Donnerstag, 6. Oktober 2011

Vorweihnachtszeit und Wehrkunde


 Lutz und ich machten uns auf in den Ausgang. Unser Besuch galt vor allem dem Centrum – Warenhaus am Anger. Soviel Zeit war ja auch nicht mehr bis Ladenschluss. Aber wir bekamen dass was wir kaufen wollten. Im Anschluss bummelten wir über den Anger. Ich vergrub meine Hände tief in den Manteltaschen, es war nasskalt und es fing an zu schneien. Am liebsten hätte ich auch noch meinen Kopf im Mantel verschwinden lassen. Auf einmal rief jemand, Genosse Soldat nehmen sie ihre Hände aus den Taschen. Die Aufforderung klang nicht böse aber bestimmt. Lutz und ich drehten uns um, es war Major Bernd vom Bataillonsstab der mich dazu aufforderte. Erschrocken zog ich meine Hände aus den Taschen nahm Haltung an und grüßte. Lachend meinte er, nicht so förmlich aber mit den Händen in den Taschen, das sieht nicht gut aus. Er war mit seiner Frau ebenfalls auf Einkaufsbummel. Freundlich lächelte sie herüber. Sie war ungefähr Mitte 40 genauso wie der Major. Major Bernd war von der Figur her stark untersetzt, sein Bauch war gewaltig. Aber er war ein umgänglicher Offizier mit einem Hang zum freundlichen. Er wünschte uns noch viel Spaß im Ausgang. Wir grüßten noch einmal und gingen. Es kam selten vor das wir eine Offiziersfrau zu Gesicht bekamen. Nur Frau Roos kam ab und an mal auf die Kompanie. Im Gegensatz zu ihrem Gatten war sie ein netter Mensch. 
Lutz und ich bekamen Hunger. Wir wollten in eine Gaststätte. Es war schwierig  eine im Zentrum zu finden. Alle waren sie voll. Wohl oder Übel mussten wir in einer Tanzbar das Essen einnehmen. Das war keine billige Angelegenheit. Nach dem Essen tranken wir noch zwei Bier und wollten eigentlich bezahlen, als sich zwei junge Damen an unseren Tisch setzten. Charmant lächelten sie rüber, Lutz lud sie auf eine Flasche Wein ein. Was sie dankbar annahmen. Auch so zeigten sie sich recht offen. Lutz musste mal für kleine Jungs, die Damen meinten sie müssten auch einmal und gingen hinter her. Aufgeregt kam Lutz zurück und sagte, die Toilettenwände in der Lokalität wären recht dünn, da hätte er das Gespräch zwischen den beiden Damen gehört. Die wollen uns richtig wie Weihnachtsgänse ausnehmen, dann verschwinden und uns mit der Rechnung sitzen lassen. Schnell bevor sie wieder an den Tisch kamen sagte ich zu Lutz, lass uns den Spieß umdrehen und schob ihn schon mal meine Gardarobenmarke zu. Als sie platz genommen hatten fragte ich die Beiden, wie es mit Sekt wäre, sie strahlten. Sucht euch nur aus was euch schmeckt und dann bestellt ihr zwei Flaschen, sülzte ich weiter. Ihre Augen fingen an zu glänzen. Der Kellner brachte vier Gläser zu den Flaschen. Eine Flasche kam im Übrigen 35 Mark.  Wir ließen es uns die nächsten zwei Stunden richtig gut gehen. Den Sekt verdünnten wir kräftig mit Bier. Wir machten uns bekannt. Die Damen stellten sich vor, eine hieß Ulrike, die andere Kerstin. Ulrike fragte ob sie Sekt nachbestellten könnte. Ich nickte generös. Lutz meinte ihm wird schlecht, er muss mal auf die Toilette und stieß mich mit dem Fuß an. Ich schimpfte mit ihm, dass man sich mit ihm nur schämen könnte. Als er nach 5 Minuten noch nicht zurück war, entschuldigte ich mich bei Ulrike und Kerstin. Ich schau mal nach ihm, bin gleich wieder da. Freundlich grüßend lief ich an der Gardarobe vorbei und verschwand aus dem Tanzlokal. Wir nahmen die Beine unter die Arme und verschwanden in der Dunkelheit der Nacht. Lachend meinte Lutz, die Rechnung dürfte die Höhe deines und meines Soldes erreicht haben. Von wegen zwei Soldaten ausnehmen  wollen. Das hatten die Beiden sich verdient die Rechnung von den einzig wahren E`s zu übernehmen.
Anfang Dezember kamen die Resioffiziere. Es sollten die Ersten von einer ganzen Resiwelle sein. Wegen Polen meinte VW müssten die Reserveoffiziere auf Vordermann gebracht werden. Sie schliefen eine Etage unter uns, auf dem selben Gang wo die Militärkapelle ihr Domizil hatte. Eines Abends tauchte einer von den Offizieren im Fernsehraum auf. Wir schauten uns an, was würde er wohl sagen, wenn wir auf den Klassenfeind umschalteten. Los umschalten sagte ich zu Arno. Der schloss die beiden Flachbatterien an das Fernsehgerät. Wir schauten an dem Abend die ARD. Der Offizier sagte nichts. Am nächsten Abend saßen fünf von der Sorte vorm Fernseher. Laut sagte ich in den Raum ohne jemanden direkt anzusprechen, ein schönes Fernsehprogramm, da kann man nur hoffen dass wir das auch in Zukunft schauen können. Einer der Offizier meinte, an uns soll es nicht liegen. Die Resis waren ganz in Ordnung. Wir kamen gut klar mit ihnen. Die meisten hatten sowieso keine Ahnung von der Technik und waren froh wenn sie ihre Ruhe hatten.
Vor Weihnachten sollte noch unser Zimmer auf Hochglanz gebracht werden. Meise holte Springer auf unser Zimmer. Eigentlich hatte sich eingebürgert das Sperling und Krause für unser Zimmer verantwortlich waren. Wurde es mit der Arbeit mal richtig dicke, holten wir uns noch den kleinen Müller dazu. So war es auch diesmal. Inzwischen kam man sich auch menschlich näher. Sperling wohnte in Dresden auf der Nürnberger Straße, das war gerade mal einen Kilometer weg von mir. Da gab es immer was zu erzählen. Krause war der Kleinste auf der Kompanie, Meise taufte ihn auf den Namen Krause – Huddel. Huddel war eine sächsische Bezeichnung für Nuckel. Beide hatten sich ganz gut an das neue Umfeld angepasst. Sperling war der Chef bei den Springern und Krause - Huddel der Giftzwerg. Das konnte man von dem kleinen Müller nicht sagen. Er war ein richtig ängstlicher Typ. Wer Angst hat macht auch viel verkehrt, so war es auch bei ihm. Wir hatten ihn den Namen Taumelmüller verpasst. Ich erklärte ihnen, wie die Reinigungsaktion abzulaufen hatte. Genauso wie ich im ersten Diensthalbjahr, mussten sie Betten und Spinde auf den Flur räumen und sich über den Fußboden her machen. Das rief bei ihnen natürlich keine Freude hervor, da mussten sie durch. Uschi stichelte immer wieder und beschäftigte die Springer mit sinnloser Zusatzarbeit. Ich sagte zu ihm, hör auf damit, wenigstens so lange bis sie mit ihrer Arbeit fertig sind. Eigentlich hätte ich schon eher einschreiten sollen. Krause hatte sich hochgeschaukelt und giftete gewaltig gegen Gott und die Welt. Anders ausgedrückt, gegen die EK`s und die Bewegung. So wie Bengert guckte konnte das nicht gut gehen. Nach Beendigung der Arbeit schnappte er sich Krause und Uschi zog ihm die Gasmaske über. Er wehrte sich verzweifelt, hatte natürlich keine Chance. Sie schraubten den Gasmaskenschlauch vom Filter ab und hielten ihn über den vollen Aschebecher und drückten den Schlauch zu. Ich stellte mich abseits und schaute zu. Natürlich hätte ich sagen können, Aus, Schluss aber ich wollte nicht. Krause war schon ganz schön ausfällig geworden aber ich hätte das anders gelöst.  Ich beobachtete wie sich die einzelnen Beteiligten verhielten. Dietmar zog sich zurück und setzte sich auf sein Bett, der Rest vom Zimmer war eifrig bei der Sache. Sperling kochte vor Wut, getraute sich aber nichts zu sagen und Taumelmüller viel vor Angst bald aus den Latschen. Als Krause die Luft so langsam aber sicher unter der Gasmaske knapp wurde, ließ Uschi den Gasmaskenschlauch los. Krause nahm einen gewaltigen Hieb aus dem Aschebecher.  Wer den Schaden hatte brauchte für den Spott nicht zu Sorgen. Aus pädagogischer Sicht war das ein Schlag ins Wasser, Krause wurde noch giftiger.
Im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage hatte sich der Batailloner Gedanken gemacht, wie er 90 Prozent der Soldaten in den Urlaub brachte ohne die Gefechtsbereitschaft zu beeinträchtigen. Ich fand das bemerkenswert, dass er sich für uns bemühte. Der alte Batailloner hatte die Truppe über die Feiertage gedrittelt, Zirl viertelte sie. Er schickte vor allem Junggesellen in die Vorweihnachtszeit. Sie bekamen vom 21. – 23.12. Urlaub. Außer Uschi bekam jeder von unserer Kompanie Urlaub. Ich konnte mir schwer vorstellen, das dass Zufall war. Irgendjemand wird es Roos schon zugetragen haben, die Geschichte mit der Gasmaske.
Aber nicht nur der Batailloner machte sich Gedanken. Auch die Verwandtschaft und die Freunde machten sich Gedanken. Es stapelten sich in den Spinden wieder die Stollen. Ich hatte Gott sei Dank in diesem Jahr nur einen bekommen. Aber Rudi hat vier Stück im Spind liegen. Da würden wir bestimmt noch Ostern davon zehren. Heinz hatte mir ein Paket mit Zigaretten geschickt, es enthielt eine Stange Club und eine HB. Das half wirtschaften, mit der Menge kam man ein Stück. Außer mir auf dem Zimmer rauchten, Meise und der lange Müller. Bernhard raucht auch hin und wieder Pfeife. Wenn er sie rauchte verbeitete sich ein angenehmer Geruch von Vanille. Die Umgangssprachliche Bezeichnung für die Tabaksorte war Pudding.
Die Vorweichnachtszeit hielt noch eine andere Überraschung parat. In den polytechnischen Oberschulen
hatte man in der 10. Klasse ein neues Fach eingeführt, den Wehrkundeunterricht. Die Jungen und Mädchen sollten auf die Armeezeit vorbereitet werden. Die Mädchen konnten sich für den Sanitätsdienst freiwillig melden. An einer Schule in Neustadt an der Orla sollte diebezüglich ein  Geländespiel stattfinden. Diese Ausbildung wurde von der Kampfgruppe eines ansässigen Betriebes organisiert. Begleitet werden sollte die Maßnahme von regulären Soldaten. Wie die gerade auf unsere Truppe kamen, blieb mir ein Rätsel. Denn bis Neustadt an der Orla waren es ca. 70 km. Auf den Weg nach Neustadt lagen zig Kasernen. Jedenfalls wurde ich mit zu der Schulveranstaltung abkommandiert. Früh 7.00 Uhr ging es los. Als wir in Neustadt ankamen hatte das Geländespiel schon angefangen. Feldwebel Scheinert teilte uns
den einzelnen Posten zu. Wir kamen zum vorletzten Posten nur Massi und ich waren noch nicht aufgeteilt.
Der Posten war der Verpflegungsposten. Beide wollten wir hier bleiben, wir losten. Das Glück war mir hold, ich durfte hier bleiben. Zwei Stunden später lag ich betrunken im Verpflegungszelt und schlief meinen Rausch aus. Von dem Geländespiel hatte ich nicht viel mitbekommen. Im Anschluß war Auswertung des Spieles in der Schule. Wir Soldaten waren mit eingeladen. Wie sich Lehrer so benehmen konnten, ich war richtig entsetzt. In zwei Gruppen gespalten beschimpften sie sich auf das Übelste. Sie wurden richtig persönlich. Solche Konsorten sollten einmal meinen Sohn unterrichten, das konnte doch nicht wahr sein. Das Verhalten der Lehrer  war schlichtweg asozial. Es stand neben jeglicher Norm. Einer der Lehrer hatte für uns Soldaten in einer Gaststätte Abendbrot organiesiert. Ich fragte ihn, ob das immer so an der Schule ist. Er schaute sich verstohlen um und sagte ja nicht nur an dieser. Ich wollte es ihm gerne Glauben, denn in der Lehre hatt ich andeutungsweise mitbekommen was hinter den Kulissen läuft.

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