Donnerstag, 8. September 2011

Wache


 Noch im November gingen wir in den Ausgang, wir mussten auch  in der Öffentlichkeit unser EK sein zur Schau stellen. Ich ging mit den Sattelfahrern raus. Da schaut Luderer nie so genau hin wenn die sich ins Ausgangsbuch eintrugen, da vermutete er mich nicht. Beliebt bei uns Soldaten war es auf den Anger in Erfurt zu gehen. Da gab es die meisten Kneipen. Erfurt war Garnisonsstadt, es waren immer reichlich Soldaten in der Stadt  und in den Lokalitäten. Chaleri suchte die Kneipe aus, es war schon ein ganzer Schwung Motschützen und Artilleristen anwesend, alles Gefreite. Es gab ein großes Hallo, wir sollten mit ranrücken. Einer der Mucker sagte zu mir, du nicht, du Zwischenpisser. Empört antwortete ich, du hast wohl Höhe du Sackgesicht und zog mein Maßband. Voller Wut brüllte der Alkohol aus ihm, seit wann haben Zwischenhunde Maßbänder. Schau mal auf meine Schulterstücke du Pfeife, wenn hier einer in der Runde ein wahrer E ist dann bin ich das. Er beruhigte sich nicht so schnell, selbst als Chaleri bestätigte dass ich ein E war. Die Schulterstücken kann sich jeder so knicken, pöbelte er weiter, ich will deinen Wehrpass sehen, brüllte er in seiner Rasche. Damit hatte ich kein Problem und drückte ihm das Ding unter die Nase. Er wurde ruhiger und meinte du bist wirklich ein wahrer E, deine Rechnung ist schon bezahlt. Auch das war wieder eines der vielen ungeschriebenen Gesetzte bei der Armee. War einer E und nicht Gefreiter hatten die Gefreiten die Rechnung zu übernehmen. Das war mehr wie nur Anerkennung, denn schließlich bekam der Gefreite 30 Mark mehr Sold. Es war ein Stück Gerechtigkeit. Sie ließen mein Bier gleich auf ihre Bierdeckel schreiben. Wir bekamen an diesem Abend sogar noch ein ganz vernünftiges Gespräch zu Stande, die Motschützen waren ein bunt zusammen gewürfelter Haufen aus der ganzen Republik. Nicht so wie wir, die mehrheitlich aus dem Bezirk Dresden kamen. Ihre Ausbildung war um ein vielfaches härter gewesen wie die Eigene.
Der Wachdienst nahm uns immer mehr in Anspruch. Das spezifische in unserer Kompanie war, die Tankerfahrer standen immer mehr Wache wie die Sattelschlepperfahrer. Das hatte folgenden Hintergrund. Die Fahrschulausbildung wurde ausschließlich mit den Sattelschleppern durchgeführt. Es war verboten mit den Tankern die Fahrübungen in der Stadt abzuhalten, was auch irgendwo vernünftig war. Also mussten wir die Wache übernehmen. Die ersten zwei, drei Wachen vielen mir recht schwer aber dann hatte man sich an den Rhythmus gewöhnt. Wache stehen war ein 24 Stundendienst. Es gab im Bataillon  5 Wachposten und das KDL. Jeder Posten war mit drei Soldaten besetzt. Einer Stand Wache, einer Bereitschaft und einer hatte Wachfrei. Das KDL war mit einem Uffz. und drei Soldaten besetzt. Hier galt das Prinzip, Wache, Bereitschaft und Frei genauso. Die Posten 1 und 2 wurden ausschließlich Nachts besetzt. Der merkwürdigste Posten war der vor dem Fahrzeugpark. Man befand sich da wie auf einen Repräsentierteller. Der Eingang zum Fahrzeugpark befand sich unmittelbar neben dem Stabsgebäude. Dort saßen der OvD und der Batailloner. Tags über stand man unter einem Postenpilz. Um diesen herum war eine Fläche von 2 qm gekennzeichnet. Diese durfte man nicht verlassen. Jeden ollen Buckel der da vorbeikam musste man grüßen. Das stank mir natürlich gewaltig. Meistens stellte ich mich so das ich die Buckels nicht sah. Gott sei Dank hatte ich den Posten nicht allzu oft. Von 18.00 bis 06.00 Uhr lief der Posten im Gelände des Fahrzeugparks seine Wachrunde. Das Gute an dem Posten war, musste im Fahrzeugpark gearbeitet werden, wurde die Wache ab dem Zeitpunkt eingezogen. Wochentags war das zu 99 Prozent so aber am Wochenende hatte es einen angeschissen. Rauchen war während des Postens stehen  natürlich verboten. Wachdienst nach Vorschrift hieß, es wurde aller zwei Stunden der Posten gewechselt. Allerdings lief der Wachdienst meist wie folgt ab:
18.00 erfolgte die Wachablösung. Der Postenführer in der Regel der Wachhabende schaffte einen auf den Posten und die alte Wache begleitete den Wachhabenden zum Wachlokal. Nicht ohne vorher das Gewehr entladen zu haben. Alles erfolgte nach einem streng festgelegten Ablauf. Die Wache lief auf den dafür vorgesehenen Platz und nahm in Reih und Glied Aufstellung. Der Postenführer rief den einzelnen Posten auf. Der trat vor, nahm das Magazin aus dem Gewehr, entsicherte es und lud durch. Der Postenführer kontrollierte ob sich eine Patrone im Lauf befand. Gewöhnlich war das nicht der Fall, ansonsten musste sie entfernt werden. Dann betätigte der Posten den Abzug und sicherte das Gewehr wieder. Dabei durfte die Waffe nie auf Menschen gerichtet werden, sie musste immer schräg nach oben Richtung Himmel zeigen. Auch der Postenwechsel erfolgte nach genauen Vorschriften. Erschien der Postenführer im Postenbereich hatte ihn der Posten wie folgt anzurufen, halt wer da. Der Postenführer musste stehen bleiben und Auskunft geben. Zum Beispiel Postenführer Graichen mit OvD und 4 Soldaten. Erst dann konnte der Postenwechsel vollzogen werden. War die Prozdur endlich beendet hatte man Bereitschaft zumindest theoretisch, denn praktisch galt das nur für den Springer. Der Vize und der E hatten Freizeit. Freizeit hieß man durfte sich im Wachlokal bewegen und seine Zeit mit mehr oder weniger sinnvoller Tätigkeit totschlagen. An erster Stelle stand da natürlich schlafen, gefolgt von Skat spielen. Glücksspiele waren zwar verboten, aber das interessierte keinen. Manchmal nahmen wir auch die Waffen auseinander um zu sehen wer sie am schnellsten wieder zusammenbekam. Wenn man so eine Kalaschnikow richtig auseinander nahm, hatte man schätzungsweise 30 Einzelteile rum liegen. Ich war da richtig gut beim Zusammenbau. Meistens war ich der Schnellste. Genau genommen war das auch verboten, während der Wache solche Spiele zu betreiben. 22.00 Uhr wurde der Postenwechsel gemacht. In den meisten Fällen kam der OvD mit. Dann haute auch er sich aufs Ohr. Für gewöhnlich trafen sich die Soldaten an den Punkten wo die einzelnen Postenwege sich tangierten, quatschten, rauchten oder hörten ihr kleines Postenradio. Auf diese Art und Weise verging die Zeit am schnellsten. Die nächsten Postenwechsel waren 02.00 und 06.00 Uhr. In dem Rhythmus ging es weiter bis 18.00 Uhr. Dann hatten wir 24 Stunden wachfrei um nach dieser Zeit erneut auf zu ziehen. Bei mir lief das Wacheschieben etwas anders ab. Uffz. Graichen war meistens unser Wachhabender. Er war genauso E wie ich und er war während des ersten Diensthalbjahres mein Gruppenführer. Er teilte mir immer Öfter einen Nachtposten zu und zwar den Posten 2. Nach kurzer Zeit stand ich fast nur noch diesen Posten. Der Postenweg verlief hinter unserer Kaserne. Graichen richtete es so ein, das ich 18.00 Uhr auf Posten zog. Kaum war ich auf dem Posten, nahm ich das Magazin aus dem Gewehr versteckte es gut, dass es auch wirklich niemand finden konnte. Im Anschluss verkrümelte ich mich auf die Kompanie fernsehen gucken. Graichen oder die anderen Wachhabenden wussten Bescheid. Passierte etwas Unvorhergesehenes riefen sie auf der Kompanie an und eine Minute später stand ich auf dem Postenweg. Nach dem Postenwechsel haute ich mich aufs Ohr und schlief oftmals bis Mittag. Auf diese Art und Weise war Postenschieben ein angenehmer Shop. Aber Wehe Roos hatte OvD, da mussten wir Dienst nach Vorschrift machen. Der hielt uns die ganze Nacht auf trab. Er wusste ja dass die Nachtposten nach 06.00 Uhr abmatteten  und dies missgönnte er uns. Er teilte  die Nachtposten für gewöhnlich zu irgendwelchen Arbeiten ein. Das Mißviel aber dem Batailloner und bestellte Roos zum Raport.  Roos war wirklich  bescheuert. Er konnte es nicht lassen und versuchte als Kompaniechef in das Wachlokal zu kommen um Soldaten für seinen Blödsinn ab zu ziehen. Uffz. Graichen ließ ihn gar nicht erst in das Wachlokal. Als Roos renitent wurde, rief er den OvD. Der drohte ihn verhaften zu lassen, wenn er sich nicht Augenblicklich davon macht. Wir lachten voller Schadenfreude über seine Dummheit und stimmten das EK – Lied an. Anfang Dezember wurde es bitter kalt. Die Temperatur viel Zeitweise auf minus 20 Grad Celsius. Wir hatten die Oma tief ins Gesicht gezogen. Freiwillig machten wir Dienst nach Vorschrift und wechselten aller zwei Stunden. Auf dem Postenweg 3 befand sich ein Wachturm. Der wurde nur tagsüber besetzt. Wir zogen uns bei der Kälte dorthin zurück, in der Hoffnung die gröbste Kälte fernzuhalten. Die Hoffnung starb zuletzt. Hin und wieder dachte ich, wenn manche wüsten wie hier Wache geschoben wurde, würden sie öfters mal versuchen an Sprit zu kommen.





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