Freitag, 15. April 2011

Erster Ausgang


Das Heizen hatte mir einen Sonderausgang beschert, Niemitz und Caspar hatten es beim Hauptfeld durchgedrückt. Somit war ich der erste von uns Springern der einen regulären Ausgang erhielt. Jeder von den älteren Diensthalbjahren meinte du musst ins Brettl gehen, da ist richtig was los, das ist die verrufenste Tanzbar von Erfurt. Freitag 18.00 Uhr war es soweit. Den Abend vorher hatte ich mein Ausgangshemd noch einmal gebügelt und meiner Ausgangshose eine akkurate Hosenfalte verpasst. Kurz vor dem Ausgang brachte ich die Ausgangsschuhe auf Hochglanz, säuberte meine Fingernägel und trabte zum Hauptfeld. Unteroffizier Hoffmann machte keinen großen Stress. Er wollte nur wissen ob ich meinen Wehrpass am Mann hatte, meinte, rücken sie ihre Krawatte gerade, drückte mir die Ausgangskarte in die Hand und sagte haun sie ab. Vor dem Kasernentor holte ich erst einmal tief Luft, eine freudige Erregung erfasste mein Gemüt, dann zog ich los und fuhr mit der nächsten Straßenbahn in die Innenstadt. Am Centrumwarenhaus stieg ich aus und bummelte erst einmal durch Erfurt. Ich suchte den Dom und lief durch die Fußgängerpassagen. Viele Häuser waren dem Verfall preisgegeben. Ein bisschen erinnerte mich das an die Dresdner Neustadt aber der Dom war beeindruckend. Von hier aus machte ich mich auf das Brettl zu suchen. Der Beschreibung nach konnte es nicht allzu weit sein. Nach einer halben Stunde stand ich davor und als Landser bekam man problemlos eine Eintrittskarte. Irgendwie verleitet es mich immer neu kennengelerntes mit bekannten aus meiner Heimatstadt zu vergleichen. Spontan zu diesem Domizil viel mir die Liga ein. Ich schlenderte durch die Räumlichkeiten und schaute mich erst einmal um. Mir viel eine Hochzeitsgesellschaft auf. Während ich noch darüber nachdachte ob ich meine Hochzeit in solchen Räumlichkeiten feiern würde, kam die Braut auf mich zugesaust rief, Soldat tanzt du mit mir? Peinlich berührt sagte ich zu ihr, willst du nicht erst einmal mit deinem Bräutigam tanzen? Ach was meinte sie mit dem kann ich noch ein Leben lang tanzen. Für meinen Geldbeutel war es jedenfalls gut, denn der Bräutigam meinte, komm mit ran an die Tafel. Kurz nach 23.00 Uhr machte ich mich auf den Rückweg, denn 24.00 Uhr musste ich in der Kaserne sein. Ich stand vor dem Lokal und knüpfte meinen Mantel zu, da hörte ich jemanden laut um Hilfe schreien. Verwundert schaute ich mich um, wo der Hilferuf herkam. Da sah ich an der nächsten Straßenecke wie zwei Gestalten auf eine dritte Person einschlugen. Sofort rannte ich hin, als die zwei Typen mich in meiner Uniform heranstürmen sahen, ließen sie von dem armen Kerl ab und rannten davon. Gleichzeitig mit mir traf noch eine weitere Person bei dem Opfer ein. Genau in dem Moment als wir ihn erreichten brach er zusammen. Aus Nase, Ohren und Mund lief Blut. Ansprechbar war er auch nicht mehr. Wir brachten ihn in die stabile Seitenlage. Ich sagte zu meinem Helfer, ich renne mal zum nächsten Telefon um Arzt und Polizei  zu verständigen. Vom Brettl aus rief ich an und ging zurück zum Tatort. Dort fragte mich meine Helfer, sie sind wohl kein Polizist, wenn sie die Polizei anrufen müssen? Erstaunt fragte ich ihn, wo kommen sie denn her? Aus der BRD, antwortete er. In zwischen war Krankenwagen und Polizei vor Ort eingetroffen. Der Verletzte wurde abtransportiert, mein Helfer hatte Angst vor der Polizei und sagte hoffentlich tun die mir nichts. Ach was meinte ich, dafür das sie in der DDR zu Besuch sind, bestraft sie doch niemand und für ihre Hilfe muss man ihnen dankbar sein. Er machte seine Aussage bei der Polizei, die schrieben sich seinen Aufenthaltsort auf und er durfte gehen. Die Polizei fragte mich ob ich bestätigen könnte das er mit mir am Tatort eingetroffen war, ich nickte. Der Polizist sagte zu mir, seien sie bitte so nett und geben sie die Geschehnisse auf dem Polizeirevier zu Protokoll. Sie nahmen mich mit auf das Revier. Unterwegs bat ich sie, die Kaserne zu verständigen, da ich zu spät aus dem Ausgang zurück wäre. Kein Problem, das machen wir. Nach meiner Aussage, musste ich auf die Kettenhunde ( Militärpolizei ) warten, die mich in die Kaserne zurück bringen sollten. Nach ca. einer Stunde betrat ein Leutnant die Polizeiwache und brüllte mich an, wenn ein Vorgesetzter den Raum betritt hätte ich sofort aufzustehen und  Meldung zu machen. Also setzte ich meine Mütze auf, nahm Haltung an und klopfte meinen Spruch, Soldat Müller vom vierten Transportbataillon. Er schnautze weiter rum, was haben wir denn im Suff wieder ausgefressen. Erstaunt sah ihn der Polizeioffizier der im Raum war an und sagte Genosse Leutnant kommen sie mal bitte mit, beide verließen den Raum. Nach 5 Minuten kamen beide wieder in das Zimmer. Lustlos nahm ich Haltung an, der Leutnant sagte barsch zu mir, scheren sie sich auf den Lkw, ich komme gleich nach. Unten warteten der Rest der Kettenhunde auf mich, zeigten auf den Lkw und sagten los hoch. Dann kletterten sie nach. Oben saßen schon 5 Soldaten die die Militärstreife irgendwo aufgegabelt hatte. Ich hatte Glück, meine Kaserne fuhren sie zuerst an. Beim runterspringen vom Lkw verlor ich meine Mütze, anstatt sie mir runter zu werfen, behielten die Kettenhunde die Mütze, nur Idioten. Die Wache wusste schon bescheid, die Polizei hatte beim OvD angerufen und der hatte es durchgestellt.Am nächsten Morgen musste ich zum Major bericht erstatten. Er meinte, Müller was treiben sie sich auch in solchen Lokalen herum, gehen sie zu Uffz. Graichen eine neue Mütze ausfassen. Damit war die Sache erledigt. Was aus dem Verletzten geworden ist habe ich nie erfahren.                                                     Mit der Aufteilung auf die Stuben der anderen Diensthalbjahre kam eine neue Aufgabe auf uns zu, das Essen fassen. Normalerweise gehörte Essen zur Dienstzeit und Dienst war Pflicht. Nur stand es dem E und dem Vize nicht an zum Essen zu marschieren. Die meisten Offiziere akzeptierten das auch. Nur wenn der Major anwesend war mussten die E’s mit zum Frühstück und Abendbrot traben. Ansonsten mussten wir Springer das Essen mitbringen. Die normalen Soldaten die in der Küche arbeiteten hatten damit auch kein Problem und steckten das Essen uns zu. Nur wenn der Küchenbulle die Essenausgabe persönlich überwachte, versuchte er dieses zu verhindern und brüllte rum, das dritte Diensthalbjahr soll sich sein Essen selber holen, die wissen ganz genau das ihr tun gegen jegliche Dienstvorschrift verstößt. Besonders interessant war das Essen holen Sonntag früh. Sonntags gab es für jeden ein Stück Kuchen extra, zumindest theoretisch. Denn oftmals reichte der Kuchen nicht für alle. Aber die E`s waren ganz geil auf dieses Stückchen Kuchen und den Kakao den es dazu gab. Eines Sonntags morgen hatte Lutz früh den Anschluss verpasst. Denn die Uffze. waren Sonntags zu faul uns zum Essen zu führen. Jedenfalls waren zwei Drittel des Kuchens schon aufgeteilt als er kam und es standen noch etliche Soldaten vor ihm. Er zitterte vor Aufregung am ganzen Körper und drängelte sich vor. Ich rüttelte ihn und sagte, Lutz es ist nur Kuchen. Er war wie weggetreten und murmelte vor sich hin, die machen mich fertig, die machen mich fertig. Da wurde es mir wieder mal bewusst, die schlechtesten E`s hatten wir nicht auf dem Zimmer.


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