Dienstag, 11. Oktober 2011

Das Neue Jahr

Am 1. Januar 1981 blieben wir E`s lange im Bett und schliefen aus. Im Gegensatz zu den Anderen auf dem Zimmer war ich immer noch der Frühaufsteher und 09.00 Uhr somit der erste der Aufstand. Die Springer hatten uns das Frühstück mitgebracht. Da Feiertag war gab es auch ein Stückchen Kuchen. Bengert hatte dafür gesorgt, das die Heizkörper warm waren. Wasser mit Duschtemperatur gab es auch. Da hatte er bestimmt die Springer rotieren lassen. Mir war`s egal. Ich genoss unter der Dusche das warme Wasser. Nach dem Frühstück quatschte ich mit dem UvD. Es war Beetz  der Dienst schieben musste. Er erzählte Werner hätte nicht alle Tassen im Schrank. Das war ja nun nichts Neues. Und weiter, fragte ich? Der hatte sich bei einer Übung 30 Schuss Leuchtspurmunition an Land gezogen.  Werner hatte über Silvester Wachdienst. Da hat er Mitternacht die Mumpeln in den Himmel gerotzt. Werner war wirklich nicht sauber. Genau so passieren Dinge die nicht passieren sollen.
Am nächsten Morgen zum Morgenappell erschien Roos relativ gut gelaunt. Er richtet ein paar mehr oder weniger nette Worte an uns, wegen des neuen Jahres. Im Anschluss ließ er Meißner und mich vortreten. Ich fragte mich, wegen was wird er denn uns schon wieder am Arsch haben? Roos rief, Soldaten Meißner und Müller stillgestanden, ich befördere sie rückwirkend zum 1. Januar zu Gefreiten. Verdattert sagte ich, ich diene der deutschen demokratischen Republik. Meise war genauso überrascht. Wir traten zurück ins Glied. Während ich noch darüber nachdachte warum er uns befördert hatte, rief Kümmerli das kost ein Teil. Wir trabten ab in den Fahrzeugpark, um die Silvesterreste aufzuräumen. Es lagen jede Menge abgebrannte Raketen herum. Zum zweiten Frühstück sagte Bengert ganz deprimiert, ich versteh das gar nicht, dass ich nicht befördert werde. Ich konnte es nicht mehr hören und sagte zu ihm, ich habe es dir schon hundert Mal erklärt. Wie kann man nur so stur sein, das ist doch nicht zu fassen!!! Eigentlich müsstest du doch auf die Nichtbeförderung stolz sein. Stattdessen sitzt du hier und jammerst rum. Mario blieb in seiner weinerlichen Stimmung. Am Nachmittag war wieder Wachvorbereitung, die immer mit der Wachbelehrung begann. Danach drückte Graichen, Meise und mir die neuen Schulterstücke in die Hand. Er hatte die genaue Anzahl im Vorfeld schon abgezählt. Es dauerte eine Weile bis wir sie an allen Kleidungsstücken gewechselt hatten.
Die nächsten Tage schoben wir verstärkt Wachdienst. Unter anderem stand ich wieder am KDL, 10.00 Uhr lösten Beetz, Kummer, Arno und ich die Truppe von Werner ab. Ich nahm mir noch eine Bockwurst mit an`s KDL, der Hunger ließ mir keine Ruhe. Ich lümmelte gelangweilt am Eingang und aß die Wurst. Eigentlich war das verboten, aber wo  kein Kläger war, gab es auch keinen Angeklagten, als ich das Müllauto kommen sah. Schnurstracks lief ich zum großen Tor und ließ das Auto passieren. Ich achtete auf das Müllauto nicht weiter, denn inzwischen kamen von der anderen Seite drei Fahrzeuge die die Kaserne verlassen wollten. Im vorbeifahren sah ich noch, es waren dieselben Müllmänner auf dem Auto wie immer. Ich ging zu dem UAZ der gerade die Kaserne verlassen wollte, als im letzten Jeep die Wagentüre aufgerissen wurde und ein Offizier heraus sprang. Laut schreiend, Gefreiter so geht das nicht, rannte er vor das Müllauto. Entgeistert starte ich zu dem Offizier. Wer war dieser Idiot? Ich schaute genau hin und erkannte ihn. Es war Major Pfeffer der stellvertretende Divisionskommandeur. Was macht denn der her, dachte ich verwundert? Normaler Weise gab die Wache durch wenn der Batailloner oder ein Offizier aus der Division auftaucht. Werner hatte wieder rumgetaumelt und es nicht gemeldet. Der brauchte wirklich mal die Schwarzdecke, dieser alte Plattenschrank. So etwas regte mich immer fürchterlich auf, den Sackgang konnte man sich ersparen. Werner wollte nach der Armee Polizist werden, aber der war ja selbst für einen Kantenlatscher zu blöd. Ich fragte den Major, was geht so nicht Genosse Major? Das sie das Müllfahrzeug hier reinlassen ohne es zu kontrollieren. Trotzig sagte ich, das sind dieselben Müllfahrer die vor 14 Tagen hier waren. Major Pfeffer tobte, Gefreiter es gibt Dienstvorschriften, da haben auch sie sich daran zu halten. Wo ist der Wachhabende? Im  KDL – Häuschen, sagte ich. Pfeffer stürmte ins KDL. Beetz hatte es schon lange mitbekommen was los war. Noch ehe Pfeffer losplärren konnte, sagte Beetz zu ihm, Genosse Major, das mit den Dienstvorschriften gilt auch für sie. Sie können nicht einfach den Wachablauf stören. Wenn sie Probleme haben, gehen sie zum OvD. Pfeffer brüllte, sie bezeichnen mein erscheinen als Störung? Während sich Pfeffer und Beetz behakten hielt ein weiter UAZ am KDL. Zu wem der gehört wusste ich genau. Es war das Fahrzeug von Roos, der wollte aus der Kaserne. Roos stieg aus und brüllte was ist hier los, Müller lassen sie mich sofort raus. Ich versuchte Roos zu erklären, das dass momentan nicht geht. Roos hörte nichts und sah nichts. Vor Wut bebend stürzte er ins KDL – Häuschen und traf natürlich auf Pfeffer. Der schrie Roos sofort an, Major nehmen sie Haltung an, was fällt ihnen ein hier rumzuschreien. Leise sagte ich zu Kümmerli, was für ein Theater, der Klassenfeind in der Mülltonne. Während Pfeffer noch Roos runterputzte sagte Beetz zu mir, kontrolliere die Müllkutscher und lass sie dann ins Objekt. Einer von den Müllfahrern hatte keinen Ausweis mit. Pfeffer rief, während Roos noch immer stramm stand, dann kann er nicht mit rein. Der Fahrer von den Müllmännern drehte sich zu Pfeffer und sagte, entweder kommen wir hier zu dritt hinein oder sie können ihren Müll alleine abfahren. Er habe dieses alberne Affentheater satt. Pfeffer sagte zu Beetz kommandieren sie einen Soldaten ab, der das Müllfahrzeug begleitet. Beetz schaute mich an, ich machte mich auf die Socken. Die Müllmänner schüttelten den Kopf, bei euch ist ja was los. Das hätten sie überhaupt noch nicht erlebt. Ich zog mein Maßband, keine 120 Tage mehr sagte ich zu ihnen.
Pfeffer drehte mit seinem Anhang um und fuhr zum Batailloner. Solche „wichtigen Angelegenheiten“ musste er persönlich klären. Den Klassenfeind im Müllfahrzeug einschleusen, das ging ja nun wirklich nicht.  Für uns war es ein innerer Parteitag, das Roos strammstehen musste und ich war gespannt, was die Geschichte noch für ein Nachspiel hatte. Es hielt sich in Grenzen. In Zukunft sollte jedes zivile Fahrzeug von einem Soldaten begleitet werden. Da konnte man nur hoffen dass nicht zu viele auf einmal kamen. Anfänglich rechnete ich wenigstens mit einem Donnerwetter, nichts der Gleichen. Ich überlegte warum wohl? Nach einigem nachdenken kam ich zu dem Schluss, dass der Batailloner in der Klemme steckte. Wenn man Haarspalter war, hatte ich keinen Dienst nach Vorschrift gemacht. Pfeffer hatte selbst als stellvertretender Divisionschef nicht das Recht eigenmächtig in den Wachablauf einzugreifen. Andererseits war er der Chef vom Batailloner. Und der blieb seiner Linie treu, Teppich hoch und alles drunter.
Eine Woche später kam es zu einem Wachvorkommnis der schwereren Sorte. Die 2. Kompanie hatte Wache. Bei der Wachablösung hatte einer der Uffze. die abgelöste Wache zum Platz geführt, wo die Magazine aus der MPI entfernt wurde. Vorschriftsmäßig kontrollierte er das keine Patrone im Lauf war. Nur bei sich selber sah er es locker. Er hatte vergessen sein Magazin vorher zu entfernen. Er lud durch, in der Gewissheit sein Magazin entfernt zu haben, schaute er gar nicht erst in das Gewehrschloss und drückte ab. Da er den Hebel auf Dauerfeuer gestellt hatte, schoss er das Magazin leer. Dreißig Schuss über die Mauer. Glücklicher Weise war niemand verletzt worden. Er muss wohl in eine Art Schockzustand gefallen sein, als er den Abzug betätigte. Anders konnte ich es mir nicht erklären, dass er den Finger nicht vom Abzug bekommen hatte. TB 4 wäre nicht TB 4, der Vorfall wurde todgeschwiegen. Es wurde von offizieller Seite weder darüber gesprochen, geschweige denn irgendetwas ausgewertet. Der Uffz. blieb Uffz. und zusätzlich blieb ihm das Gespött der Soldaten.   
Eines Abends kamen wir von der Wache. Wir hatten gerade die Waffen abgegeben, als ich Uffze. Remus und Böhr beim UvD tuscheln sah. Ich schenkte der Sache weiter keine Bedeutung, das kam ja alle Tage vor. Als ich Duschen ging, nahm mich Chaleri bei Seite. Du meinte er, pass mal auf Böhr und Remus auf. Was ist denn los, wollte ich wissen? Die haben heute die Schwarzdecke bekommen, wir haben sie ordentlich vermöbelt bis sie liegen blieben. Haben sie erkannt wer es war? Glaube ich nicht, meinte Chaleri. Wir haben uns den Schlüssel von der BA - Kammer besorgt und haben sie dort aufgelauert. Wir hatten erfahren dass sie heute Wäsche tauschen wollten. Sie haben bei Roos Meldung gemacht und nun forschen sie auf eigene Faust. Jetzt war mir klar warum sie beim UvD waren. Sie wollten bestimmt von ihm wissen, wer in der BA – Kammer war. Ich erzählte es Chaleri. Zuviel wissen über den Zwischenfall wollte ich nicht, wer nichts wusste konnte auch nichts erzählen. Der Kreis der Verdächtigen war sowieso nicht allzu groß. Ich unterhielt mich mit Ammling darüber. Der meinte zu mir, seit froh das ihr auf Wache wart, Böhr und Remus wollen zum Militärstaatsanwalt. Das hatte irgendeiner Roos gesteckt und der ist zum Batailloner gesaust. Zirl bemühte sich persönlich auf unsere Kompanie. Er nahm den Kreis der Verdächtigen und die beiden Uffze. zu einer Aussprache zusammen. Danach konnte er wieder den Teppich hochheben und etwas dazu legen.

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