Freitag, 15. April 2011

Das wahre Kompanieleben


 Das tägliche Soldatenleben war immer ein Kampf und jedem Neuen in der Truppe viel er besonders schwer. Einerseits wollte man sich nicht erniedrigen lassen aber die Dunstkreise der Anderen auch nicht stören. Das Spagat musste jeden Tag neu vollzogen werden. Heini meinte zu dem Thema, ehe ich so einem Uffz. in den Arsch krieche mache ich lieber beim E die Stube sauber. In zwei drei Wochen kommen wir sowieso zu denen aufs Zimmer und spätestens dann müssen wir uns unterordnen. Kempe meinte da hast du irgendwo recht, solange sie uns nicht erniedrigen passt das schon und in einem Jahr sind wir die E`s. Eines Abends ging die Türe auf und einer von den Gefreiten stand im Zimmer und löffelte rum, los zwei Mann mitkommen, Bude sauber machen. Es wurde ruhig auf unserem Zimmer, jeder schaute jeden an. Der Gefreite meinte, na wird’s bald oder soll ich andere Seiten aufziehen, da könnt ihr den Gefreiten Ritter mal kennen lernen. Steiger, Andreas  erhob sich von seinem Bett und ging auf Ritter zu und sagte zu ihm, ehe wir dich kennenlernen möchte ich mich bei dir erst einmal vorstellen. Mein Name ist Steiger und von Beruf bin ich Stahlwerker im Freitaler Edelstahlwerk und wenn du nicht zu siehst das du aus dem Zimmer kommst trete ich dir in den Hintern, das dir hören und sehen vergeht. Ritter wurde blass und schrie, du Springschwein du hast absolute Höhe. Andreas machte die Stubentüre auf und sagte nur, raus! Ritter rannte hinaus, um zwei Minuten später mit Verstärkung in der Stube zu stehen. Guido meinte alleine traut er sich nicht der große E. Ritter fing wieder an rumzuplärren. In seiner ruhigen Art meinte Frank Spielvogel zu ihm, du wir wissen das wir bald aufgeteilt werden und dann sowieso die Arbeit machen müssen, aber niemals in dieser Tonart, das könnt ihr vergessen. Über eine Stunde diskutierten wir am Ende hatten wir einen Kompromiss gefunden. Wir erklärten uns bereit auf drei Zimmern zweimal wöchentlich zu bohnern und zu keulen aber nur wenn jegliche Schikane ausbleibt und die Uffze. mussten uns vom Halse gehalten werden. Als Werner mitbekam was lief, flippte er aus. Die E`s holten ihn wieder auf den Boden der Tatsachen.
Als erster von unserem Diensthalbjahr bekam Chalerie 2 Tage Urlaub. Es war ein Sonderurlaub, er musste wegen dringenden Familienereignissen nach Hause. Er kam Sonntag spät nachts wieder und hatte ganz schön Schlagseite. Erstaunlicher Weise wurde nur ich munter als er in der Stube rumpolterte. Er packte zwei mittelprächtige Schnapsflaschen auf den Tisch. Sofort war ich hell wach. Prima  dachte ich, da nimmst du erst einmal einen kräftigen Hieb und schaut mir die Flaschen an. Es war eine Wodkasorte die es nur im Intershop gab. Ich setzte die Flasche an und wollte einen Hieb nehmen. Chalerie versuchte sie mir wieder wegzunehmen und lallte dabei irgendetwas unverständliches. Wie ich den ersten Schluck in den Rachen laufen ließ, dachte ich jemand hatte Feuer in meinem Rachen gemacht. Im hohen Bogen spuckte ich das Zeug wieder aus und rang nach Luft. Chalerie lallte Primasprit 89 % Alkohol. Uh, da hatte ich noch einmal Schwein gehabt, das hätte auch anders enden können. Am nächsten Abend mischten wir das Teufelszeug mit Cola und siehe da das Zeug bekam Geschmack.
Eines Nachts es war schon nach Mitternacht ging die Alarmsirene los die uns jeden Morgen mit ihrem hässlichen, durch dringenden Ton weckte. Wir fuhren hoch und wollten gerade aus dem Bett springen. Nur unser Soldat Massi schlief noch schön und was wir sahen haute uns doch aus den Betten. Unser lieber Lutze machte im Schlaf das Geräusch der Sirene nach und hatte uns damit geweckt. Chalerie polterte los, der muss doch wohl spinnen uns zu wecken und schupste ihn unsanft aus dem Bett. Ganz verdattert schaute er uns an. Als wir es ihm erklärten, schüttelte er ungläubig den Kopf, na wer weis von was er geträumt hatte. Am Morgen lachten wir über die Geschichte. Ganz entspannt unterhielten wir uns noch einmal darüber bevor wir zum Frühstück raustreten mussten. Guido meinte, was es so alles gibt, wenn du das mal später deinen Kindern erzählst glaubt dir keiner das. Thomas Kuchta schaute Guido an und fragte ihn, sag mal kann das sein dass du ein Sorbe bist? Erstaunt schaute ich Thomas an, Guido sagte ja. An was hast du denn das gemerkt, er spricht doch Deutsch wie du und ich? Wenn du in der Region wohnst, hörst du es am Dialekt.
An diesem Abend machten die E`s noch mal Stress. Einer von den Tankerfahrern war der Meinung ich sollte mal kurz vor ihrem Zimmer kehren. Ihm  wäre die Zuckertüte runtergefallen und wenn ich gerade hier vorbei lief. Gestresst meinte ich, kehr den Dreck doch selber weg, ich habe genug mit meinen E`s zu tun. Keine 5 Minuten später kam die Retourkutsche. Die Stubentür ging auf der UvD trat ein. Es war Uffz. Beetz einer von den neuen Unteroffizieren und sagte zu mir, Soldat Müller mitkommen Toilette reinigen vorne bei den Tankerfahrern. Ich schnappte mir Eimer, Schrupper und Scheuermittel und zog los. Die Toilette war gesäubert. Schnell wischte ich noch einige Ecken nach. Irgendetwas stimmte nicht. Ich bat den UvD die Reinigung von der Toilette zu kontrollieren. Beetz meinte in Ordnung Müller, die Toilette ist clean. Keine 5 Minuten später ging die Tür auf, der Gefreite kam rein, Müller du Drecksau das nennst du sauber gemacht, ich werde dir helfen. Komme sofort mit oder ich mach dir Beine. Ich trabte ihm hinter her und dachte bloß gut dass der UvD die Toilette abgenommen hatte. In der Toilette sah es aus, er hatte einen Eimer Unrat auf den Fußboden gekippt, in ein Klobecken geschissen und nicht gezogen. Das kannst du selber wegmachen sagte ich zu ihm, ich denke nicht daran so eine Sauerei wegzuräumen. Er meinte, Müller du hast wohl Höhe und rief den UvD. Ich sagte sofort zu Beetz, sie haben ja die Toilette vorhin abgenommen, ich weiß nicht was der Gefreite will. Das stimmt, meinte er und ging in die Toilette. Tja, Gefreiter Domaschke da haben sie wohl ein Problem. Ich sagte zu dem Gefreiten, du bist so etwas von dumm und ließ ihn stehen. Ich sah noch wie der Gefreiter auf das Zimmer der Tankerspringer ging und dachte so bei mir, solch ein Primitivling hat das Abitur. Aber das sollte nicht meine Sorge sein.
Dann war es soweit, wir wurden aufgeteilt. Ich hatte wirklich Glück, erst einmal waren die EK`s  ganz vernünftige und wir waren drei vom ersten Diensthalbjahr die auf das neue Zimmer kamen, das macht es leichter. Meine beiden anderen Mitstreiter waren Andreas Kempe und Thomas Kuchta. Andreas war wie ich Dresdner und kam aus dem Stadtteil Johannstadt, Thomas kam aus dem kleinen Örtchen Bischheim - Häslich aus der Nähe von Kamenz. Beide waren Abiturienten und wollten Arzt werden. Andreas war ein ruhiger Patron und ein  umgänglicher Typ. Ganz so einfach war Thomas nicht, er war sehr stolz und es viel ihm sichtlich schwer sich unter zu ordnen. Einmal sagte er zu mir, wenn ich E bin sollen es die Springer einmal besser haben. Ich lächelte darüber und meinte, das glaubst du wohl selber nicht. Er war sofort eingeschnappt und widersprach, ich werde niemand schikanieren. Das es bei den E`s auch Idioten gab lag auf der Hand aber auf unserem Zimmer schikaniert uns niemand und der dümmste Soldat war allemal noch besser wie Uffz. Werner. Wir quatschten noch eine ganze Weile über dieses Thema. Superempfindlich war Thomas was sein Familienname betraf. Er wurde richtig giftig wenn jemand ihn verunstaltete. Oftmals war ich der Jemand. Bei der Armee gab es nun mal keine Samthandschuhe. Ein Kumpel war Thomas allemal, das man über gewisse Dinge verschiedene Ansichten hatte war eigentlich das Normalste auf der Welt. Außerdem war Thomas der Stubenjüngste, in unserem Alter machten zwei Jahre schon einiges aus.
Für mich wurde das Leben sogar etwas ruhiger nach dem wir aufgeteilt wurden. Ich musste nicht mehr soviel heizen. Wenn der Heizer wollte dass ich mit in die Heizung ging, musste er bei meinen E`s nachfragen und da kam es schon mal vor das sie nein sagten. Die Zimmerbelegung setzte sich zusammen aus vier E`s, drei Vizen und drei Springern. Das sagen unter den E`s hatte in erster Linie der Gefreite Caspar er war der Stubenälteste, Gruppenführer war Uffz. Graichen. Eines Abends sagte Caspar zu uns, wer sich freiwillig zum Bier holen meldet, der brauch heute keinen Stubendienst zu machen. Alkohol in die Kaserne einschmuggeln stand unter Strafe, wer erwischt wurde konnte mit Urlaubs und Ausgangssperre rechnen. Wir schauten uns an, Andreas wollte wissen, wie die Sache abläuft. Caspar erklärte es und meinte vor den Uffzen. braucht ihr keine Angst zu haben, die saufen selber.  Nach kurzen nachdenken sagte ich, ich bin dabei. 20 Uhr ging’s los, wir waren vier Mann,  die beiden E’s Neubert, Niemitz sowie Heini und ich. Neubert sagte, Angst braucht ihr keine zu haben, ihr müsst nur das machen, was wir euch sagen. Er erkläre es noch einmal. Jeder holt Bier ausschließlich für sein Zimmer. Am Schutzwall vom Pistolenschießplatz machen wir über die Mauer, da kommt man am einfachsten drüber. Schaut genau zu wie ich auf den Stacheldraht trete, dann kann nichts passieren. Zuerst ich dann ihr beiden und zum Schluss Niemitz. Sollte die Wache zufällig vorbeikommen, bekommen die zwei Flaschen Bier, wenn wir wieder zurück sind. Er drückte Heini und mir in jede Hand ein Teil 1. Nur war da kein Sturmgepäck drinnen, sondern 20 leere Granaten ( Bierflaschen ). 11 Stück unten 9 Stück umgedreht aufgesteckt, so war jedes Teil bestückt. Als ob so ein Teil genau für 20 Flaschen gemacht wäre. Bekleidet mit unseren Trainingsanzügen zogen wir los.  Vom Wall aus machte Neubert einen riesigen Schritt und schon stand er auf der  2 Meter hohen Mauer, geschickt kletterte er über den auf der Mauer befestigten Stacheldraht  und sprang in die Tiefe. Schnell reichten wir die acht Teile rüber und kletterten hinterher. Wir huschten an der Mauer lang, weiter ging es durch ein Garagengelände. Niemitz sagte hier müssen wir aufpassen, auch Buckels haben hier ihr Auto stehen. Nach ungefähr einem Kilometer waren wir am Einarmigen einer Gaststätte angelangt. Neubert meinte wir sind da und klopfte von hinten an eine Fensterscheibe. Der Wirt lebt nicht schlecht von unserem Umsatz, hier geht das ganze Bataillon hin. Das konnte ich mir vorstellen, wir alleine holten ja schon 160 Flaschen. Der Wirt öffnete das Fenster und sagte, gebt mir die Taschen gleich hier rein, drinnen sitzen Offiziere. Dann brachte er jeden ein Glas Freibier. Wir machten uns auf den Rückweg und kamen komplikationslos an der Mauer an. Das überwinden dieser war das Schwierigste an der ganzen Aktion. Neubert machte es vor. Der Stacheldraht  war an 50 cm langen Eisenstäben befestigt, die schräg von der Mauer weg zeigten, in Richtung Straßenseite. Neubert sprang hoch und fasste mit beiden Händen zwischen den Stacheldraht  und hielt sich an den Eisen fest. Anschließend in einem Zug drückte er sich mit einem Bein von der Mauerweg, das andere Bein schwang  er über den Stacheldraht und fasste gleichzeitig mit der einen Hand ebenfalls um den Draht, um sich wieder an den Eisen fest zu halten. Den Schwung ausnutzend zog er das andere Bein und die andere Hand nach und stand so wieder auf der Mauer und dem Draht. Schnell reichten wir ihm die Teile rüber. Anschließend mühte ich mich über die Mauer. Bei mir sah das bestimmt nicht so elegant aus. Beim Nachziehen des zweiten Beines streifte ich den Stacheldraht und riss mir ein großes Dreiangel in die Hose, direkt an der Wade. Das war natürlich ärgerlich. Während Andreas und Thomas noch beim Stubenreinigen waren, flickte ich erst einmal die Hose. Es sah bescheiden aus, auf alle Fälle musste ich mich mit dieser geflickten Hose vor dem Major in acht nehmen, vielleicht konnte ich sie einmal tauschen. Danach griff ich doch noch zur Bohnerkeule, es war mir einfach zu dumm den Beiden nicht zu helfen.
Jetzt wo man bei den E’s auf dem Zimmer war, sah ich vieles entspannter und man hatte auch mal einen Blick für jenseits der Kompanie übrig. Die EK – Bewegung war auf alle Fälle lockerer wie die A – Kompanie, wenn man sich an die ungeschriebenen Regeln hielt. Kein dummer Unteroffizier der einen Sackgang bereitete, rum schrie oder einen andersweitig auf den Beutel ging. Wie ich so über den Kasernenhof schlenderte und in die Verkaufsstelle wollte, sagte jemand zu mir, hallo Thomas hast du dich eingelebt? Ich trete mich um, da stand Volker Richter. Volker wohnte im gleichen Hof wie ich, war genauso wie ich Jahrgang 59 und der Einzige von ca. 20 Kindern aus dem Hof, der in eine andere Schule ging. Das machte ihn in unseren Augen zum Sonderling, wir spielten selten mit ihm. Dazu kam noch das ich ihm einmal beim Spielen im Sandkasten die Sandschippe auf die Stirn gezimmert hatte. Was eine deftige Platzwunde bei ihm hinterließ und mir eine Woche Stubenarrest einbrachte. Das war natürlich nicht dienlich für eine große Kinderfreundschaft. Aber jetzt freute ich mich ihn zu sehen. Er war Vieze und diente in der zweiten Kompanie.  Zu meiner großen Überraschung entdeckte mich noch einen weiteren Bekannter, der im Sanitätsbataillon diente. Es war Frank Körting, er ging 10 Jahre bei mir in die Parallelklasse. Auch er war Vize.

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