der Ulei wieder, wir latschten die Postenrunde mit bis alle Wachen ausgetauscht waren. Auf dem Wachplatz nahmen wir die Magazine aus dem Gewehr und mussten es durchladen. Der Ulei kontrollierte das sich keine Mumpel im Lauf befand, abdrücken und Gewehr sichern. Erst dann rückten wir geschlossen ins Wachlokal. Schlafen war nicht, durch die Doppelposten war das Wachlokal überfüllt. Auf den Betten lagen die E`s. Wir spielten Skat, der Ulei maulte rum, denn Glücksspiele auf der Wache waren verboten. Massi sagte, Ulei seien sie nicht so, irgendwie müssen wir ja die Zeit rum kriegen. Er ließ uns in Ruhe. Als wir 24.00 Uhr wieder aufziehen wollten, kam der OvD zum Kontrollgang mit. Er war der einzige Offizier der das Wachlokal betreten durfte. So ging das bis Früh 06.00 Uhr. Dann musste ich nicht mehr aufziehen, die Nachtposten wurden nicht mehr besetzt. Aber wir mussten uns noch bis 18.00 Uhr im Wachlokal aufhalten. Tatsache, ab 10.00 Uhr kamen eine ganze Menge Besucher. Im Sozialismus wurde eben nichts dem Zufall überlassen. Gegen 11.00 Uhr kam der OvD. Die Soldaten die Wachfrei hatten sollten vorm Wachlokal antreten. Eine Klasse Viertklässler stand davor und sang extra für uns ein Lied, ein Rotes, war doch klar. Aber die Kinderaugen strahlten, sie waren glücklich dass sie uns eine Überraschung machen konnten. Ich hatte die Schulstationen ja auch durchlaufen und dachte nur, wenn die wüssten. Im Anschluss überreichten sie uns selbst gebastelte Geschenke. Ich muss zugeben, das hatte was Rührendes. Der Ulei meinte, Müller gehen sie mal mit den Knirpsen zu den Feldbäckern rüber und sorgen sie dafür dass sie etwas Frisches bekommen. Schon im Vorfeld hatte ich gehört, dass das Brot der Feldbäckerkompanie, wenn es noch frisch und warm war, richtig lecker war. Das muss sich auch bei der Erfurter Bevölkerung rumgesprochen haben, denn es stand eine beachtliche Anzahl Zivilisten davor. Neben den Feldbäckern dampften die Gulaschkanonen. Die Feldküche füllte für jeden der Knirpse einen Teller mit Bohneneintopf, ich holte frisches Brot ran und kostete natürlich als erster. Es war wirklich gut. Ich verabschiedete mich von den Kindern, schnappte mir mehrere Brote und ging wieder ins Wachlokal. Der Ulei meinte sehr gut Müller, mitgedacht. Zehn Minuten später war nichts mehr da. Schade, ich wollte mir noch für nächsten Tag welches mitnehmen. Kannste vergessen, meinte Richter, morgen kannst du jemanden damit erschlagen. Der Tag ging auch rum, 18.00 Uhr wurden wir von der neuen Wache abgelöst. Als Springer hatten wir das Wachlokal noch auf Vordermann zubringen, ehe die Wachablösung vollzogen wurde.
Nach Dienstschluss werteten wir den Tag aus. Früh nach dem Morgenappell wurde der große Bataillonsappell abgehalten. Es gab eine Menge Beförderungen Oberleutnant Lück und Wetzel waren zu Hauptmännern ernannt worden und die beiden Leutnante Nikolaus und Luderer waren zum Oberleutnant befördert worden. Aus unserem Zimmer wurde Soldat Holz vorzeitig zum Gefreiten befördert. Überhaupt von den fünf beförderten Soldaten waren vier Genossen. Das sagte schon wieder mal alles. Der eine Nichtgenosse war Nimitz, ihn hatte man nicht mit Beginn des dritten Diensthalbjahres zum Gefreiten gemacht, nun war er es doch noch geworden. Zur Beförderung erschien der stellvertretende Divisionskommandeur Major Pfeffer. Er galt als einer fähigsten Offiziere der Division. Er hatte in Moskau studiert, eine steile Kajere hinter sich und sollte einmal die Division übernehmen, so wurde gemunkelt.
Caspar sagte zu Holz, na du altes Treibhaus das kostet dich zwei Teile Bier, Holz nickte. Am nächsten Tag musste der ganze Zinnober wieder vom Exerzierplatz entfernt werden. Jede Kompanie fuhr ihre Fahrzeuge weg. Uffz. Graichen hatte bei Nikolaus durchgesetzt dass meine Ladung auf dem Lkw inspiziert wurde. Die Pumpen waren noch nie genutzt worden die drei flexiblen Tankbehälter sahen auf den ersten Blick ebenfalls neuwertig aus. Ich schaute mir diese Behälter näher an, sie waren mit einem bajonettartigen Verschluss versehen. Bei einem der Behälter viel mir auf, dass die Hülle äußerst porös war. Ich zeigte es Graichen und der wiederum holte Nikolaus hinzu. Als der für die Technik verantwortliche Offizier musste er entscheiden was mit dem Behälter wird. Austauschen meinte er, und zwar schnell und zusätzlich noch zwei Neue dazu. Bei der nächsten Fahrübung soll sowieso das Betanken getestet werden. Die nächste Fahrübung ließ nicht lange auf sich warten. Wir fuhren hinaus auf den Drosselacker unter der Leitung von Major Schmalz. Während wir die flexiblen Tankbehälter abluden schwafelte er von seinem Hobby der Jagd und füllte uns die Taschen mit seinem Jägerlatein. Die Tankerfahrer machten ihre Pumpen und Schläuche startklar. Während wir den Behälter an das Schlauchsystem anschlossen, mussten andere das Benzin von einem Tanker in den Anderen pumpen. Soldat Spielvogel und ich passten auf den Tank auf, Soldat Meißner bediente seinen Tanker. Er stellte die Pumpe an. Das Benzin floss sonst wohin nur nicht in den Tank. Ausmachen brüllte ich, Meißner verstand nicht sofort. Die ersten 100 Liter waren in den Sand gesetzt. Wir wechselten die Dichtungen am Bajonettverschluss und siehe da, es lief nichts mehr aus. Nachdem die Behälter zur Hälfte voll waren, meinte Schmalz das langt, die Pumpen funktionieren und jetzt schauen wir mal ob die Ventile der Tanks schließen. Wir lösten den Bajonettverschluss. Das Ventil am Tank schloss nicht. Es dauerte bis Spielvogel und ich den Schlauch wieder angeschlossen hatten. Wir stanken wie die Pest. Nicht nur uns ging es so, bei drei von fünf Tanks passierte dasselbe Malheur. Hunderte von Litern flossen in den Waldboden. Schmalz winkte nur müde ab und meinte, wenn der Förster was sagen sollte, stellen wir ihm 200 Liter Sprit zur freien Verfügung. Das haben wir schon einmal so gemacht. Wir pumpten die Tanks leer und verstauten sie auf dem Lkw. Ich dachte so für mich, ein Funke hätte genügt.
Solange ich dieses Fahrzeug fuhr wurde auch an den Ventilen nichts geändert.

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