Freitag, 15. April 2011

Der Makenball


Um Unteroffizier zu werden musste man sich mindestens 3 Jahre zur Armee verpflichten. In aller Regel ( mindestens 95% ) besuchten die Unteroffiziersschüler während ihres ersten Dienstjahres für ein halbes Jahr die Unteroffiziersschule. Das war eine harte Schule, körperlich eine anstrengende Ausbildung. Aber ein Unteroffiziersschüler war ja gerade 18 Jahre, da steckte man solche Strapazen weg. Der geistige Stress muss dagegen an manchen Schulen um ein Vieles höher gewesen sein. Die Schüler wurden richtig heiß gemacht, als ob der Klassenfeind hinter jedem Busch lauerte. Bei Wachbelehrungen wurden immer besondere Vorkommnisse während des Wachdienstes aus der ganzen Republik ausgewertet. Unteroffizierschüler hatten sich gegenseitig beschossen, weil es im Busch geraschelt hatte. Der nächste Wachposten schoss zurück, weil er dachte er wird beschossen. In einer anderen Unteroffiziersschule hatten sie die Postfrau vom Rad geschossen,  wie durch ein Wunder wurde sie nur  leicht verletzt. Diese Vorkommnisse zeigten die  wahrhaftigen Zustände auf, die an den Schulen herrschten und warfen ein schlechtes Licht auf die Armee. Ging so ein Schnürsenkelgefreiter in den Urlaub oder in den Ausgang, war das für den wie ein Spießrutenlauf solange er die Uniform an hatte. Er wurde zur Zielscheibe des Gespöttes der Soldaten und Gefreiten. In der Hierarchie standen sie auf der untersten Stufe. Kamen sie dann zur Truppe mussten sie sich den Respekt erst verdienen. Bei uns auf der Kompanie schafften das gerade mal 50 Prozent. Waren sie frisch von der Schule wurden sie von den E`s auf den Kompanien erst einmal auf den Boden der Tatsachen  geholt. Auf Hilfe von ihren älteren Kameraden konnten sie nicht rechnen. Die waren froh, wenn sie ihre Ruhe hatten. Am besten kamen die zurande, die sich mit den E`s arrangierten. Wollten sie eine gute Gruppe haben  waren sie auf die Erfahrungen der Soldaten und Gefreiten angewiesen. Und die E`s wiederum konnten mit Hilfe der Unteroffiziere das erste Diensthalbjahr besser Maßregeln, vor allem während der Zeit der A – Kompanie   ( Ausbildungskompanie ). Da hatten sie keinen direkten Zugriff auf die Springer.
Eines Abends nach Dienstschluss erklang die Drillerpfeife, Uffz. Werner brüllte in einer halben Minute erstes Diensthalbjahr  raustreten in Dienstuniform. Fix zogen wir uns um und standen ein halbe Minute später auch in Dienstuniform draußen. Eigenartiger Weise standen die E`s und die Viezen auch auf dem Flur und schauten sich das an. Nach dem Werner stichprobenartig die Anzugsordnung überprüft hatte, trillerte er erneut mit der Pfeife und brüllte erstes Diensthalbjahr wegtreten und in einer halben Minute in Ausgangsuniform antreten. Diesmal schafften nicht alle die Zeit und es hagelte die ersten Arbeitsverrichtungen außer der Reihe, bohnern bei den E`s und war man erst einmal auf den Zimmern, ging es richtig rund. So ging es fortlaufend, raustreten in Freizeitsachen, Unterwäsche, Schlafanzug und so weiter. Die Kompanie hatte bis auf uns ihren Spaß beim Maskenball. Bis jetzt lag ich immer ganz gut in der Zeit, bis es hieß Vollschutz. Da ich nicht die Ausbildung auf dem Drosselacker mitgemacht hatte, war das Neuland für mich. Logischer Weise schaffte ich die Zeit nicht. Uffz. Werner vergab dafür Zensuren, so erhielt der Maskenball etwas Offizielles. Die die Note 5 erhalten hatten mussten in Vollschutz einmal um das Gebäude rennen und dann ging das alles wieder von vorne los. Beim zweiten Versuch war meine Zeit schon besser, aber ich hatte die Note 3 knapp um eine Sekunde verfehlt. Diesmal sollten wir 5 Runden um das Gebäude rennen. Nach der dritten Runde wurde Soldat Kummer schlecht. Er bekam die Kurve nicht, rannte gegen die Hauswand und brach zusammen. Dumm wie Werner war hatte er nicht beachtet, dass der Bataillonschef  noch in der Kaserne war und der hatte das ganze Theater von seinem Fenster aus gesehen. Er kam gerade dazu als wir Soldat Kummer wieder aufrichteten und sagte zu mir, nehmen sie dem Soldaten die Gasmaske ab. Das Gleiche gilt für alle. Als wir unser Schnuffis abgenommen hatten, verlangte er Bericht. Den bekam er und ging gleich mit uns im Anschluss auf die Kompanie. Sosehr die E`s diese Aktion erfreute hatte, umso verärgerter waren sie, das Werner es wieder versaubeutelt hatte. Nichts war mit den Arbeitsverrichtungen außer der Reihe.
Der Maskenball war der Auftakt zur Ausbildung auf der Sturmbahn. Auf dem ersten Blick war das Ding äußerst Respekt einflößend, das meiste Düsensausen hatte ich vor der Eskaladierwand. Werner war wieder in seinem Element, als Vorturner war er gut genug. Es sah spielerisch aus wie er die Wand überquerte. Er meinte passt auf die Technik auf und er hatte recht. Was ich in der GST Ausbildung nie geschafft hatte, machte ich mit links. Gewusst wie und es war ein Kinderspiel. Auf der Sturmbahn war ich immer mit bei den Besten, egal ob mit oder ohne Gasmaske.
Am nächsten Sonntag hatte Werner UvD, 20.00 Uhr ließ er uns auf dem Korridor antreten. Die E`s streuten P3 auf den Flur, kanadischer Winter war angesagt. Sie schlossen gleich einen Wasserschlauch im Bad an und ließen das Wasser in den Gang laufen. Die nächste zwei Stunden verbrachten wir mit scheuern, wischen und trocken des Flures. Das große Erwachen kam am nächsten Tag, das Wasser war durch die Decke eine Etage tiefer gelaufen. Werner war wieder fällig. Er machte sich nun einen Kopf oder wie wir zu sagen pflegten, eine Platte was der Major mit ihm machen würde, bei den E`s hatte er sowieso verspielt. Scholz, Frank den wir Chalerie getauft hatten sagte zu Werner, die Platte hättest du dir eher machen müssen, du alter Plattenschrank. Werner wollte aufbegehren, wir lachten ihn aus und er hatte seinen Spitznamen weg, Plattenschrank.
So dumm wie Werner war nicht jeder Unteroffizier, es gab auch pfiffige darunter. Einer von ihnen war Uffz. Hoffmann, genau genommen war er auch ein EK. Er hatte noch ein halbes Jahr zu dienen und bekam die Planstelle Hauptfeld von Fähnrich Guse übertragen. Damit hatte er eine Schlüsselstellung auf der Kompanie erobert. Denn schließlich wollte jeder einmal in den Ausgang oder in den Urlaub und das lief nun über seinen Schreibtisch                           Eine Woche noch sollte sie dauern die Grundausbildung, dann begann die Fahrschulausbildung. Wir bekamen symbolisch die Waffe überreicht. Zur feierlichen Übergabe hatten sie extra den alten Batailloner ausgekramt. Der war schon lange Rentner und rannte ganz aufgeregt am Tag der Übergabe vor uns auf und ab. Immer wieder versuchte er Zuhörer für seine alten Kamellen  zu finden. Mit Tränen in den Augen überreichte er jedem einzelnen die Waffe und wir sagten dazu unseren Spruch auf: Ich diene der Deutschen Demokratischen Republik. Am nächsten Tag rückte die Kompanie zum schießen ab. Die E´s schossen mit unseren Waffen, so sparten sie sich das Säubern ihrer Waffen. Bevor der Abschlussmarsch begann mussten wir noch den Dichtigkeitstest für die Gasmaske mitmachen. Die E`s versuchten uns mit Greuelmärchen die Taschen zu füllen, was da alles schon passiert wäre. Für den Test wurde eigens auf dem Kaserenenhof ein Zelt aufgebaut. Dieses wurde mit Tränengas gefüllt. Der Test dauerte ungefähr ein viertel Stunde, dann konnten wir das Zelt wieder verlassen. Die E`s hatten für das Zelt die makabere Bezeichnung Cafe Eichmann. Wehe dem, der die Bezeichnung im Beisein eines Vorgesetzten brauchte. Jetzt stand nur noch der Abschlussmarsch an, keiner wusste genaues. Das war eigentlich das Aufregendste, denn der konnte 20, 30 oder noch mehr Kilometer lang sein. Wir traten am vorletzten Tag der Grundausbildung mit dem kompletten Sturmgepäck an, also Teil 1 und 2, Gasmaske und den Jumbo oben aufgeschnallt. Dazu die Kaschi, Seitengewehr, samt  Munition. Ich musste an die Worte vom Gefreiten Neubert denken: Ein deutscher Soldat stirbt nicht durch die Kugel, er schleppt sich zu Tode. Aber ich muss sagen durch das Sturmkoppel wurde die Last ganz gut verteilt und der Marsch war nur 10km lang, es war eher eine erträgliche Sache.



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