Montag, 7. November 2011

Der Löffel

Den Tag nach der Übung war Tankerwaschen angesagt. Danach begann die große Fahrzeugumstellung auf das Frühjahr. Durch die Ereignisse in Polen war alles in Verzug geraten. Aber so langsam kam alles in seine geordnete Bahn. Roos teilte uns E`s mit hämischer Freude mit, dass wir genau am 30.04. entlassen werden und keinen Tag eher. Er wusste genau wir hatten auf die Entlassung am 28.04. gehofft. Obwohl es sich nur um zwei Tage handelte saß der Stachel tief.   Des Weiteren verkündete er, wer nicht von seinen Angehörigen, Freunden oder Bekannten abgeholt wird, fährt in einem Sammeltransport nach Hause. Na das war vielleicht ein Ding. Ich rief bei Vatern an und fragte nach ob es möglich ist, mich abzuholen und noch zwei Kameraden mitzunehmen. Das dürfte kein Problem sein, meinte er. Was eher ein Problem für mich war, das war der letzte Brief von Conny. Sie bat mich am 30. 04. und am 01.05. nicht zu ihr zu kommen. Sie wäre bis 01.05. noch bei Freunden und erst am Samstag wieder zu Hause. Ich war tief enttäuscht, ich hatte mich so auf den Tag und das Wiedersehen mit ihr und Thomas gefreut. Aber ich ließ mir die Enttäuschung nicht anmerken und versuchte sie zu kaschieren. Zu meinen Kameraden auf dem Zimmer sagte ich, am Tag der Entlassung da wird gefeiert, die Familie muss warten. Dabei war mir ganz Elend zumute. Es nützte nichts, da musste ich durch. Ich fragte mich sowie schon eine ganze Weile, was mir das Leben nach der Armee bringen wird. Eins war klar, es wird ein völlig neues Kapitel in meinem Leben werden. Jetzt galt es erst einmal die letzten Tage bei diesem Verein abzureisen und gesund und munter zu bleiben. Für Dietmar und Meise bedeutete das, den angegammelten Diesel in die umliegenden Kasernen zu fahren, während wir im Fahrzeugpark die Umstellung der Fahrzeuge auf das Frühjahr mit machten. Viel wurde dabei nicht mehr von unserer Seite. Wir waren in Gedanken schon zu Hause. 14 Tage vor der Entlassung kam Roos auf die Idee Erinnerungsfotos zu machen. So recht wussten wir nicht was wir davon halten sollten. Denn wer dachte schon gerne an die Armee zurück? Auch wenn man das Schlechte mit der Zeit vergaß, den mahnenden Zeigefinger werde ich immer vor Augen haben. Andererseits ein paar Bilder von den Kameraden mit denen man 1 ½  Jahre zusammen war, ist keine schlechte Sache. Roos ließ einen Tanker und einen Sattelschlepper auf den Exerzieplatz fahren, wir stellten uns in Pose und Roos fotografierte. Beim Morgenappell gab er  bekannt, dass die E`s sich Zivilklamotten schicken lassen können. Dafür erntete er nur höhnisches Gelächter. Aber ich glaube Roos hatte auch keine andere Reaktion erwartet, denn ihm war schon bewusst, dass jeder E und fast jedes Zwischenschwein Zivilsachen auf der Kaserne heimlich gebunkert hatte. Wir feierten noch einmal eine Riesenparty als wir nur noch einspurig fuhren und dann kam die Tage wo wir von Früh bis Abend Sender der DDR hörten. Es ging das Gerücht, so um die 7 Tage vor der Entlassung würde jedes Mal ein Lied von Andreas Holm gespielt, noch siebenmal Morgenrot. Tatsache am achten Tag vor unserer Entlassung spielte Radio DDR dieses Lied. Ob das Zufall war oder gezielt gespielt wurde war völlig egal. Wir stellten das Radio laut, so das es auch auf dem Flur zu hören war, grölten den Refrain mit und schwangen unser Maßband. Der Böse tobte wie Rumpelstilzchen auf dem Flur hin und her, es interessierte niemanden. Am Vormittag des vorletzten Tages lief mir im Treppenhaus Roos über den Weg. Wie ein kleiner dummer Junge sagte er zu mir, heute habe ich es geschafft, sie bekommen keine Quali I Spange. Na und sagte ich zu ihm, morgen bin ich zu Hause. Ich ließ ihn stehen. Während seine Gesichtszüge erstarrten, wurde mir bewusst, wie sehr ihn das beschäftigt haben musste. An diese olle Spange hatte ich schon längst nicht mehr gedacht. Das Gequatsche von Patschen hatte ich sowie nicht für bahre Münze genommen und mit der Spange gar nicht gerechnet. Gegen 14.00 Uhr war Bataillonsappell. Zirl übergab die Auszeichnungen und die Entlassungstücher. Einige Gefreite wurden zu Unteroffizieren der Reserve befördert. Mario blieb Soldat. Diesmal nahm er es mit Humor und freute sich auf zu Hause.  Zirl sagte Morgen wird er noch eine kurze Ansprache halten wollen, vor den Angehörigen der zukünftigen Reservisten. Die Ansprache würde 10.00 Uhr auf dem Exerzierplatz stattfinden. Wir sausten mit unseren Tüchern auf die Zimmer der anderen Ek`s, wegen der Unterschrift. Als wir alle hatten banden wir uns die Tücher um. Wir feierten noch bis in die späte Nacht. Morgen würde ich mit Arno, Guido und Thomas nach Hause fahren. Vater würde sie bis Dresden Neustadt mitnehmen. Von dort könnten sie mit dem Zug bis Kamenz fahren. Dreiviertel Zehn ließ uns Roos auf der Kompanie antreten, um im Anschluss auf sein Dienstzimmer zu verschwinden. Fünf vor 10 kam der OvD, wo wir blieben. Roos ließ den OvD nicht in sein Dienstzimmer. Viertel Elf kam der Batailloner persönlich um uns zu holen. Er tobte wie ein Verrückter vor Roos seinem Dienstzimmer. Roos blieb wo er war. Zirl nahm uns so mit. Einen größeren Gefallen konnte der Böse uns gar nicht machen. Gehässig lachend verließen wir die Kompanie. Als wir den Exerzierplatz betraten suchte ich mit den Augen meinen Vater und winkte ihm dann zu. Was Zirl zu sagen hatte, ich weise es nicht. In Gedanken war ich schon zu Hause. Zum Abschied pöbelte mich Zapfenludi vor meinem Vater noch einmal an. Ich sagte, verschwinde du Armleuchter. Als wir vor dem Kasernentor standen drehten wir uns alle um und warfen den obligatorischen Löffel über das Tor. Ich schaute meinem Löffel solange hinterher bis er verschwand. Nach dem alle scheppernd gelandet waren brachen wir in einem unbeschreiblichen Jubel aus.

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